Hier die heutige Sendung zum Nachhören. Nicolas Bideau und Marcy Goldberg diskutieren über den Zustand des Schweizer Film. Marcel Vaid hat schon wieder einen Preis für seine Filmmusik gewonnen, diesmal für die von Tandoori Love von Oliver Paulus. Filmemacher und Komponist sind in der Sendung.
Eine wilde Idee zur Regionenförderung wurde gestern in Locarno vorgestellt:
Erstmals wird dieses Jahr der Film, der die Schweiz an den Oscars vertreten soll, anlässlich einer Spezialwoche bestimmt, in deren Verlauf das Publikum die insgesamt neun Kandidaten-Filme sehen oder wiedersehen kann. Vom 15. bis 19. September werden sie in den Kinos von Delémont laufen und auch anderswo im Jura zahlreichen Schulklassen gezeigt. Die Bewertung übernimmt eine vom Bundesamt für Kultur eingesetzte Jury aus unabhängigen Experten; auch das Publikum erhält eine beratende Stimme. Der Film, der unser Land im Jahr 2010 in Kalifornien repräsentiert, reist direkt von Delémont nach Hollywood.
Was von aussen auf den ersten Blick sehr seltsam anmutet, hat eine gewisse Logik, wenn man sich die formulierten Ziele der Aktion vor Augen führt:
Da haben wir erst den dritten Film im aktuellen Wettbewerb von Locarno, der sich als wenigstens einigermassen würdig erweist (die anderen beiden sind der und vor allem der) – auch wenn er gleichzeitig alle Referenz-Klischees erfüllt, um hier die Nebenpreise abzuräumen. Gedreht von einem Iraner unter vierzig (Babak Jalali hat Jahrgang 1978), entwickelt mit einem Stipendium der Cinéfondation Cannes, gewidmet der Geburtststadt des Regisseurs und auch dort angesiedelt: In Gorgan, einem Dorf an der Grenze zwischen Iran und Turkmenistan, bevölkert von mehrheitlich schweigenden, einsamen Männern in aberwitziger Perspektivenlosigkeit.
Das war unsere heutige Sendung von der Piazza in Locarno: Der Anime-Spezialist Jonathan Clements befasst sich wissenschaftlich mit dem Thema rund um Roboter, Kriegswaffen und Fantasy. Ruhigere Töne verfolgt Musikproduzent Manfred Eicher. Das Filmfestival Locarno zeigt einen Dokumentarfilm über sein Schaffen. Für Clements, einen der wichtigsten westlichen Anime-Spezialisten, sind Animefilme ein Fenster in die fremde japanische Kultur. Die Ausweitung der einstigen Kindermärchen auf den internationalen Markt empfindet er nicht nur positiv – für Clements besteht die Gefahr, dass das spezifisch «Japanische» verloren geht.
First Squad: The Moment of Truth ist ein Filmhybride in mehrfacher Hinsicht. Die russisch-japanisch-kanadische Gemeinschaftsarbeit vereinigt populäre russische Kriegs- und Widerstandsmythen mit japanischer Anime-Technik auf hohem Niveau. Im Zentrum der Geschichte steht eine Gruppe toter Teenager-Agenten, also eigentlich Geister, welche von der einzigen Überlebenden der einst eingeschworenen Spezialeinheit Jugendlicher mit paranormalen Fähigkeiten zum Kampf gegen eine Horde germanischer Zombies aus dem frühen Mittelalter geholt werden. Diese Zombies unter der Führung des ruchlosen Barons von Wolff wurden von der geheimen SS-Einheit „Ahnenerbe“ reaktiviert im Kampf gegen die rote Armee im Winter 1942. – Ja, ich weiss. Aber tatsächlich ist es diese überbordende Fantastik, welche diesem Film eine spezielle Aura verleiht.
In unserer täglichen Locarno-Sendung von heute waren Martin Suter und Christoph Schaub zu Gast, Drehbuchautor und Regisseur von Giulias Verschwinden. Ebenfalls zu hören war Balz Bachmann, der Komponist der Filmmusik, und natürlich Oton aus dem Film, von der Piazza Grande und von den Schauspielerinnen. Mehr Bilder gibts nach dem Sprung und Töne hier:
Download MP3 mit Rechtsklick. Oder Nachhören hier:
Meistens ist es kein gutes Zeichen, wenn man in Versuchung kommt, einen Film als „eine Mischung aus…“ zu bezeichnen. Aber diesem skurrilen Monster lässt sich so am leichtesten eine Rampe bauen. Die verrückten Larrieus haben keine Mühe und keinen Aufwand gescheut, die letzten Tage der Welt so absurd, überbordend und gaga-kafkaesk ins Bild zu rücken, dass ich nun frohgemut behaupte, da treffe das Location- und Gadget-Konzept der James-Bond-Filme auf die dekorative Dekadenz von Fellinis Satyricon und alle bisherigen Endzeitfilme. Und als ob das nicht genüge, stolpert Mathieu Amalric von einer überdrehten Frauenfigur zur nächsten, wie ein Woody Allen, der eine Überdosis Luis de Funès abbekommen hat.
Manchmal beeindruckt einen ein Film, ohne dass man ihn im Detail dafür zur Verantwortung ziehen könnte. Und manchmal ist einfach zu spüren, was gemeint war, wo die Reise hätte hingehen sollen, selbst dann, wenn das nicht ganz aufgeht, wie in diesem Erstling des Brasilianers Esmir Filhó. Es ist die YouTube-Generation, welche hier im Zentrum steht, Teenager, die mit Mobiltelefon, flickr, chat, Instantfilmchen und sofort-illustrierter Teenager-Poesie und -Angst eine Welt um sich herum gebaut haben, die kaum mehr in Verbindung steht mit dem kleinen Städtchen in Brasilien, in dem sie leben.
Same Same But Different, genau das Gleiche, aber anders, so heisst der neue Film von Detlev Buck, der nächsten Donnerstag (13. August) am Abend auf der Piazza Grande gezeigt wird. Am gleichen Tag wird Buck übrigens live bei uns in der Sendung sein. Aber der eingängige Titel des Films verfolgt mich schon eine Weile, zumal er wunderbar auf die seltsamen Paarkonstellationen passt, die man an so einem Festival vor die Linsen bekommt:
Schön ist er geworden, Christoph Schaubs neuer Film, nach einem Drehbuch von Martin Suter, das dieser ursprünglich für den verstorbenen Daniel Schmid geschrieben hatte. Es ist ein Ensemble-Film in episodischer Gleichzeitigkeit. Giulia (Corinna Harfouch) ist auf dem Weg zu einem Essen zur Feier ihres fünfzigsten Geburtstages, als ihr in der Strassenbahn eine alte Frau erklärt, das Alter mache unsichtbar. Und tatsächlich verschwindet nicht nur Giulias Spiegelbild im Fenster, sondern auch sie selber fühlt sich plötzlich unsichtbar, als sie in einer eigentlichen Panikattacke auf die Strasse hinausstürzt. Zum Glück trifft sie wenig später auf den charmanten John (Bruno Ganz), mit dem sie den Abend verbringt, während ihre Freunde, im Restaurant auf sie wartend, immer heftiger über das Älterwerden diskutieren.