Cannes 13: LA VÉNUS À LA FOURRURE von Roman Polanski

Emmanuelle Seigner, Mathieu Amalric
Emmanuelle Seigner, Mathieu Amalric

Ein Theaterautor (Mathieu Amalric) versucht sich als Regisseur seines ersten Stücks, und eine Schauspielerin (Emmanuelle Seigner) übernimmt schon beim Vorsprechen spielerisch die Kontrolle über denn Mann und seine Obsessionen. Das Zweipersonenstück „Venus in Fur“ von David Ives war vor zwei Jahren ein kleiner Broadway-Hit. Ives hatte rund um die über 140 Jahre alte Novelle „Venus im Pelz“ von Leopold von Sacher-Masoch ein Spiel um Macht und Unterwerfung zwischen Mann und Frau entworfen.

Ein Thema, das auch in Polanskis Filmen immer wieder anklingt, am deutlichsten in Bitter Moon von 1992. Damals spielte Polanskis Ehefrau Emmanuelle Seigner die Frau des gelähmten Oscar (Peter Coyote) – ein Paar in einer komplexen sado-masochistischen Beziehung. Entsprechend fasziniert war Polanski denn auch nach eigenen Aussagen, als er am Filmfestival von Cannes vor einem Jahr das Stück in die Hand bekam. Er habe schon einige Zeit einen Stoff gesucht, um wieder mit seiner Frau zu drehen. „Cannes 13: LA VÉNUS À LA FOURRURE von Roman Polanski“ weiterlesen

Cannes 13: ONLY LOVERS LEFT ALIVE von Jim Jarmusch

Tilda Swinton und Tom Hiddleston sind schon sehr lange Adam and Eve
Tilda Swinton und Tom Hiddleston sind schon sehr lange Adam and Eve ©filmcoopi

Bei Jim Jarmusch braucht alles seine Zeit. Und wer hätte mehr davon als ein Untoter, ein Vampir? Tilda Swintons anderweltliche Schönheit prädestiniert die Schauspielerin für eine Rolle, welche einst Catherine Deneuve spielte, in Tony Scotts The Hunger, David Bowie an ihrer Seite.

Bei Scott war das allerdings Cutting Edge, unterkühlter Vampire Chic und die reine Tragik. Musste doch Deneuves Vampirin alle paar Jahrhunderte auf einen neuen Lover ausweichen. Weil die alle zwar nie starben, aber doch alterten, bis sie als lebende Mumien gelagert werden mussten. „Cannes 13: ONLY LOVERS LEFT ALIVE von Jim Jarmusch“ weiterlesen

Cannes 13: MICHAEL KOHLHAAS von Arnaud des Pallières

Mads Mikkelsen
Mads Mikkelsen, c’est lui, Michael Kohlhaas

Kleists Michael Kohlhaas als blindwütiger Rächer in Death Wish-Manier, mit Mads Mikkelsen in der Titelrolle, wunderschönen Pferden in wunderschöner Landschaft, mit Schwertern, Blut und Eichenlaub.

Nein, nein, nein. Natürlich nicht. Arnaud des Pallières ist ein belesener, kultivierter Mann, ein europäischer Franzose, nicht Michael Winner.

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Cannes 13: Die voreilige Bilanz mit Katja Nicodemus und Anke Leweke

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Das Festival als Eigenmarken-Boutique und die Frauen in der Warteschleife? Wer definiert das Weltkino von Cannes – und wer finanziert es? Warum war die 66. Ausgabe kein Highlight? Ein paar Fragen und ein paar versuchte Antworten in einer fröhlichen Radiorunde mit Katja Nicodemus, Anke Leweke und Michael Sennhauser. Live ausgestrahlt heute Freitag um 10 Uhr auf SRF 2 Kultur, jetzt nachzuhören über die Links unten.

Hören:

Saugen: Reflexe-Runde Cannes 2013 (Rechtsklick für Download)

Cannes 13: NEBRASKA von Alexander Payne

Bruce Dern und Will Forte
Bruce Dern und Will Forte

Nur schon das Wiedersehen mit dem stets grossartigen Bruce Dern macht diesen jüngsten Film von Alexander Payne zu einem Vergnügen. Der 77jährige Veteran, einst auf Psychopathen und cholerische Ausraster spezialisiert, spielt Woody Grant, einen alten Alkoholiker, von dem die Frau und seine beiden erwachsenen Söhne den Eindruck haben, er sei nicht mehr so ganz zurechnungsfähig.

Insbesondere, als er sich zu Fuss auf den Weg aus Montana nach Nebraska machen will, weil er einen dieser Briefe mit dem „Sie haben gewonnen“-Trick erhalten hat. Woody will seine Million persönlich abholen, da seine Frau sich nachvollziehbar weigert, ihn zu fahren. „Cannes 13: NEBRASKA von Alexander Payne“ weiterlesen

Cannes 13: LA VIE D’ADÈLE – CHAPITRE 1 & 2 von Abdellatif Kechiche

Adèle Exarchopoulos, Léa Seydoux
Adèle Exarchopoulos, Léa Seydoux

Goldene Palme 2013 für Abdellatif Kechiche

Ungefilterter, keuchender, klatschender Sex zwischen zwei schönen jungen Frauen, eine Kamera, welche die Körper fast berührt – und keine Spur von Pornographie. Abdellatif Kechiche hat einen Blick, dem wir uns anvertrauen.

Intimität ist im Kino fast immer eine Behauptung. Da geschieht etwas auf der Leinwand, und wir schauen zu. Damit echte Intimität entsteht, müssen wir uns nicht nur selber dabei vergessen können, sondern auch noch die Perspektive wenigstens einer der Figuren übernehmen, denen wir zuschauen. In La vie d’Adèle ist es das Erleben der zum Filmbeginn 15jährigen Gymnasiastin Adèle, dem wir uns überlassen. „Cannes 13: LA VIE D’ADÈLE – CHAPITRE 1 & 2 von Abdellatif Kechiche“ weiterlesen

Cannes 13: GRIGRIS von Mahamat-Saleh Haroun

Souleymane Démé als Grisgris
Souleymane Démé als Grisgris

Dass ein Film wie Grigris überhaupt noch entstehen kann, sollte eigentlich ein Grund für Freude sein. Tatsächlich aber packt mich immer häufiger die Trauer, wenn wieder so ein braver Zombie an einem Festival auftaucht. Vor 25 Jahren entstanden sie, in vielen afrikanischen Ländern, meist mit Hilfe Frankreichs, was Produktion und Distribution und vor allem das Publikum anging. Es war eine Zeit des Aufbruchs – und sie hat nirgendwo hin geführt.

Das „afrikanische“ Kino, oder was wir einmal dafür gehalten haben, brachte bewegende und teilweise grossartige Filme hervor, Filme, welche in Europa Aufmerksamkeit erregten, und ihren Autoren eine Basis für mehr oder weniger kontinuierliche Arbeit boten. Und ihnen einen Ruf in der Heimat einbrachten, von dem sie zehren und auf den sie aufbauen konnten. Gleichzeitig war das zumindest zum Teil eine ungewollte Weiterführung der Kolonialisierung Afrikas durch den europäischen Kulturbetrieb.

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Cannes 13: ONLY GOD FORGIVES von Nicolas Winding Refn

Ryan Gosling is up for it
Ryan Gosling is up for it

Es gibt ein paar urkomische Momente in diesem gefriergetrockneten Hochglanznütteli. Kurz bevor der diabolische Chefpolizist (Vithaya Pansringarm) einen der Drogen-Handlanger mit stählernen Essstäbchen an seinen Sessel nagelt, ihm die Augen aufschlitzt und einen Eispickel ins Ohr schiebt, fordert einer der Unterpolizisten die im Nachtclub anwesenden Damen dazu auf, die Augen zu schliessen.

Und als Ryan Goslings Julian seiner eiskalten Mutter (Kristin Scott Thomas) beim Nachtessen seine Gefährtin vorstellt, und diese der Mama auf Nachfrage erklärt, sie sei Entertainerin, fragt die blondierte Mama: „And how many cocks at once can you entertain with that cute little cumdumpster of yours?“

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Cannes 13: BEHIND THE CANDELABRA von Steven Soderbergh

Michael Douglas als Liberace
Michael Douglas als Liberace

Es soll Steven Soderberghs letzter Film sein, bevor er sich in die Malerei zurückzieht. Und produzieren konnte er ihn auch nur dank HBO, weil sich keiner der us-amerikanischen Kino-Player an die Schwulitäten einer Liberace-Geschichte herangetraute. In einem der Trade-Papers hier in Cannes wurde denn auch der Ausspruch von Steven Soderbergh zitiert, dass es einigen Leuten wohl schon etwas zu viel sein könnte, Jason Bourne auf Gordon Gekko zu sehen.

Tatsächlich sind die Verwandlungen der beiden Schauspieler und ihr sichtliches Vergnügen an den doch ziemlich irren Rollen das Beste an diesem Film. Was nicht heisst, der Rest sei schlecht. Behind the Candelabra erzählt die reale Geschichte des schwulen Pomp-Pianisten Liberace, dessen Manager erfolgreich alle Medien verklagte, welche behaupteten, der Mann sei schwul. Und Soderbergh macht daraus eine exemplarische Geschichte mit viel Witz und Drama.

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Cannes 13: LA GRANDE BELLEZZA von Paolo Sorrentino

Toni Servillo ist Jep Gambardella in 'La grande bellezza' © pathéfilms
Toni Servillo
Toni Servillo

Paolo Sorrentino ist wohl tatsächlich der einzige zeitgenössische italienische Filmemacher der sich in der Nachfolge Fellinis versuchen darf. Aber auf den ersten Blick ist dieser monumentale Versuch, direkt an Fellinis Meisterwerken, insbesondere La dolce vita, anzuknüpfen, sagen wir mal: eigenartig. Und das spricht ja eigentlich dafür.

Auf den zweiten Blick ist La grande Bellezza ein opulentes, festives, ausuferndes Sehvergnügen, das doch vor allem von den Phantomen vergangener Zeiten lebt – und Sorrentino ist das wohl bewusst. Er schickt seinen Lieblingsschauspieler Toni Servillo in einer Marcello-Mastroianni-Rolle als Edelfeder Jep Gambardella durch die Nächte Roms, auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der verlorenen Jugend. „Cannes 13: LA GRANDE BELLEZZA von Paolo Sorrentino“ weiterlesen