DE NOCHE LOS GATOS SON PARDOS von Valentin Merz

Sniffing… © Andrea Film

Der Schweizer Beitrag im diesjährigen Wettbewerb von Locarno ist definitiv nicht sein Höhepunkt. Ob man ihn als Tiefpunkt empfinden will, hängt von den eigenen Erwartungen ab.

Jedenfalls ist sein Titel auch sein Programm, ganz abgesehen davon, dass er, der Titel, perfekt ans Filmfestivals von Locarno passt: Nachts sind Katzen Leoparden.

Leider geht hier, wie beim ganzen Film, die Mengenlehre nur in eine Richtung auf. Schliesslich sind alle Leoparden auch Katzen, tagsüber und in der Nacht.

Als Handlungsfaden erzählt der Film von einem möglichen Verbrechen, das während eines Filmdrehs passiert sein könnte. Die bunte Truppe um Regisseur Valentin (alle Figuren tragen die Namen ihrer Darsteller) dreht am Waldrand ein Fetisch-Kostüm-Zombie-Lust-Drama mit viel Keuchen, Lecken, Sniffen und im Wald rumtollen.

Dann verschwindet der Regisseur spurlos und die Polizei taucht auf.

Robin Mognetti © Andrea Film

War der Film bisher lustvoll improvisiert und bisweilen mit italienischen oder französischen Schnulzenklassikern unterlegt («Ti amo»), löst sich die ohnehin schon fliessende Grenze zwischen Produktionsrealität, filmischer Fiktion und Film im Film nun vollends auf.

Denn auch die Polizistinnen und Polizisten sind eigenwillige Figuren. Der Inspektor mit dem schöngeschnittenen Gesicht und den goldenen Ohrsteckern ist mindestens so schwul wie das halbe Filmteam. Er, seine Kolleginnen und Kollegen und der Bürgermeister des Ortes in Frankreich erinnern an die Polizisten in Bruno Dumonts Vierteiler Le p’tit Quinquin.  Inkompetent, liebenswert, verschroben.

Die polizeiliche Ebene des Film funktioniert nach der Logik der erotischen Szenen-Klamotte, welche vom Team gedreht wird: Es gibt keine.

An die Stelle der polizeilichen Konventionen des üblichen Krimis tritt das Spiel. So wie das bunte Filmteam eine Zombieattacke im Wald mimt, mimen die Polizistendarsteller die von unzähligen Filmen vorgespurten Untersuchungsvorgänge.

Da werden bereits Leute vernommen und Verdachtsmomente geäussert, bevor klar ist, ob Regisseur Valentin tatsächlich etwas zugestossen ist. Das wichtigste Indiz dafür liefert das mexikanische Crewmitglied, das seinen Traum schildert, in dem er die Leiche Valentins gesehen hat, in Plastik gewickelt.

© Andrea Film

Wenig später wird diese Leiche dann tatsächlich so im Wald gefunden. Aber bevor Bestatter Binggeli aus Zürich mit Kollegin Yana wieder aus dem Wald herausfindet, in dem sie sich beim Abholen der Leiche verirrt haben, ist diese Leiche schon wieder verschwunden.

In der Nacherzählung klingt das kohärenter und unterhaltsamer, als es sich tatsächlich präsentiert.

Der Zürcher Valentin Merz, der in Mexico eine zweite Heimat gefunden hat und später an der HEAD in Genf studierte, hat für seinen Spielfilmerstling auf Improvisationstheater zurückgegriffen.

Dabei gelingt die Gegenüberstellung von Fiktion, Fiktionserzeugung und filmischer Pseudorealität zuweilen ganz gut. Der Film entwickelt manchmal gar eine gewisse Poesie.

Aber es fehlt der existentielle Atem, die mythologische Verwurzelung, wie sie etwa vor vierzig Jahren Christian Schochers improvisierte Schweizer Odyssee Reisender Krieger auszeichnete. Da hilft auch der Brückenschlag nach Mexico und dessen traditionellen Umgang mit dem Tod nur bedingt.

De noche los gatos son pardos war ziemlich sicher ein Abenteuer für seine Macher, wohl auch ein Vergnügen. Es ist wunderbar, dass solche Filme entstehen können. Aber selbst im oft anstrengenden Wettbewerb des Festivals von Locarno ist das kein Leopard, sondern bloss eine Katze, die einem Lichtreflex nachjagt.

Valentin Merz © Andrea Film

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