Berlinale 13: THE NECESSARY DEATH OF CHARLIE COUNTRYMAN von Fredrik Bond

Shia LaBeouf
Shia LaBeouf

Ein Mann trifft auf eine wilde schöne Frau in einer Stadt und sein Leben gerät in kürzester Zeit komplett aus den Fugen. Den Film gibt es in zahlreichen Varianten, von Martin Scorseses After Hours (1985) mit Griffin Dunne und Rosanna Arquette, über Jonathan Demmes Something Wild (1986) mit Melanie Griffith und Jeff Daniels oder John Landis‘ Into the Night (1985) mit Michelle Pfeiffer und Jeff Goldblum. Jetzt ist es eben der ewige Nachwuchsstar Shia LaBeouf, dem Rachel Evan Woods zum Ausbruch aus dem Kokon und zum Sprung in die Männlichkeit verhilft.

Charlie lebt in Chicago ziellos vor sich hin, bis seine Muter stirbt und ihm gleich danach als liebevolle Erscheinung das Versprechen abnimmt, nach Bukarest zu fliegen. Einfach so. Später stellt sich dann heraus, dass die tote Mutter Budapest gemeint hatte, aber da ist ihr Plan auch so schon aufgegangen. Der Junge hat im Flugzeug einen Mann getroffen, der neben ihm friedlich starb, nicht ohne erst von seiner Tochter in Bukarest erzählt zu haben. Diese Tochter, die raubt dem Jungen dann auch gleich auf den ersten Blick den Verstand. Dass sie zwischen zwei brutalen Gangstern steht, von denen Mads Mikkelsen den einen und Till Schweiger den anderen spielt, gehört zum Konzept.

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Berlinale 13: GOLD von Thomas Arslan

Nina Hoss in 'Gold' von Thomas Arslan © Patrick Orth Schramm
Nina Hoss in ‚Gold‘ von Thomas Arslan © Patrick Orth Schramm

Der deutsche Beitrag im diesjährigen Wetbbewerb lässt einen ein wenig ratlos zurück. Oder sattelwund, wie es eine britische Kollegin ausgedrückt hat. Nina Hoss ist Emily, eine Frau aus Bremen, die als Dienstmädchen in den USA des ausgehenden 19. Jahrhunderts ihr Glück nicht gefunden hat und sich nun im Sommer 1898 einer deutschen Goldgräbertruppe anschliesst, die sich auf dem Landweg nach Klondike durchschlagen möchte. Fünf Männer und zwei Frauen machen den kleinen Trek aus, am Ende bleibt, leider nicht unerwartet, nur Emily.

Arslan filmte wohl mit Blick auf grösstmöglichen Realismus. Der Dreh in Kanada dürfte sich bisweilen im Werner-Herzog-Bereich abgespielt haben, die gezeigten Strapazen und das Leiden der Pioniere in der Wildnis spiegeln mit Bestimmtheit einen Teil der Drehstrapazen. Und doch lässt einen das Gefühl nie ganz los, man sei in einen Film unseres Innerschweizer Wildfilmers Luke Gasser geraten. Oder in ein Projekt wie Country-Musiker Angie Burries The Wolfer. „Berlinale 13: GOLD von Thomas Arslan“ weiterlesen

Berlinale 13: DOLGAYA SCHASTLIVAYA ZHIZN – A Long and Happy Life – von Boris Khlebnikov

Dolgaya schastlivaya zhizn 5

Zynischer könnte ein Filmtitel gar nicht sein. Aber das weiss man erst, wenn dieses russische Drama sein einleuchtendes Ende gefunden hat. Die erste Einstellung erinnert an Tarkovski. Ein breiter Fluss, ein russisches Dorf aus verwitterten Holzhütten, eine kleine Kirche. Aber schon nach dem ersten Schnitt sind wir mitten in der heutigen Zeit. In einem Büro der Kreisverwaltung bedrängen zwei Beamte den jungen Sascha, den Verkaufsvertrag zu unterzeichnen für die ehemalige Kolchose, die er seit einiger Zeit führt. Es gibt lukrative Pläne für das Land, die Landarbeiter und der Pächter sollen mit einer Abfindung zur Räumung bewegt werden.

Sascha ist erschüttert, fügt sich aber und verspricht, zu unterschreiben. Das hat auch mit seiner heimlichen Liebschaft zur Sekretärin des Kreisbüros zu tun: Die möchte schon lange lieber mit ihm in die Stadt ziehen. „Berlinale 13: DOLGAYA SCHASTLIVAYA ZHIZN – A Long and Happy Life – von Boris Khlebnikov“ weiterlesen

Berlinale 13: PARADIES: HOFFNUNG von Ulrich Seidl

© Ulrich Seidl Filmproduktion GmbH
© Ulrich Seidl Filmproduktion GmbH

Ulrich Seidls Paradies-Trilogie endet mit einer Überraschung. Der Film wird seinem Titel gerecht, er geht nicht an die Schmerzgrenzen des Publikums, wie die beiden ersten. Das könnte verschiedene Gründe haben. Und es hat mindestens eine Konsequenz.

Paradies: Liebe erfüllte die Erwartungen an Seidls gnadenlosen Blick. Und Paradies: Glaube löste die zu erwartenden Proteste aus religiösen Kreisen aus. Aber mit der Geschichte der übergewichtigen Dreizehnjährigen wäre Seidl in des Teufels Küche geraten, hätte er sie mit der gleichen ungefilterten Direktheit gefilmt. „Berlinale 13: PARADIES: HOFFNUNG von Ulrich Seidl“ weiterlesen

Berlinale 13: PROMISED LAND von Gus Van Sant

Matt Damon copy Scott Green

Gerade an einem Festival wie der Berlinale, wo die Autorenfilme gerne auch mal etwas holpern dürfen, macht so eine geschliffene kleine Retorten-Maschine wie Promised Land durchaus Spass. Drehbuch von Matt Damon, der auch die Hauptrolle spielt, und von John Krasinski, der sich die Rolle des Gegenspielers auf den attraktiven Leib geschrieben hat, und Regie von Gus Van Sant: Das klingt doch schon mal gut. Und dann noch dieses brandaktuelle Thema, Big Gas, der böse Multi, der sich mit seinen Fracking-Gelüsten das Farmland der ausgebluteten Landbevölkerung aneignen möchte. Beziehungsweise, das Recht, dieses mit der rabiaten Förderung von versteckten Erdgaslagern auszubeuten. Prächtig.

Der Film fängt damit an, dass der von Damon gespielte Steve Butler als Agent des Gas-Multis die Publikumssympathien auf seiner Seite hat. Das steigert sich noch, als er im ausgewählten Landstrich auf Frances McDormand in der Rolle seiner Arbeits-Partnerin stösst. Gemeinsam macht sich das mit allen Wassern gewaschene Paar dahinter, möglichst viele Gemeindemitglieder mit Verträgen an die Firma zu binden und dann die Abstimmung im Dorf über das Ja zur Gasförderung möglichst auf sicher zu trimmen. „Berlinale 13: PROMISED LAND von Gus Van Sant“ weiterlesen

Berlinale 13: W IMIE – IN THE NAME OF… von Malgoska Szumowska

Andrzej Chyra in 'W imie'
Andrzej Chyra in ‚W imie‘

Der gequälte polnische Priester ist schwul und unglücklich und er heisst Adam. Die gelangweilte Frau seines Kollegen im Jugendzentrum, die ihn verführen möchte, heisst Ewa. In einer Szene tanzt der betrunkene Priester verzweifelt mit einem gerahmten Bild des Papstes in den Armen. Filme, die einem so ins Auge springen, oder ins Ohr, sind meist unerträglich.

Aber Im Namen… ist nicht nur sehr erträglich, der Film ist immer wieder mal beeindruckend und hin und wieder sogar ganz gezielt komisch. Etwa in einer Szene, wo der denunzierende Kollege im Vorraum des Bischofssitzes ein Schild sieht mit dem guten Rat „Der Herr ist nahe. Halte die Stille“. „Berlinale 13: W IMIE – IN THE NAME OF… von Malgoska Szumowska“ weiterlesen

Filmpodcast Nr. 324: Sightseers, Adieu Berthe, Grounding 2026, Peter Liechti, Carlos Reygadas.

'Post Tenebras Lux' von Carlos Reygadas ©looknow
‚Post Tenebras Lux‘ von Carlos Reygadas ©looknow

Kino im Kopf mit Michael Sennhauser. Hannes Nüsseler hat Sightseers gesehen und ich habe mit Bruno Podalydès über Adieu Berthe gepsprochen. Michael Steiner hat Wellen gemacht mit einem Auftragskurzfilm, den noch niemand gesehen hat, und mit Peter Liechti habe ich vor seiner Berlinale-Premiere über Vaters Garten gesprochen. Und der Mexikaner Carlos Reygadas macht nicht nur faszinierende Filme, er kann auch reden. Dazu Tonspur und Kurztipps, wie gewohnt.

Hören:

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Berlinale 13: YI DAI ZONG SHI – THE GRANDMASTER von Wong Kar Wei

Zhang Ziyi in 'The Grandmaster' ©2011 Block 2 Productions Ltd
Zhang Ziyi in ‚The Grandmaster‘ ©2011 Block 2 Productions Ltd

Immer treffen sie aufeinander. Nie kommen sie zusammen. Bei Wong Kar Wei ist die Liebe schmerzlich, eine stille Glut. Wie er in In the Mood for Love den Mann und die Frau aufstellte, immer wieder anders, immer mit Bezug und Distanz, das erinnert an ein Schachspiel: Stell sie auf, gib ihnen die Bewegungsmöglichkeiten vor, beziehungsweise: Schränke sie ein. Dann wächst die Sehnsucht in ihnen. Und im Publikum.

Auch mit Martial Arts, Kampfkunst, hat er sich schon früher beschäftigt. Aber The Grandmaster bringt nun eine Wong Kar Wei-Synthese zustande, die verblüfft. Weil sie aus der Antithese heraus entwickelt wird: Die Distanz, das Nicht-Berühren-Können der Liebenden entzündet sich beim heftigsten Zusammenprall überhaupt, der konzentrierten, geballten, gezielten, präzisen Punktlandung körperlicher Energie. „Berlinale 13: YI DAI ZONG SHI – THE GRANDMASTER von Wong Kar Wei“ weiterlesen

Die Unverpassbaren, Woche 06

Denis Podalydès und Michel Vuillermoz in 'Adieu Berthe' ©xenix
Denis Podalydès und Michel Vuillermoz in ‚Adieu Berthe‘ ©xenix

Erst diese fünf Filme sehen, dann alle anderen.

  1. Adieu Berthe – L’enterrement de mémé von Bruno Podalydès. Eine jener skurril-poetischen französischen Alltagskomödien die bei uns keiner hinkriegt. Grotesk, komisch und rührend.
  2. Vergiss mein nicht von David Sieveking. Abschied und Denkmal für die demente Mutter. Nie war diese Tragik fröhlicher und menschlicher als bei dem Mann, der David Lynch bei seinen Flugversuchen beobachtet hat.
  3. Jagten von Thomas Vinterberg. Das Gegenstück zu Vinterbergs Festen von 1998: Die Geschichte einer Hexenjagd auf einen vermeintlich Pädophilen.
  4. Blancanieves von Pablo Berger. Schneewittchen, schwarzweiss, mit sieben Zwerg-Torreros, im Spanien der 1920er Jahre. Showbiz war nie schöner schäbig.
  5. Broken von Rufus Norris. Die elfjährige Skunk stiehlt uns das Herz auf ihrem Weg in die grausame Welt der Erwachsenen.

Im Filmpodcast morgen mehr zu Adieu Berthe, Sightseers, Michael Steiner, Peter Liechti und mit Carlos Reygadas zum Schweizer Film und seinem eigenen Post Tenebras Lux .

Schaurig schön: Das NIFFF Poster 2013

NIFFF13_affiche_2013

Das NIFFF ist mein Lieblingsfilmfestival in der Schweiz. Ich mag auch andere sehr, aber die dunkle Seite meines Herzens gehört dem NIFFF. Und das hat natürlich auch damit zu tun, dass am NIFFF so viel evoziert wird, von kindlicher Angstlust über pubertäre Gruselfreude bis zur ausgewachsenen Begeisterung für alles Fantastische vor allem und gerade im Kino. Und darum mag ich auch das neue  Plakat so sehr. Denn es greift auch wieder subtil zurück auf Bilder, die uns von Kindheit auf geprägt (und verfolgt) haben, auf Geschichten und Filme, die mir ans Herz gewachsen sind. Zum Beispiel auch auf diesen, von 1980: „Schaurig schön: Das NIFFF Poster 2013“ weiterlesen