RAPITO (Kidnapped) von Marco Bellocchio

Paolo Pierobon (Pius IX) und Enea Sala (Edgardo) in ‚Kidnapped‘ (2023) © The Match Factory

Wie ich lernte, einen Papst zu hassen.

Es ist eine grausame Geschichte und eine ungewöhnliche Geschichtslektion, welche Marco Bellocchio mit Rapito auf die Leinwand bringt.

Am Beispiel der Entführung eines kleinen jüdischen Jungen aus einer Familie in Bologna durch den Vatikan erinnert Bellocchio an ein weiteres unglaubliches Kapitel christlicher Übergriffigkeit. „RAPITO (Kidnapped) von Marco Bellocchio“ weiterlesen

ASTEROID CITY von Wes Anderson

Jake Ryan, Jason Schwartzman und Tom Hanks © Universal

Da haben wir ihn wieder, den Wes Anderson. Das Internet ist voll von Parodien seines Stils und, seit es diese KI-Bildgeneratoren gibt, voll mit Bildern im unverkennbaren Wes-Anderson-Look.

Das liegt natürlich vor allem an der eindeutigen und sehr wieder erkennbaren Gestaltung, diesen Zentralperspektiven mit symmetrischem Aufbau, der Milkshake- und Diner-Ästhetik. „ASTEROID CITY von Wes Anderson“ weiterlesen

CLUB ZERO von Jessica Hausner

© Praesens

Nach der Anerkennung mit ihrem Little Joe im Wettbewerb von Cannes vor drei Jahren will Jessica Hausner jetzt endlich den internationalen Erfolg. Das wäre eine Erklärung für dieses grelle, auf maximal plakative Verständlichkeit ausgelegte Sekten-Schul-Drama.

Die von Mia Wasikowska gespielte Ms Novak ist die neue Lehrerin an einer elitären Privatschule. Ihre Fachspezialität ist «bewusste Ernährung», und die besteht ihrer Lehre nach darin, möglichst wenig zu essen. „CLUB ZERO von Jessica Hausner“ weiterlesen

FALLEN LEAVES (Kuolleet lehdet) von Aki Kaurismäki

Alma Pöysti, Jussi Vatanen © filmcoopi

Der Applaus nach der ersten Vorführung von Aki Kaurismäkis jüngstem Film war warm, erleichtert, zufrieden, mit einem Hauch glücklich drin.

Dabei hat man es schon zuvor geahnt. Ein Blick auf die Fotos im Vorfeld hat genügt: Er ist wieder da, wir sind zuhause. „FALLEN LEAVES (Kuolleet lehdet) von Aki Kaurismäki“ weiterlesen

FIREBRAND von Karim Aïnouz

Alicia Vikander als Catherine Parr, die letzte Frau von Heinrich VIII © Ascot-Elite

Alle würden sich immer nur für die vorzeitig verstorbenen und ermordeten Ehefrauen des notorischen Gattinnen-Entledigers Henry VIII interessieren, niemand für die Frau, die den englischen Reformations-König erfolgreich überlebt habe, sagt die schwedische Schauspielerin Alicia Vikander.

Darum habe sie das Drehbuch des algerisch-brasilianischen Regisseurs Karim Aïnouz sofort angesprochen. Es brauche wohl den Aussenblick auf nationale Monumente, hat Vikander auch erklärt. Gegenüber der schwedischen Geschichte hätte sie wahrscheinlich einen voreingenommenen Blick. „FIREBRAND von Karim Aïnouz“ weiterlesen

ANATOMIE D’UNE CHUTE von Justine Triet

GOLDENE PALME CANNES 2023

© MK2 Films

Sandra Hüller und Justine Triet sind ein eingespieltes Team. In Triets Sibyl von 2019 spielte Hüller die Mika, die grossartige Parodie einer rabiat zielgerichteten deutschen Filmemacherin. Das war noch eine kleine, aber zentrale Rolle neben der dominierenden Virginie Efira.

Nun ist Sandra Hüller im Zentrum eines Gerichtsdramas mit Vorgeschichte, als rabiat zielgerichtete deutsche Schriftstellerin. „ANATOMIE D’UNE CHUTE von Justine Triet“ weiterlesen

BANEL & ADAMA von Ramata-Toulaye Sy

© Best Friend Forever

Eine absolute Liebe zwischen zwei jungen Menschen läuft auf in den Bedürfnissen der Dorfgemeinschaft.

Dieser erstaunlich klar und stark gestaltete Erstlingsfilm erinnert in seiner fabelhaften dörflichen Anlage an die Werke des Schweizers Jeremias Gotthelf.

Allerdings ist da kein religiöses Ethos die Triebkraft der Erzählung, kein moralischer Standpunkt. Die Filmemacherin interessiert möglicherweise die Fixiertheit einer Paar-Liebe als Lebensentwurf mehr, als die sozialen Implikationen. „BANEL & ADAMA von Ramata-Toulaye Sy“ weiterlesen

MAY DECEMBER von Todd Haynes

Natalie Portmann, Julianne Moore © Ascot-Elite

Dick auftragen, mit Gusto und Witz, das kann Todd Haynes wie kein zweiter. Sein am Meister Douglas Sirk geschulter Stil versöhnt Pathos mit Schalk und Melodrama mit Drama.

Da schraubt sich der bombastische Score musikalisch dramatisch in die Höhe, die von Julianne Moore gespielte Gracie Atherton-Yoo öffnet die Tür des monumentalen Kühlschranks im Haus mit der Veranda am Wasser, starrt hinein und verkündet:

«Ich glaube, wir haben nicht genug Hotdogs.» „MAY DECEMBER von Todd Haynes“ weiterlesen

THE ZONE OF INTEREST von Jonathan Glazer

GRAND PRIX CANNES 2023

© A24 Films

Ohne ihn zu zeigen, vermittelt The Zone of Interest den Horror des Konzentrationslagers von Auschwitz, wie noch kein Spielfilm zuvor. Das Meisterwerk von Jonathan Glazer hatte am Freitag seine Premiere am Festival von Cannes.

Hedwig (Sandra Hüller) und Rudolf (Christian Friedel) haben für sich und ihre fünf Kinder ein Traumhaus ausgebaut, mit riesigem Garten, einem Schwimmbecken mit Rutschbahn, Pferdestall.

Die hohe Gartenmauer hinten hätten sie mit Reben bepflanzt, erklärt Hedwig ihrer Mutter, die zu Besuch ist. Damit man sie später nicht mehr so sehe. „THE ZONE OF INTEREST von Jonathan Glazer“ weiterlesen

ABOUT DRY GRASSES (Kuru Otlar Üstüne) von Nuri Bilge Ceylan

Sevim (Ece Bagci), ein Mittel gegen das Verdorren?

Heftige Spuren von elegisch-existentialistischem Nihilismus wiesen schon frühere Filme des türkischen Chemikers und Elektro-Ingenieurs Nuri Bilge Ceylan auf.

Mit diesem Epos allerdings spiegelt sich der Regisseur, darum kommt man beim Zuschauen kaum herum, in einer ziemlich traurigen Figur.

Lehrer Samet (Deniz Celiloglu) sitzt unwillig seine Pflichtjahre in der Provinz ab, jammert über das «Höllenloch» und die Perspektivenlosigkeit seiner Schülerinnen und Schüler, die schliesslich doch «bloss wieder Kartoffeln und Gurken anbauen werden für die Reichen». „ABOUT DRY GRASSES (Kuru Otlar Üstüne) von Nuri Bilge Ceylan“ weiterlesen