Nur schon das Wiedersehen mit dem stets grossartigen Bruce Dern macht diesen jüngsten Film von Alexander Payne zu einem Vergnügen. Der 77jährige Veteran, einst auf Psychopathen und cholerische Ausraster spezialisiert, spielt Woody Grant, einen alten Alkoholiker, von dem die Frau und seine beiden erwachsenen Söhne den Eindruck haben, er sei nicht mehr so ganz zurechnungsfähig.
Insbesondere, als er sich zu Fuss auf den Weg aus Montana nach Nebraska machen will, weil er einen dieser Briefe mit dem „Sie haben gewonnen“-Trick erhalten hat. Woody will seine Million persönlich abholen, da seine Frau sich nachvollziehbar weigert, ihn zu fahren.
Schliesslich fasst sich Sohn David ein Herz, lässt sich im Hifi-Laden krankschreiben und fährt mit seinem Vater los, in der Hoffnung, noch einmal ein paar gemeinsame Tage für beide erleben zu können.
Es ist eine Straight Story, welche Alexander Payne hier in schönem Schwarzweiss auftischt, ein klassisches Roadmovie mit einem Hauch von The Last Picture Show, etlichen Sentimentalitäten und vor allem mit einer grosszügigen Ladung lakonischer Witzchen.
Schon die Eröffnungssequenz, in der ein Streifenpolizist neben dem wackelig ausschreitenden Alten anhält und ihn fragt, wo er den hin wolle, setzt den Ton. Woody zeigt stumm gerade aus. Und auf die Frage, wo er herkomme, zeigt er mit dem Daumen hinter sich.
Der grösste Teil der Geschichte spielt in dem Ort, aus dem Woody und seine Frau seinerzeit weggezogen sind, im Kreise der Familie und der alten Freunde (oder auch weniger freundlichen alten Rivalen, wie sich herausstellen wird). Und da verbreitet sich natürlich die Nachricht, dass der Alte Millionär geworden sei, wie ein Lauffeuer. Alle wollen an der Freude teilhaben, einige wollen auch ans Geld, und die Söhne können noch so lange versichern, der Vater sei auf einen Werbetrick hereingefallen: Das wird als Schutzbehauptung abgetan.
Wie sich aus Erzählungen und Begegnungen in der Kleinstadt langsam ein neues Bild des Vaters für die Söhne ergibt, das ist schön und spannend. Man hat zwar dauernd das Gefühl, das alles irgendwie schon einmal gesehen zu haben, aber daraus ergibt sich der schöne Effekt, dass man sich mit den Figuren in ihrer Geschichte zuhause fühlt.
Die grosse Qualität des Films besteht allerdings darin, dass er der üblichen Americana-Nostalgie, dem Kleinstadtgefühl und Retrorummel konsequent entgegen tritt. Da wird nichts idealisiert, im Gegenteil: Die alten Zeiten waren hart und der Umgang der Menschen untereinander schon immer von Konflikten, Neid und Eifersucht geprägt.
Wenn Woody gestützt von seinen Söhnen sich die zerfallende Treppe in seinem Elternhaus hochkämpft, erst stumm in sein eigenes Zimmer von damals blickt, und dann ins Elternschlafzimmer geht, dann packt einen bereits eine stellvertretende Sentimentalität. Dann aber erklärt der Alte, wenn er als Junge in dieses Zimmer gegangen wäre, hätte es Schläge gesetzt, und: „Ich schätze, heute wird mich niemand dafür schlagen…“
Die Kühnheit und den beissenden Witz von About Schmidt mit Jack Nicholson erreicht Nebraska nicht. Aber der Film geht doch auf Distanz zur direkten, schamlosen Bedienung des Publikums, wie sie Alexander Payne etwa mit Sideways ein wenig zu befliessen praktizierte.