DVD: RÄUBERINNEN – director’s cut

Viktor Giacobbo und Patrick Frey in Carla Lia Montis 'Räuberinnen' © praesens
Viktor Giacobbo und Patrick Frey in 'Räuberinnen' © praesens

Als Carla Lia Montis Räuberinnen vor knapp einem Jahr an den Solothurner Filmtagen uraufgeführt wurde, gab sich ein Teil der Printmedien alle Mühe, den kleinen Schweizer Trash-Film zum Skandal hochzustilisieren. Ob die Publicity dem Opus, in das Filmemacherin Monti sechs Jahre ihres Lebens investierte (zum Glück nicht nicht ausschliesslich, sie hat in der Zeit auch zwei Kinder zur Welt gebracht), genützt oder geschadet hat, ist heute kaum zu eruiren. Bei ihrer Kinoauswertung im Sommer hat die bunte Trash-Tragikomödie jedenfalls kaum mehr Wellen geschlagen. Das hat allerdings wenig mit den paar piepsenden Skandalrufen zu tun, eher schon mit dem Umstand, dass man vergnüglichen Trash eigentlich nicht gezielt herstellen kann. Zwar gibt es das popkulturelle Konzept des camp, aber auch camp funktioniert in der Regel nur als Abgrenzungssystem für Nischengruppen. Der echte Trash, derjenige, den wir lieben, den muss man finden, der passiert unabsichtlich, das sind jene Filme, die in ihren Aspirationen so grossartig straucheln, dass die Diskrepanz zwischen Anspruch und Resultat neue Erfahrungsräume eröffnet. Als Beispiel mögen etliche Horrorfilme aus den 50er Jahren herhalten, wie Tarantula oder Attack of the 50 Foot Woman. Die meisten Versuche, solchen Unsinn gezielt herzustellen, scheitern kläglich, wie der unermüdliche New Yorker Lloyd Kaufmann mit seinen Troma-Productions seit Jahren beweist.

Hin und wieder gelingt allerings einem Berserker wie dem Holländer Paul Verhoeven ein echtes Camp-Meisterwerk wie Showgirls oder Starship Troopers. Aber gerade bei Verhoeven sind wir nie ganz sicher, ob der Camp-Effekt von seinem versteckten Zynismus im Umgang mit der Filmindustrie herrührt, oder von einem triumphalen parodistischen Willen, den seine Geldgeber nicht zu erkennen vermögen. Jedenfalls hat kaum einer im Umgang mit Hollywood mehr Basic Instinct bewiesen als Verhoeven.

Carla Lia Monti im 'Räuberinnen'-Making of © praesens
Carla Lia Monti im 'Räuberinnen'-Making of © praesens

Was die Energie und das Durchsetzungsvermögen angeht, ist Carla Lia Monti wohl durchaus ein Schweizer Äquivalent zum tobenden Holländer. Diesen Schluss lässt zumindest das 30minütige Making of zu Räuberinnen auf der eben erschienenen DVD zu. Die Montage aus Interviews und Drehdoku, für die Michel Nellen zeichnet, hat mir deutlich mehr Spass gemacht als der Film selber.

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Filmpodcast Nr. 162: Jahresendkurzrolle.

Kommt: Terry Gilliams' 'The Imaginarium of Doctor Parnassus' © pathe
Kommt: Terry Gilliams' 'The Imaginarium of Doctor Parnassus' © pathe

Herzlich Willkommen zu Kino im Kopf mit Michael Sennhauser. Dies ist, je nach Perspektive, die letzte Rolle des alten Jahres oder die erste des neuen. Inhaltlich stehen wir ganz eindeutig und knapp noch im letzten Jahrzehnt: Das Tonspurrätsel habe ich dem wichtigsten Film von 2009 gewidmet, die Unverpassbaren stammen auch alle noch aus dem alten Jahr, und zum Schluss gibt’s ein Stück Filmmusik aus der Kindheit.

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Die Unverpassbaren, Woche 1

Auch Wilde Kerle werden müde. Drehpause bei Spike Jonze © Warner Bros
Auch Wilde Kerle werden müde. Drehpause bei Spike Jonze © Warner Bros

Das Jahr 2009 war eine Woche zu lang, und für diese Woche 53 hat niemand mehr einen anständigen Film produziert. Darum starten wir die Woche 1 des neuen Jahrzehntes mit den gleichen soliden fünf Unverpassbaren mit denen wir die Nullerjahre ausklingen liessen:

  1. Soul Kitchen von Fatih Akin. Der streitbare Deutschtürke widmet seiner nordischen Heimatstadt Hamburg eine Multikulti-Komödie, die einen Hauch Heimweh nach Überall auslöst.
  2. Avatar von James Cameron. Die Geschichte, die er erzählt, ist zwar ziemlich von gestern. Aber die Bilder, die sind von Übermorgen.
  3. Where the Wild Things Are von Spike Jonze. Ich bin nicht überglücklich mit dem Film, aber das liegt auch an den lange geschürten hohen Erwartungen. Einzigartig und unverpassbar ist Jonzes Bilderbuch-Verfilmung nämlich trotzdem.
  4. Fish Tank von Andrea Arnold. Die harte Pubertät einer 15jährigen ohne Luxusprobleme, zwischen warmer Wut und kalter Hoffnung.
  5. Die Frau mit den fünf Elefanten von Vadim Jendreyko. Ein schönes Portrait einer wunderbaren alten Frau.

Der Filmpodcast von morgen Freitag wird auch eher frugal: Kurztipps, Tonspurrätsel und ein schönes Stück Filmmusik für den Jahresanfang.

Filmpodcast Nr. 161: Soul Kitchen, Roger Rabbit, Hunkeler-Box

Mathias Gnädinger und Oliver Tobias in 'Hunkeler macht Sachen' © SF

Willkommen zur letzten Ausgabe von Kino im Kopf im Jahr 2009. Gastgeberin ist Brigitte Häring, mit ein paar akustischen Nachzügler-Geschenken: Fatih Akin ist der Schweiz unter Protest ferngeblieben, aber er beschert mit Soul Kitchen seiner deutschen Heimatstadt Hamburg eine Hommage. Ausserdem blicken wir 21 Jahre zurück auf den Weihnachtsfilm von 1988: Who Framed Roger Rabbit? Und schliesslich hat Brigitte noch einen ganz persönlichen Geschenktipp für Nachschenker: Die neue DVD-Box mit allen bisherigen Kommissar-Hunkeler-Filmen des Schweizer Fernsehens. Und natürlich Tipps und Tonspurenrätsel. „Filmpodcast Nr. 161: Soul Kitchen, Roger Rabbit, Hunkeler-Box“ weiterlesen

Die Unverpassbaren, Woche 53

Pheline Roggan, Adam Bousdoukos, Monica Bleibtreu in Fatih Akins 'Soul Kitchen' © pathéfilms
Pheline Roggan, Adam Bousdoukos, Monica Bleibtreu in Fatih Akins ‚Soul Kitchen‘ ©pathéfilms

Die Weihnachtstage sind im Kino ähnlich anbiedernd wie das Fernsehprogramm. Jeroen Krabbé schlurft als Albert Schweitzer durch ein degetoisiertes Opa-Porträt. Der Nachbrenner Alvin and the Chipmunks 2 kiekst an der Grenze des popgrauslich Unzumutbaren. Und Natale a Beverly Hills habe ich mir, Michelle Hunziker hin oder her (vor allem hin), gleich ganz erspart. Die soliden fünf Unverpassbaren zum Jahresausklang sind also diese hier:

  1. Soul Kitchen von Fatih Akin. Der streitbare Deutschtürke widmet seiner nordischen Heimatstadt Hamburg eine Multikulti-Komödie, die einen Hauch Heimweh nach Überall auslöst.
  2. Avatar von James Cameron. Die Geschichte, die er erzählt, ist zwar ziemlich von gestern. Aber die Bilder, die sind von Übermorgen.
  3. Where the Wild Things Are von Spike Jonze. Ich bin nicht überglücklich mit dem Film, aber das liegt auch an den lange geschürten hohen Erwartungen. Einzigartig und unverpassbar ist Jonzes Bilderbuch-Verfilmung nämlich trotzdem.
  4. Fish Tank von Andrea Arnold. Die harte Pubertät einer 15jährigen ohne Luxusprobleme, zwischen warmer Wut und kalter Hoffnung.
  5. Die Frau mit den fünf Elefanten von Vadim Jendreyko. Ein schönes Portrait einer wunderbaren alten Frau.

Mehr zu Soul Kitchen, Who Framed Roger Rabbitt? und vier Mal Kommissar Hunkeler morgen im Filmpodcast.

Filmpodcast Nr. 160: Avatar, Where the Wild Things Are.

James Cameron mit Sigourney Weaver im 'Avatar'-Studio © 20th Century Fox
James Cameron mit Sigourney Weaver im 'Avatar'-Studio © 20th Century Fox

Zeit für Kino im Kopf: Die Weihnachtsfilme sind auf der Leinwand, James Camerons Avatar saugt die Welt ins Kino, und Spike Jonze verteidigt auf seine Weise die kindliche Anarchie mit Where the Wild Things Are. Wir beleuchten Aspekte zu beiden Filmen. Und wir tippen kurz und tönen Sie auf die Spur, wie gewohnt. „Filmpodcast Nr. 160: Avatar, Where the Wild Things Are.“ weiterlesen

Die Unverpassbaren, Woche 52

'Where the Wild Things Are' von Spike Jonze © Warner Bros.
'Where the Wild Things Are' von Spike Jonze © Warner Bros.

Die Weihnachtsoffensive der Kinos besteht aus Dutzendware wie The Princess and the Frog oder Lila, Lila und zwei Filmen, die schon lange heftig aus der Marketing-Etage gewinkt hatten. Beide haben es in die illustre Reihe unserer Unverpassbaren geschafft. Hier also die fünf Filme im aktuellen Angebot, die niemand verpassen sollte:

  1. Avatar von James Cameron. Die Geschichte, die er erzählt, ist zwar ziemlich von gestern. Aber die Bilder, die sind von Übermorgen.
  2. Where the Wild Things Are von Spike Jonze. Ich bin nicht überglücklich mit dem Film, aber das liegt auch an den lange geschürten hohen Erwartungen. Einzigartig und unverpassbar ist Jonzes Bilderbuch-Verfilmung nämlich trotzdem.
  3. Fish Tank von Andrea Arnold. Die harte Pubertät einer 15jährigen ohne Luxusprobleme, zwischen warmer Wut und kalter Hoffnung.
  4. Die Frau mit den fünf Elefanten von Vadim Jendreyko. Ein schönes Portrait einer wunderbaren alten Frau.
  5. Tannöd von Bettina Oberli. Die paar Schwächen im dramaturgischen Konzept ihrer Bestseller-Umsetzung lässt einen die Schweizer Regisseurin mit starken Stimmungsbildern und einem straffen, raffinierten  Schnitt vergessen.

Mehr zu Avatar und Where the Wild Things Are morgen im Filmpodcast.

Karl Mays AVATAR

Neytiri und Jake Sully in 'Avatar' © 20th Century Fox
Neytiri und Jake Sully in 'Avatar' © 20th Century Fox

James Camerons Avatar ist spektakulär, unterhaltsam, clever und bahnbrechend in technischer Hinsicht. Der Film hat sogar, gemessen am sonst üblichen infantilen Blockbuster-Niveau, eine halbwegs intelligent erzählte Geschichte. Bloss kommt sie uns in der Schweiz und in Deutschland überraschend bekannt vor (und ich bin sicher weder der einzige noch der erste, dem die Parallelen aufgefallen sind): Die Geschichte des Jake Sully, der im Körper eines Avatars die Na’vi auskundschaften soll und sich dabei in die schöne Häuptlingstochter verliebt, ist die von Old Shatterhand in Winnetou I. Wir erinnern uns: Der Deutsche kommt im Auftrag der Eisenbahngesellschaft als Ingenieur und Vermesser in den Westen, stellt fest, dass er missbraucht wird, um den edlen Apatschen ihr Land abzunehmen, und schlägt sich auf die Seite der Indianer. Die schöne Häuptlingstochter Nscho-tschi rettet ihm zuvor aber das Leben und verliebt sich in ihn, zu einem Zeitpunkt, als ihr Volk dem Bleichgesicht noch keineswegs über den Weg traut. Nun: Avatar erzählt die gleiche Geschichte. Macht aber nichts, denn erstens ging uns schon Winnetou wieder und wieder und wieder zu Herzen, und zweitens funktioniert auch diese neue High-Tech-Version der Geschichte sowohl emotional wie auch auf der schieren Überwältigungsebene.

Nscho tschi (Marie Versini) und Old Shatterhand (Lex Barker) in 'Winnetou'
Nscho tschi (Marie Versini) und Old Shatterhand (Lex Barker) in 'Winnetou'

Animation vs. Live Action an der LIAA

'Street of Crocodiles' von den Brothers Quay
'Street of Crocodiles' von den Brothers Quay

In Luzern traf sich diese Woche die Crème de la crème der Animationsfilmszene zur Lucerne International Animation Academy LIAA. Weil ich mit regulärer Radioarbeit eingedeckt war, habe ich Szene-Stars wie die Brothers Quay oder Priit Pärn aus Talinn verpasst, aber auch etliche der angefressenen Theoretiker und Praktiker aus den Schulen und Studienzentren. Gestern nun habe ich es doch noch ins Bourbaki-Kino geschafft, zu einer etwas handgestrickten Selbst-Präsentation der Animationsabteilung der Hochschule Luzern (die sich mit der Organisation der LIAA ein professionelleres Zeugnis ausgestellt hat als mit dieser Plauderrunde), vor allem aber zu einer nicht ganz klar definierten, dafür um so anregenderen Veranstaltung mit den beiden Animationsfilmprofis Gil Alkabetz (u.a. Potsdam-Babelsberg) und Jerzy Kucia aus Krakau.

Jerzy Kucia, Gil Alkabetz
Jerzy Kucia, Gil Alkabetz

Um die specifics of storytelling and dramaturgy in animation sollte sich der Dialog der beiden drehen. Tatsächlich bewegte sich das Ganze dann aber in eine weitaus spannendere Richtung: Was unterscheidet die Rezeption von Animation und von Live Action? Schon die Arbeitsthese von Alkabetz hatte es in sich: Animation funktioniere grundsätzlich metaphorisch, es sei fast unmöglich, mit den Mitteln des Animationsfilms etwas zum Nennwert (oder Schauwert) darzustellen. Was heisst das nun?

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Filmpodcast Nr. 159: Der Fürsorger

Roeland Wiesnekker, Claude de Demo in 'Der Fürsorger' ©filmcoopi 1
Roeland Wiesnekker, Claude de Demo in 'Der Fürsorger' ©filmcoopi

Hier ist der neue Podcast mit Brigitte Häring. Fast schon betrügerisch kurz ist die Filmrolle dieser Woche. Einen einzigen Film stellen wir vor, dafür hausgemacht schweizerisch: Michael Sennhauser hat die filmische Umsetzung einer realen Betrugsgeschichte mit dem Titel Der Fürsorger gesehen. Aber trotz Kürze betrügen wir Sie auch diese Woche nicht um Tonspur und Kurztipps. „Filmpodcast Nr. 159: Der Fürsorger“ weiterlesen