Cannes 12: Die Preise

Michael Haneke freut sich mit seiner Frau über die goldene Palme
Michael Haneke freut sich mit seiner Frau über die goldene Palme

Kein Preis für Leos Carax und seine Holy Motors. Sehr, sehr ungerecht. Dafür für Matteo Garrones eher schwachen Reality. Da kann man Jurypräsident Nanni Moretti bloss zurufen: „Mani pulite!“

Hier das Palmarès, jeweils direkt verlinkt zum enstprechenden Blogeintrag:

Palme d’Or
AMOUR von Michael Haneke

Grand Prix
REALITY von Matteo Garrone

Prix de la mise en scène (Regiepreis)
Carlos Reygadas für POST TENEBRAS LUX

Prix du scénario (Drehbuchpreis)
Cristian Mungiu für DUPÃ DEALURI (AU-DELA DES COLLINES)

Prix d’interprétation féminine (beste Darstellerin)
Cristina Flutur und Cosmina Stratan in DUPÃ DEALURI von Cristian MUNGIU

Prix d’interprétation masculine (bester Darsteller)
Mads Mikkelsen in JAGTEN von Thomas Vinterberg

Prix du Jury (Jurypreis)
THE ANGELS‘ SHARE von Ken Loach

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Cannes 12: COSMOPOLIS von David Cronenberg

Robert Pattinson
Robert Pattinson

„Ihre Prostata ist asymmetrisch.“ Das erklärt der Ersatzarzt dem 28jährigen Milliardär Eric Packer (Robert Pattinson) beim Checkup in der weissen Stretchlimousine. Der Mann mit den Gummihandschuhen ist zu der Diagnose gelangt, während sein Klient sich mit seiner Analystin Vija Kinsky (Samantha Morton) über Währungsveränderungen und Geldflüsse unterhielt.

Kurz davor ist Juliette Binoche für einen Quickie zugestiegen, und um Packer einen Rothko schmackhaft zu machen. David Cronenberg packt den Roman von Don DeLillo in ein stockend durch New York cruisendes Roadmovie mit unablässig dialogenden Figuren. Dabei hält er sich, so weit ich das auf die Schnelle überprüfen konnte, an die vorgegebenen Dialoge des Romans, was beim Publikum hier in Cannes zu etwelchem Schnaufen und Stöhnen geführt hat. „Cannes 12: COSMOPOLIS von David Cronenberg“ weiterlesen

Cannes 12: V TUMANE von Sergei Loznitsa

Im Nebel 4

Zweiundsiebzig Schnitte auf 127 Minuten Film. Das ist in der Tat ein monumentales Tempo und mit ein Grund dafür, dass Loznitsas Im Nebel hin und wieder an Tarkowski erinnert. Der andere, wichtigere, ist natürlich der, dass der grösste Teil des Films im Wald spielt. Und dass Russisch gesprochen wird.

Der Film spielt 1942 an der russischen Westfront. In den Wäldern Weissrusslands tobt ein leiser, aber tödlicher Partisanenkrieg gegen die deutsche Besatzung. Und Sushenya, ein Gleisarbeiter, gerät zwischen die Fronten, als er mit einer Gruppe von Saboteuren verhaftet wird. Aber nicht gehängt, wie die anderen drei, sondern bewusst freigelassen. Nun halten ihn seine Landsleute für einen Verräter, und die Deutschen warten nur darauf, dass sie ihn holen: Die perfekte Falle. „Cannes 12: V TUMANE von Sergei Loznitsa“ weiterlesen

Filmpodcast Nr. 287: Das 65. Filmfestival Cannes

Cannes Marché et Palais des Festivals
Cannes, Marché du film et le Palais des Festivals

Kino im Kopf – mit Brigitte Häring. Diese Woche mit vielen Filmen, vielen Themen, EINEM Ereignis: dem Filmfestival in Cannes. Michael Sennhauser ist vor Ort, hat viel gesehen und viel erzählt. Zum Schweizer Film Operation Libertad von Nicolas Wadimoff zum Beispiel. Zum Wettbewerb mit bekannten Namen wie Michael Haneke und Abbas Kiarostami. Und zu vielem mehr. Heute ist unsere Rolle fast eine reine Cannes-Rolle. Fast – denn Kurztipps und Tonspur gibt’s natürlich auch.

Hören:

Saugen: Filmpodcast Nr. 287 (Rechtsklick für Download


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Cannes 12: POST TENEBRAS LUX von Carlos Reygadas

post tebres 2

Das ist vorläufig – und wohl noch für lange Zeit – der bizarrste Film, den ich je gesehen habe. Und zugleich eines der anregendsten und fruchtbarsten Leinwanderlebnisse überhaupt. Wahrscheinlich wird sich kein Filmverleiher in der Schweiz trauen, diesen Film ins Kino zu bringen, weil sich ein durchschnittlicher Kinogänger wohl eher den Kopf abreissen würde, als sich diesen eben so schönen wie verstörenden, so bekannten wie fremdartigen Bildern auszusetzen (Nachtrag vom 30. Mai: Look Now! hält Reygadas die Treue. Die Schweizer Verleiherin bringt auch diesen Film ins Kino).

Während Reygadas‘ Meisterwerk Stellet Licht von 2008 auf der Leinwand aus der Dunkelheit heraus kam, mit einem Sonnenaufgang und allen Naturgeräuschen in Echtzeit, mach Post Tenebras Lux das Umgekehrte. Wir sehen ein glücklich umher rennendes ganz kleines Mädchen auf einer Weide. Sie jauchzt den Kühen nach, die vorbei laufen, den Pferden, die durch den Hintergrund galoppieren, den Hunden, welche die Kühe und die Pferde jagen: „Vaccas … perros …“ und während sie um Hunde und Pfützen herum tappst, fällt langsam die Dämmerung, die Leinwand wird schwarz. „Cannes 12: POST TENEBRAS LUX von Carlos Reygadas“ weiterlesen

Cannes 12: THE PAPERBOY von Lee Daniels

Nicole Kidman
Nicole Kidman

Nicole Kidman im „oversexed Barbiedoll“-Modus (Zitat aus dem Film) ist so ziemlich die einzige wirklich interessante Figur in diesem überwürzten, überstürzten, zu einem Brei verkochten Sumpfland-Thriller. Der lokale Zeitungsverleger (Scott Glenn) und seine beiden Söhne, Journalist Ward (Matthew McConaughey) und der von der Schule geflogene Schwimmer Jack (Zac Efron) sind eher Funktionen als Charaktere. Der von John Cusack gespielte widerliche Todesstrafe-Kandidat Hillary Van Wetter, um dessen Schuld oder Unschuld am Mord an einem rassistischen Sheriff sich die Geschichte dreht, lehrt einen zwar das Fürchten, sonst aber gar nichts.

Die einzige Figur, an welcher Regisseur Lee Daniels wirklich ein Interessen zu haben scheint, ist das langjährige schwarze Hausmädchen der James-Familie. Sie ist es auch, die in einer ansonsten völlig unmotivierten Rahmenhandlung als Erzählerin eingeführt wird. „Cannes 12: THE PAPERBOY von Lee Daniels“ weiterlesen

Cannes 12: HOLY MOTORS von Leos Carax

Monsieur Merde
Monsieur Merde (Denis Lavant)

Monsieur Merde ist wieder da. Das Kanalisationsmonster aus Leos Carax‘ Tokyo! Episode von 2008 ist eine der diversen Figuren, welche Carax‘ Zentralschauspieler Denis Lavant in diesem wunderbar verschrobenen neuen Film spielt – und dies gleich im zweifachen Sinn. Holy Motors ist eine Art Science Fiction Fabel, ein abgrundlustiges, zuweilen trauriges, vor allem aber unglaublich anregendes Spiel mit dem Spiel.

Denis Lavant ist in Holy Motors eine Art Schauspieler. Er wird in einer weissen Stretch-Limousine in Paris herumchauffiert, von einer Fahrerin namens Céline. Sie verwaltet auch seine Termine und legt Dossiers für ihn bereit. In diesen findet er die Angaben zu seiner Figur und zu den Menschen, mit denen diese interagieren soll. „Cannes 12: HOLY MOTORS von Leos Carax“ weiterlesen

Cannes 12: ON THE ROAD von Walter Salles

Sam Riley, Kristen Stewart, Garrett Hedlund
Sam Riley, Kristen Stewart, Garrett Hedlund

Was für ein Jammer. Es ist traurig, wenn Vorfreude enttäuscht wird. Aber es ist, zumindest in Cannes, noch trauriger, wenn Vorurteile sich bestätigen. Und bei diesem Film ist die „gepflegte Langeweile“ welche mein geschätzter Kollege L befürchtet hat, nur gerade der Vorname. On the Road ist ein lebender Leichnam, ein Film, der bestenfalls die Farben des Buches durchschimmern lässt, wie unter Schutzatmosphäre abgepacktes Gemüse durch die Klarsichtfolie einer Vakuumverpackung.

‚On the Road‘ galt und gilt wie die meisten Kultbücher als unverfilmbar. Francis Ford Coppola hat sein Leben lang versucht, den Stoff zu knacken; sein Sohn Roman als Produzent ist nun zusammen mit dem einschlägig vorbestraften Walter Salles (Diarios die Motocicleta, 2004) definitiv gescheitert. „Cannes 12: ON THE ROAD von Walter Salles“ weiterlesen

Cannes 12: THE ANGELS‘ SHARE von Ken Loach

kilted coppers

Die Zusammenarbeit von Ken Loach mit Drehbuchautor Paul Laverty ist ziemlich eingespielt – fast ein bisschen zu sehr, könnte man nach diesem Film sagen. The Angels‘ Share ist ein Hybrid aus den ernsthaften Sozialdramen, für die das Duo bekannt ist, und den komödienhaften Ausflügen, mit denen es überrascht hat, etwa Looking for Eric, mit dem sie 2009 hier im Programm waren.

Der neue Film beginnt mit einer grossartigen Solonummer einer der Figuren an einem Bahnsteig und der Stimme Gottes über Lautsprecher. Danach ist allerdings erst mal Schluss mit lustig; wir lernen das harte Leben von Robbie und seinen Freunden kennen. Arbeitslosigkeit, Gewalt, Gerichtsverfahren – und Strafarbeit im Dienste der Gemeinde.
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Cannes 12: KILLING THEM SOFTLY von Andrew Dominik

Brad Pitt
Brad Pitt als Auftragskiller

Andrew Dominik hats mit den amerikanischen Mythen. Und mit Brad Pitt. Der war schon in The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford von 2007 Geschmackssache. Diesmal bezieht sich der Titel (auch) auf seine Figur. Der Film spielt in der Zeit des Wahlkampfes, Bush und Obama sind abwechselnd auf allen Bildschirmen zu sehen und zu hören. Aber im Vordergrund kämpfen ein paar Loser ums Überleben, überfallen ein illegales Spielcasino und ziehen damit den Zorn eines nicht näher definierten Syndikates auf sich.

Brad Pitt spielt den Killer, der schliesslich für die Aufräumarbeiten herbeigezogen wird. Er seinerseits zieht aus New York den nicht mehr ganz taufrischen Micky (James Gandolfini) bei, der sich aber als völlig abgehalftert erweist. „Cannes 12: KILLING THEM SOFTLY von Andrew Dominik“ weiterlesen