Cannes 12: LIKE SOMEONE IN LOVE von Abbas Kiarostami

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Nicht nur bei Haneke steht die Liebe dieses Jahr im Zentrum, auch Abbas Kiarostami führt sie im Titel. Und die eine seiner drei Hauptfiguren ist ein 80jähriger Professor. Der bestellt sich eine zwanzigjährige Callgirl-Studentin in die Wohnung – wie es aussieht vor allem um für jemanden kochen zu können. Der Film beginnt verwirrend in einem Lokal, in dem verschiedene Männer und Frauen miteinander reden. Auch Akiko ist da, sie bekommt einen Anruf, offenbar von ihrem Freund, der wissen will wo sie sei, und redet sich heraus.

Die erste und grösste Stärke dieses Films besteht darin, das wir uns dauernd fragen, wer diese Leute sind, was sie tun, und wie sie zueinander stehen. Denn da ist nichts völlig fixiert, wie sich herausstellt. Akiko ist liebenswürdig und plaudert mit dem alten Mann, will dann aber schnell ins Bett, weil sie müde ist und am nächsten Tag Prüfungen hat. Er lässt sie schlafen und fährt sie am Morgen zur Uni. Bloss um dort auf den eifersüchtigen Freund zu stossen, der ihn allerdings für Akikos Grossvater hält. Und Takashi spielt mit, ohne zu lügen, mit der Raffinesse und Abgeklärtheit seines Alters.

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Das Spiel mit Erzählungen, Telefongesprächen, Telefonbeantwortern und ähnlichen Alltagsdingen ist hoch komplex und extrem raffiniert. Da Kiarostami in Japan gedreht hat, war er auf ein detailliertes Script angewiesen, musste seine Arbeitsweise komplett verändern. Dafür könne ihm diesmal niemand vorwerfen, er habe einen Film für den Westen gemacht, wie bei Copie conforme mit Juliette Binoche vor zwei Jahren, hat Kiarostami gewitzelt. Das sei jetzt hier in Cannes ein Film mit Untertiteln aus einem fernen Land wie dem Iran …

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Tatsächlich beschleicht einen das Gefühl, dass genau dieser Film so nur in Japan hat entstehen können. Die ausgesuchte Höflichkeit und Liebenswürdigkeit zwischen dem alten Mann und der Zwanzigjährigen würde in den meisten westlichen Ländern unerwartet wirken. Unser Japanbild dagegen bedient die Konstellation bestens und damit funktioniert das wohl auch umgekehrt. Wenn Akiko in der Wohnung des alten Mannes eher wie eine Enkelin auftritt, erweckt das nicht den Eindruc eines vorgegebenen Rollenspiels, sondern wie das Resultat der grundsätzlichen Umgangsformen.

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Like someone in Love ist, wie alle Kiarostamis, extrem sorgfältig gefilmt und geschnitten, dazu aber nun auch noch detailliert und ausgefeilt in allen Dialogen. Und er ist voller komischer Momente. Das Schönste daran ist allerdings, dass das Spiel mit dem Selbstbild und der Identität der drei Figuren so unterschiedlich ist. Während Akiko sich vom Job her in Rollen wirft, fühlt sie sich offensichtlich nur in ihrer Wunschrolle als Enkelin ihrer geliebten Gossmutter sicher und wohl. Takashi dagegen weiss genau wer er ist und was er möchte. Grossvater zu spielen kommt ihm dabei ausgesprochen entgegen. Und der von Ryo Kase gespielte ruppige Noriake schliesslich, der hat sein Selbstbild über seine persönlichen Unsicherheiten gebaut. Er betreibt eine gut gehende Autoreparaturwerkstatt, hat den dritten Dan in Karate und träumt von einer Familie mit Akiko, die er unter Kontrolle haben möchte.

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Dass alle drei in genau dieser ihrer Wunschkonstellation zusammenpassen – und es dann zunächst doch nicht funktioniert, weil de Realität ja auch noch da ist, das ist das Spannende an diesem Film.

Abbas Kiarostami
Abbas Kiarostami

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