Fünfzehn Anfänge: apartment666.com

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Das Spiel mit den Möglichkeiten des interaktiven Films findet immer wieder neue Variationen im Web. Manche sind durchgängig innovativ, wie zum Beispiel diese Flash-Dokufiktion für Kinder der Schweizer Zauberlaterne. Aber meist sind die Wahlmöglichkeiten der Zuschauer ziemlich eingeschränkt. Wer wirklich steuern will, weicht ohnehin eher auf Konsolen-Games aus. Der Rest von uns passiv-agressiv geprägten Kinosüchtigen klickt sich in lauen Momenten durch das Angebot auf YouTube und amüsiert sich da mit Katzenfilmchen. Zappen ist keine Grundhaltung, sondern stimmungsabhängig. Und das hat sich das Schauspiel Frankfurt zu Nutze gemacht, mit einem Zap-Angebot, das es in sich hat:

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Cannes 09: Visage

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Laetitia Casta in Tsai Ming-Liangs 'Visage'

Wenn man von den Poeten des Kinos redet, dann gehört Tsai Ming-Liang aus Taiwan, bzw. Malaysia dazu – allerdings zu den Pop-Art-Poeten. Wer an seinen Berlinale-Beitrag The Wayward Cloud (Tian bian yi duo yun) von 2005 erinnert, redet unwillkürlich vom „Melonenfilm“, die wilde Kombination von Sex und Wassermelonen ist schlicht nicht aus dem Gedächnis zu löschen. Aber auch sonst sind dem unglaublich produktiven Regisseur einige der stärksten Bilder des letzten Jahrzehnts gelungen. Wären seine Filme nicht dermassen poetisch verrätselt und l_a_n_g_s_a_m, wäre er wohl längst ein Popstar. Was also war zu erwarten, wenn Tsai Ming-Liang eine Einladung des Louvres annimmt, im Auftrag des grössten Kunstmuseums der Welt absolut frei einen Film zu entwickeln? Auf keinen Fall das, was hier in Cannes zu sehen war – andererseits: Warum denn nicht?

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Strukturwandel im Kinogewerbe

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Während im Konsumgütersektor die Kauflust mit der globalen Finanzkrise abgenommen hat, verzeichnen Kinobetriebe, vor allem in den USA, steigende Zuschauerzahlen. Das bedeutet allerdings keineswegs, dass das Kinogewerbe krisenresistent wäre, im Gegenteil: Die Kinokrise ist seit vielen Jahren Dauerzustand. Michael Sennhauser unterhält sich mit Schweizer Kinobetreibern über steigende Zuschauerzahlen, sinkende Werbeschaltungen, die Verflachung des Filmangebots, die Digitalisierung, ihre Möglichkeiten und Gefahren. Gesprächspartner sind: Beat Käslin, Arthouse Kinos Zürich, Romy Gysin, Kultkino Basel, Brian Jones, General Manager Pathé Schweiz, sowie Laurent Steiert, BAK.

Saugen: Reflexe Strukturwandel Kino (Rechtsklick für Download)
Hören: [audio: http://pod.drs.ch/mp3/reflexe/reflexe_200904221335_10077699.mp3]

Diagonale 09: Zweimal Glawogger ‚Das Vaterspiel‘ und ‚Contact High‘

Das Vaterspiel Sabine Timoteo Michael Glawogger
Sabine Timoteo ist Mimi in Michael Glawoggers ‚Das Vaterspiel‘

Michael Glawogger war schon ein monumentaler Exportschlager des Filmlandes Österreich, bevor das hiesige ‚Filmwunder‘ so richtig eingesetzt hatte. 1998 wurde sein spektakulärer Dokfilm Megacities (eine Art Slumdog Millionaires in Realität) zu einem Festivalhit. Glawogger hat seit 1984 mindestens 14 Filme gemacht, der nächste Spielfilm ist bereits in Arbeit. Und an der diesjährigen Diagonale ist er mit gleich zwei Spielfilmen präsent (wie sein Kollege Andreas Prochaska übrigens auch): Das Vaterspiel und Contact High. Dass beide Filme vom gleichen Regisseur sind, ist dabei nicht minder verblüffend als ihre jeweilige Radikaliät in ihren Genres (so man sie überhaupt zuordnen will). Eine Literaturverfilmung einerseits, eine Komödie andererseits.

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Filmpodcast Nr. 121: Der Knochenmann, Die Standesbeamtin, Burton und Taylor, Luc Besson.

Knochenmann Hader
Josef Hader in 'Der Knochenmann'

Herzlich Willkommen zu Kino im Kopf – heute mit Brigitte Häring. Sie hat zwei Filmbesprechungen auf Lager: Den österreichischen Krimi Der Knochenmann und die Schweizer Komödie Die Standesbeamtin. Ausserdem gratuliert Michael Sennhauser Luc Besson zum 50. Geburtstag, und wir blicken zurück auf auf das bewegte Eheleben von Liz Taylor und Richard Burton. Wie immer gibt’s dazu die Tonspur und unsere Kurztipps.

Saugen: Filmpodcast Nr. 121 (Download mit Rechtsklick)
Hören:


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Diagonale 09: Experimentalfilme

experimentalfilm film ist a girl and a gun Gustav deutsch
'FILM IST. a girl & a gun' von Gustav Deutsch

Keine Kunst überlebt ohne Experimente. Und bei keiner Kunst ist die Technik entscheidender als beim Film. Dabei haben wir uns fatalerweise daran gewöhnt, unsichtbare Technik und möglichst perfekte Illusionen als Gipfel des Genusses zu erleben, zumindest im Spielfilm. Wenn nun die Filmkünstler für sich und im kleinen (das heisst ausserhalb der Zulieferdienste des grossen Verwertungsapparates Hollywood) mit der Technik experimentieren, dann entstehen diese meist kurzen, oft aber doch viel zu langen kleinen Filme, die fast ausschliesslich an Festivals und in Galerien zu sehen sind. Ganz grob kann man sie in drei Gruppen einteilen:

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Diagonale 09: Liebe und andere Verbrechen

liebe-und-andere-verbrechen-anica-dobra-stefan-arsenijevic

In der Reihe „Spektrum“, einer Art Sammelbecken für koproduzierte Perlen, zeigt die Diagonale Filme, die schon anderswo zu entdecken gewesen wären, es aber nicht in allen Fällen wirklich geschafft haben. Eines dieser Kleinode ist Ljubav i drugi zlocini (Liebe und andere Verbrechen) von Stefan Arsenijevic aus Belgrad. Die wunderbar spröde Anica Dobra spielt Anica, die Geliebte von Milutin, einem alternden Quartiergangster in Neu-Belgrad. Sie will ein neues Leben beginnen und am Abend des vom Film erzählten Tages in ein Flugzeug steigen. Heimlich nimmt sie Abschied, von der dementen Grossmutter im Altersheim, von der autistischen Tochter des Milutin. Aber da ist noch Stanislav, die rechte Hand von Milutin, ein schüchterner Träumer, heimlich in Anica verliebt seit zwölf Jahren.

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Diagonale 09: ‚7915km‘ und ‚Der erste Tag‘

Der erste Tag Andreas Prochaska ORF ARTE
'Der erste Tag' von Andreas Prochaska (ORF/ARTE)

Unter den Filmen des ersten Diagonale-Tages sind mir zwei besonders aufgefallen, weil sie beide um etwas herum gebaut sind, das sie nicht zeigen. Nikolaus Geyrhalter (Unser tägliches Brot) taucht mit seinem Dokumentarfilm 7915km tief in den Afrikanischen Kontinent ein, auf der Strecke, welche die Rally Paris-Dakar in 14 Tagen durchrast. Die einzigen Rally-Bilder sind am Anfang zu sehen, auf den Leinwänden einer Sponsorenpromotion. Geyrhalter besucht die Orte und die Menschen, an denen die motorisierten Dekadenzbolzer vorbeirasen. Der zweite Film, der seinen Kondensationskern nicht ins Bild rückt, ist Der erste Tag, eine ORF-ARTE-Fernsehproduktion von Andreas Prochaska (In drei Tagen bist Du tot). Es ist ein Katastrophenfilm mit unsichtbarer Katastrophe: Der GAU in einem grenznahen tschechischen Atomkraftwerk löst in Niederösterreich die Katastrophenalarmorganisation aus und führt zur Evakuierung.

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Diagonale 09: Kleine Fische

Kleine Fische Sabrina Reiter Michael Steinocher

Es ist in Österreich nicht anders als in der Schweiz: Wenn sich der Film feiert, sind auch die zugewandten Orte dabei, die Politiker, die Seiten-, Neben- und die Rundum-Künstler. Zur Eröffnung der 12. Diagonale in Graz (der ersten unter der neuen Leitung von Barbara Pichler) war die List-Halle hinter den sieben Geleisen wieder dicht gefüllt mit tout Graz und halb Wien. Schliesslich ist der österreichische Film wieder wer, die Ausländer habens schon gemerkt, und allmählich fällt es auch den Österreichern auf, spottete Josef Hader, der zur Eröffnung den Schauspielerpreis der Diagonale bekommen hat – für alle seine Rollen, nicht nur für den Knochenmann. Für ihre Rolle im Knochenmann hat den Preis aber Birgit Minichmayr gekriegt (und ihn eben so kurz und herzlich dankend entgegen genommen wie letzten Monat ihren Berlinale-Bären).

So richtig eröffnet wurde das diesjährige Festival des österreichischen Films dann aber mit Kleine Fische, dem charmanten Spielfilmdebut von Marco Antoniazzi. Der Film spielt in einem Wiener Quartier, in einem kleinen Fischladen. Gleich zu Beginn stirbt der Ladeninhaber, seine beiden unterschiedlichen Söhne versuchen zusammen mit der Mutter das Geschäft am laufen zu halten. Der jüngere ernsthaft und mit einem gewissen Groll gegen den älteren, der als 13jähriger die Familie verlassen hatte und jetzt eigentlich nur gekommen ist, um allenfalls etwas zu erben.

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Weg mit den Filmträgern? Vom Glück des Verzichts.

Media Monster

Mein Blogeintrag zu Whitnail and I letzte Woche hat unter anderem dazu geführt, dass mir Primo Mazzoni seine Criterion-DVD des Films geschickt hat, zum Behalten. Und auf meine Frage, warum er eigentlich angefangen habe, seine beträchtliche Filmsammlung zu verschenken, kam diese Antwort:

Lieber Mick
Das wäre ja auch mal ein Thema zur Diskussion unter geneigten Filmafficionados. Warum ich grosszügig DVDs weggebe?

In einer fernen Welt und Zeit entdeckte ich meine Liebe zum Film. Als dann der Videorecorder ins elterliche Haus kam, waren die Regale bald voll – mit VHS. Das war mir später nicht gut genug, und ich war einer der Wenigen, die Laserdiscs anschafften – damals schon Criterion (und die habe ich alle noch hier).

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