VENI VIDI VICI von Daniel Hoesl & Julia Niemann

Laurence Rupp, Olivia Goschler und Dominik Warta in ‚Veni Vidi Vici‘ (2024) © Ulrich Seidl Filmproduktion

Er könne keinem Tier etwas antun, versichert Multimillionär und Investor Amon Maynard glaubwürdig. Dafür erschiesst er zur Entspannung unbekannte Menschen mit Jagdgewehr und Zielfernrohr.

Sein Butler und Faktotum Alfred, ein ehemaliger Journalist, räumt danach auf. Aber nicht allzu heftig. Denn für Maynard besteht der eigentliche Kick darin, auszuprobieren, wie weit er gehen kann, ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen. „VENI VIDI VICI von Daniel Hoesl & Julia Niemann“ weiterlesen

MIT EINEM TIGER SCHLAFEN von Anja Salomonowitz

Birgit Minichmayr als Maria Lassnig © Stadkino Verleih

Ich kann mich gleichzeitig von innen und von aussen sehen, erklärt Maria Lassnig der kleinen Tochter ihrer Freundin in Paris. Sie liegt nackt in der Badewanne und redet leise auf Französisch, eher für sich als für die Kleine. Und als sie dann noch etwas von «aufschneiden» sagt, nimmt das Mädchen samt Teddy Reissaus.

Diese Gleichzeitigkeit von Innen und Aussen hat Anja Salomonowitz zum Konstruktionsprinzip ihres aussergewöhnlichen Künstlerinnenfilms gemacht. Der Spielfilm funktioniert immer wieder wie die Gemälde von Maria Lassnig, mit Bildern, die nicht nur übers Auge packen, sondern sich im ganzen Körper breit machen, schmerzlich oder grossartig. „MIT EINEM TIGER SCHLAFEN von Anja Salomonowitz“ weiterlesen

EUROPA von Sudabeh Mortezai

‚Europa‘ mit Lilith Stangenberg © Fratella Filmproduktion

Die von Lilith Stangenberg gespielte Beate Winter in diesem Film ist eine Schwester im (Un-) Geist von Sandra Hüllers Ines Conradi in Toni Erdmann. Wie jene ist sie im Auftrag einer Corporation im Osten auf gut kaschiertem Raubzug.

Beate Winter soll für die gar nicht ominös benannte «Europa»-Company die letzten lokalen Familien in einem albanischen Landstrich dazu bringen, ihre Häuser und ihr Land zu verkaufen. „EUROPA von Sudabeh Mortezai“ weiterlesen

Z–S–C–H–O–K–K–E von Matthias und Adrian Zschokke

Zschokke (Hanspeter Müller-Drossaart) bei der Königin von Bayern (Ingrid Kaiser) © R-Film GmbH

Einen Kinofilm über das Leben und Wirken ihres Vorfahren Johann Heinrich Daniel Zschokke (1771-1848) wollten seine in Bern geborenen Urururenkel machen. Als grosses, ironisch-ernsthaftes Kostümdrama. Vielleicht.

Dass sie das Budget dafür nicht zusammengekriegt haben,  das erweist sich jetzt als Glücksfall. Denn die hinreissende Dokumentarfeier, die sich jetzt  Z–S–C–H–O–K–K–E buchstabiert, die ist so meta, metaphorisch, metamorphotisch, metadynamisch, da ist jeder Widerstand zwecklos. „Z–S–C–H–O–K–K–E von Matthias und Adrian Zschokke“ weiterlesen

THE OLD OAK von Ken Loach

Yara (Ebla Mari) © GoodFellas

Es ist erstaunlich, wie nahe einem die bewährte sozialutopische Formel des Teams Loach/Laverty immer wieder gehen kann.

Die präzise Zeichnung der britischen Gesellschaft am unteren Ende der gesellschaftlichen Prosperität, die Auslegeordnung der Ungerechtigkeiten und das gezielte Einfügen «störender» Elemente rufen die gewünschten Reaktionen ab. „THE OLD OAK von Ken Loach“ weiterlesen

LA CHIMERA von Alice Rohrwacher

Arthur (Josh O’Connor) und seine „Tombaroli“ © Ad Vitam

Als zweitletzter Film im Wettbewerb des Festivals von Cannes wurde heute die Schweizer Koproduktion La chimera von Alice Rohrwacher gezeigt. Es ist eine fantasievolle Ballade um italienische Grabräuber, Isabella Rosselini und Prinz Charles.

Der heutige King Charles kommt nicht wirklich vor in La chimera. Es ist Josh O’Connor, der britische Schauspieler, der Prince Charles in «The Crown» so anrührend verkörpert hat. „LA CHIMERA von Alice Rohrwacher“ weiterlesen

L’ÉTÉ DERNIER von Catherine Breillat

Léa Drucker, Samuel Kircher

Mit der Erfahrung von mehr als dreissig selbst geschriebenen Drehbüchern und über zwanzig Filmen in eigener Regie ist die 75 Jahre alte Catherine Breillat nicht nur handwerklich ein Profi.

Sie hat auch das politische Denken, die immer wieder demonstrierten analytischen Interessen im Hinblick auf gesellschaftliche Rollen und Normen, um mit ihren Filmen keine Zweifel aufkommen zu lassen.

Oder umgekehrt: Sie weiss genau, was sie tut. „L’ÉTÉ DERNIER von Catherine Breillat“ weiterlesen

PERFECT DAYS von Wim Wenders

Koji Yakusho als Hirayama und Arisa Nakano als seine Nichte Niko © The Match Factory

Was für eine schöne Überraschung! Wim Wenders’ jüngster Film, eine japanische Produktion, hat eine unerwartete Frische und Schönheit.

Hirayama (Koji Yakusho) ist ein Mann zwischen sechzig und siebzig. Er lebt alleine in einer kleinen Wohnung in Tokio und hat seine fixen Routinen. „PERFECT DAYS von Wim Wenders“ weiterlesen

IL SOL DELL’AVVENIRE von Nanni Moretti

Mathieu Amalric, Nanni Moretti © Fandango e Sacher Film

Giovanni ist wahrscheinlich mehr als nur ein bisschen Nanni Moretti. Schliesslich hat er die Figur nicht nur geschrieben, er spielt sie auch. Giovanni ist Filmemacher, im Alter von Nanni Moretti. Er ist verheiratet mit Paola (gespielt von Morettis ewiger Film-Frau Margherita Buy), die alle seine Filme produziert hat.

Und jetzt will Giovanni einen Film machen über einen besonderen Zeitpunkt in Italien, im Jahr 1956, dem Jahr des «Ungarnaufstandes», der von der sowjetischen Armee mit Panzern niedergeschlagen wurde. „IL SOL DELL’AVVENIRE von Nanni Moretti“ weiterlesen

LA PASSION DE DODIN BOUFFANT von Tran Anh Hùng

Benoît Magimel, Juliette Binoche © Gaumont

Ein Gourmet ist nicht das gleiche wie ein Gourmand. Foodies sind sie beide, auch wenn sich zumindest der Gourmet eher nicht so bezeichnen würde.

Foodporn lieben sie alle. Und Foodporn für alle, das liefert Tran Anh Hùng in diesem Film en masse. Eigentlich fast ausschliesslich.

So dass die schiere Menge zum Problem werden kann. „LA PASSION DE DODIN BOUFFANT von Tran Anh Hùng“ weiterlesen