Locarno 16: HERMIA & HELENA von Matías Piñeiro (Wettbewerb)

Hermia and Helena (3)

Das Lebensgefühl junger Kulturtäter zwischen Buenos Aires und New York könnte irgendwo in diesem Film stecken. Der Transit-Zustand voller Hoffnung und Pläne ist jedenfalls da.

Pardobalken2016

Camila (Piñeiros Stammschauspielerin Agustina Muñoz) hat ein Jahr als Artist in Residence in New York ergattert, ohne es eigentlich zu wollen. So reist sie von Buenos Aires ab, lässt Schwester, Freunde und Freund zurück, um in New York ihre Übersetzung von Shakespeares Sommernachtstraum fertig zu stellen.

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Locarno 16: KAZE NI NURETA ONNA (Wet Woman in the Wind) von Akihiko Shiota (Wettbewerb)

Wet woman (1)

Kosuke, ein Dramatiker, hat sich aus Tokio in eine Waldhütte zurückgezogen, um seine Kreativität wieder zu finden. Als er eines Nachmittags mit seinem Handkarren unterwegs ist, rast neben ihm eine attraktive junge Frau mit dem Fahrrad in den See, steigt aus dem Wasser und zieht ungerührt ihr nasses Oberteil aus.

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Kurz darauf macht sie ihm offen Avancen, erklärt, sie suche ein Quartier für die Nacht. Kosuke weist sie brüsk zurück, aber Shiori lässt nicht locker, verfolgt ihn bis zur Hütte. Als Kosuke erklärt, er habe den Frauen und dem Sex abgeschworen, greift sie ihm in die Hose und meint, er könne lügen so viel er wolle, sein Schwanz sei offensichtlich anderer Meinung. „Locarno 16: KAZE NI NURETA ONNA (Wet Woman in the Wind) von Akihiko Shiota (Wettbewerb)“ weiterlesen

Locarno 16: LA PRUNELLE DE MES YEUX von Axelle Ropert (Wettbewerb)

Bastien Bouillon, Melanie Bernier 'La prunelle de mes yeux'
Bastien Bouillon, Melanie Bernier ‚La prunelle de mes yeux‘

Nichts gegen Komödien im Wettbewerb, auch wenn Humor noch stärker Geschmackssache ist als Filme. Aber diese französische Zuckerwatte müsste man nicht nur vor Regen schützen, sondern auch vor uns cinephilen Kritikern in Locarno. Das Filmchen hätte besser auf die Piazza Grande gepasst.

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Da leben zwei griechische Brüder in Frankreich und suchen ihr Auskommen als Rebetiko-Spieler. Im gleichen Haus wohnen zwei Schwestern, von denen die eine blind ist. Sie und der eine der Exil-Griechen geraten im Fahrstuhl aneinander, steigern die gegenseitigen Beschimpfungen, bis allen ausser ihnen klar ist, dass sie sich verliebt haben.

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Locarno 16: OSTATNIA RODZINA von Jan P. Matuszyński (Wettbewerb)

Andrzej Seweryn, Dawid Ogrodnik, Aleksandra Konieczna
Andrzej Seweryn, Dawid Ogrodnik, Aleksandra Konieczna

Die Beksińskis sind keine gewöhnliche polnische Familie. Oder vielleicht eben doch. Der Vater Zdzisław Beksiński ist Maler, bekannt für seinen Spät- bis Neosurrealismus. In den 1980er Jahren, als der Film einsetzt, ist er etwas über fünfzig.

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Am Ende des Films geht er auf die Neunzig zu. Und da spielt auch die allererste Szene, in welcher der Maler einem Bewunderer und Freund freimütig von seinen sadomasochistischen Phantasien erzählt, milde lächelnd und im Bewusstsein, dass er das alles höchstens in seinen Bildern ausgelebt hat.

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Locarno 16: MOKA von Frédéric Mermoud (Pizza Grande)

Nathalie Baye und Emmanuelle Devos © frenetic
Nathalie Baye und Emmanuelle Devos © frenetic

Diane (Emmanuelle Devos) aus Lausanne sucht den Fahrer oder die Fahrerin jenes mokafarbenen Autos, welches ihrem Sohn den Tod gebracht hat. Als sie das Paar schliesslich jenseits der grenze in Evian ausfindig macht und – je einzeln – kennen lernt, verschieben sich die Perspektiven und die Wahrheit ist nicht mehr so offensichtlich, wie sie glaubte.

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Sechs Jahre ist es her, seit der Westschweizer Frédéric Mermoud mit seinem ersten Langspielfilm Complices (u.a. Schweizer Filmpreis für das beste Drehbuch 2010) auffiel. In der Zeit danach hat er nicht etwa (was in der Schweiz nicht überraschen würde) um die Finanzierung seines nächsten Films gekämpft, sondern als Regisseur bei der erfolgreichen ersten Staffel der französischen Serie Les revenants weitere Erfahrung gesammelt. „Locarno 16: MOKA von Frédéric Mermoud (Pizza Grande)“ weiterlesen

Locarno 16: CORRESPONDÊNCIAS von Rita Azevedo Gomes (Wettbewerb)

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Zweieinhalb Stunden Briefwechsel zwischen zwei portugiesischen Dichtern, meist aus dem Off gelesen und illustriert, oder hinterlegt, oder unterlegt mit exquisiten Einstellungen auf Menschen und Orte.

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Das ist die Art von Extremkulturkino, wie sie fast nur noch in Locarno im Wettbewerb zu finden ist, ein Film voller Schönheit, Gedanken und Saudade.

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Locarno 16: SLAVA (Glory) von Kristina Grozeva und Petar Valchanov (Wettbewerb)

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Wie ein osteuropäischer Big Lebowski kommt einem dieser bulgarische Bahngleisarbeiter Tsanko Petrov vor. Zumindest zu Beginn seines Kampfes um die eigene Würde.

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Alles fängt an damit, dass er auf dem morgendlichen Gang zum Anziehen von Gleismuttern auf dem Trassee einen Haufen Geldscheine findet. Als ehrliche Haut meldet er den Fund der Polizei, worauf ihn die skrupellose Pressechefin des Transportministers zu einem Helden des Alltags macht, inklusive Medienkonferenz und Belobigung durch den Minister.

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Die Unverpassbaren, Woche 31 – 2016

Isabelle Huppert in 'L'avenir' von Mia Hansen-Løve © frenetic
Isabelle Huppert in ‚L’avenir‘ von Mia Hansen-Løve © frenetic

Erst diese fünf Filme sehen, dann alle anderen:

  1. L’avenir von Mia Hansen-Løve. Isabelle Huppert ist die Philosophielehrerin, welche zwar für das theoretische Leben gerüstet scheint, in der Praxis aber auf unerwartete Freiheitsphobien stösst, als ihr Mann mit einer anderen auftaucht. Eine sehr lebensnahe Verbindung von Film und Philosophie, Hansen-Løves erster rundum geglückter Film.
  2. Toni Erdmann von Maren Ade. Ein Vater mischt mit falschen Zähnen und Perücke die strukturierte Businesswelt seiner Tochter auf. Ein Wurf von einem Film, ein traurig-komisches Meisterstück mit grossem Atem.
  3. Guibord s’en va-t-en guerre von Philippe Falardeau. Ein liebenswerter kanadischer Provinzabgeordneter wird zum Zünglein an der Waage und lernt die Tücken der direkten Demokratie auf ungemein witzige Art kennen. Vor einem Jahr als utopische Satire in Locarno. Jetzt als beinahe realistische Geschichte im Kino.
  4. Le miracle de Tekir von Ruxandra Zenide. Zwei Frauen im Donaudelta, eine unerklärliche Schwangerschaft, Eifersucht und Freundschaft. Ein schwebender Film zwischen Archaik und Skepsis, verstörend schön.
  5. Coup de chaud von Raphael Jacoulot: Ein kollektiver Hitzestau bestimmt dieses französische Kinodrama. Es geht um einen Krisensommer in einer Kleinstadt, um bröckelnde Solidarität, wachsende Angst vor dem Fremden. All das entlädt sich in einem Gewaltausbruch.

Filmpodcast Kino im Kopf macht Sommerpause bis 19. August

Locarno 16: THE GIRL WITH ALL THE GIFTS von Colm McCarthy (Piazza Grande)

Sennia Nanua als Melanie © impuls
Sennia Nanua als Melanie © impuls

Nichts weniger als die grosse Zombie-Apokalypse hat Festivaldirektor Carlo Chatrian zur Eröffnung der 69. Ausgabe von Locarno gewählt. Ein durchaus mutiger Entscheid. Allerdings nicht darum, weil Zombies nicht massen- und familientauglich wären. Sondern eben gerade darum, weil die Untoten ja mit dem globalen Erfolg von Serien wie «The Walking Dead» längst Mainstream sind.

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Nun hat allerdings der relativ junge Roman «The Girl with all the Gifts» von Mike Carey wieder einen grossartigen Twist gefunden, um den Untoten neues Leben einzuhauchen: Die Evolution spielt mit. Das tat sie zwar schon im Spätwerk von Zombie-Grossvater George A. Romero, der die Untoten mit einem erwachenden Bewusstsein zu einer Art Revolution der Unterdrückten heranwachsen liess. Aber The Girl With All The Gifts bringt Zombie-Kinder ins Spiel, Kinder mit Zukunft.

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Locarno 16: SRF 2 Kultur und SRF 4 News werktäglich live

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Auch dieses Jahr gehen wir wieder auf Sendung von der Piazza Grande aus. Jeden Werktag ab 4. August bringen wir Gäste, Meinungen und Töne an den runden Tisch unter dem Magnolia-Zeltdach. Nach den Elf-Uhr-Nachrichten live auf SRF 4 News (Wiederholung um 15 Uhr), High Noon, nach 12 Uhr, dann auf SRF 2 Kultur. Das Team besteht aus Eric Facon, Michael Sennhauser, Barbara Peter, Eliane Leiser, Res Hutter, Danja Nüesch, Lukas Keller und Tom Hägler. Die letzten drei haben auch schon wieder den SRF online-Auftritt zusammengestellt, der die Sendungen integriert und komplimentiert, mit Bild und Text und natürlich Ton. Und im Prinzip sollte da dann auch der Link zum täglichen Podcast zu finden sein.

Pardobalken2016

Wer gerne live dabei sein möchte: Locarno, Piazza Grande, ab Donnerstag werktäglich um 11 Uhr vom Open Air Studio unter dem Pavillonzelt vor der Hauptpost, gerade bei der grossen Leinwand. Es gibt auch die eine oder andere Filmgrösse zu sehen und zu hören und Begeisterungsschreie gehen live in die Deutschschweiz. Und die wichtigsten Filme, vor allem aus dem Wettbewerb, stelle ich natürlich ebenfalls wieder vor, direkt hier im Blog.