NIFFF 14: WHITE GOD (Fehér isten) von Kornél Mundruczó

Who Let the Dogs out? © Match Factory
Who Let the Dogs out? © Match Factory

Ungarn geht vor die Hunde. So einfach und direkt könnte man Kornél Mundruczós Film interpretieren. Aber zu dem Schluss könnte man ja auch kommen, ohne den Film zu sehen. Und das wäre dann wirklich blöd. Denn was der Regisseur von Delta hier mit einem jungen Mädchen und über zweihundert Hunden auf die Leinwand bringt, ist einzigartig.

Die vordergründige Story von White God ist simpel, eigentlich fast schon Lassie come Home: Ein Mädchen verliert seinen treuen Hund, weil sein Vater ihn am Stadtrand aussetzt: Hunde sind in seiner Wohnung nicht erlaubt. Nun sucht der Hund das Mädchen und das Mädchen den Hund. Der Hund allerdings durchlebt einen wahren Höllensturz und wird schliesslich zum Anführer einer blutigen Hunderevolution. „NIFFF 14: WHITE GOD (Fehér isten) von Kornél Mundruczó“ weiterlesen

NIFFF 14: LE P’TIT QUINQUIN von Bruno Dumont

Bernard Pruvost ist Le commandant van der Weyden © arte
Bernard Pruvost ist Le commandant van der Weyden © arte

In einem Bunker aus dem zweiten Weltkrieg im Boullonais am Ärmelkanal wird eine tote Kuh gefunden. Und in der Kuh eine tote Frau, in kleinen Teilen und ohne Kopf. Grotesker könnte eine TV-Miniserie kaum anfangen. Wenn dann noch eine Gruppe altkluger Kinder dazukommt, und ein Polizist zwischen Maigret und Inspecteur Clouseau, der Ch’ti spricht, dann wissen wir, dass nichts mehr undenkbar sein wird. Und dass das Böse einen grossen Sinn für Humor hat.

Bruno Dumont, der eigensinnige Regisseur von Cannes-Filmen wie L’humanité, Flandres oder Hors Satan, aber auch Camille Claudel 1915 mit Juliette Binoche, ist der letzte, von dem man erwartet hätte, dass ihn eine Fernsehserie reizen könnte. Dumont ist ein Mann der grossen Tableaus, der leeren Landschaften, des Windes und des französischen Nordens. Aber nach Jane Campions Top of the Lake wollte auch Arte den Versuch wagen und gab Dumont mehr oder weniger carte blanche für einen Vierteiler.

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NIFFF 14: CALVARY von John Michael McDonagh

Tochter Fiona (Kelly Reilly, Father James (Brendan Gleeson) © Ascot-Elite
Tochter Fiona (Kelly Reilly), Father James (Brendan Gleeson) © Ascot-Elite

Im Beichtstuhl erfährt Father James Lavelle von einem Mann aus seiner Gemeinde, dass dieser als Kind von einem Priester missbraucht worden sei. Der Täter sei längst verstorben, aber nun werde er, der Beichtende, am darauf folgenden Sonntag Father Lavelle umbringen. Denn nur der Tod eines guten Priesters könne die gleichgültige Welt noch aufrütteln.

Filme mit Brendan Gleeson sind grundsätzlich sehenswert. Und Filme von John Michael McDonagh mit Brendan Gleeson sind spätestens seit dem grossartigen The Guard absolut unumgänglich. Aber Calvary ist in mehrfacher Hinsicht eine Überraschung: Der Film unterläuft die meisten Erwartungen, er ist thesenhaft, dialoglastig, intelligent und – grossartig. „NIFFF 14: CALVARY von John Michael McDonagh“ weiterlesen

NIFFF 14: DER SAMURAI von Till Kleinert

Der Samurai © salzgeber.de
Der Samurai © salzgeber.de

Es ist so wenig los rund um die deutsche Kleinstadt, in der Polizist Jakob aufgewachsen ist, dass er sogar angefangen hat, heimlich den Wolf zu füttern, der neuerdings durch die Gegend streift. So lange er ihn füttert, lässt er ja vielleicht die Hunde und den Abfall in Ruhe. Aber dann kommt aus dem Wald eine neue Figur: Ein Mann in langem weissem Kleid, mit aufreizenden Kinski-Lippen, blonder Mähne und mit einem Samurai-Schwert.

Pit Bukowski spielt den schweigsam-spöttischen Schwertkämpfer mit einem Gesicht und einer Intensität, die extrem an Klaus Kinski erinnern. Er ist viel mehr als nur die Antithese zum jungen Ordnungshüter, wenn er gepützelte Vorgärten zerstört, im Monroe-Kleid gegen die Motorrad-Gang antritt und dabei die Leichtigkeit und Überlegenheit eines Erzengels ausstrahlt. „NIFFF 14: DER SAMURAI von Till Kleinert“ weiterlesen

NIFFF 14: BLIND von Eskil Vogt

'Blind': Ellen Dorrit Petersen als Ingrid
‚Blind‘: Ellen Dorrit Petersen als Ingrid

Eine kürzlich erblindete Frau imaginiert sich ihre Welt neu: Gefährlicher, zynischer, erschreckender. Vor allem aber einfach weniger langweilig. Keine schlechte Ausgangslage für einen Film. Und was der Norweger Eskil Vogt daraus gemacht hat, müsste nächsten Samstag mit einem der Preise des NIFFF ausgezeichnet werden. Am besten mit dem Hauptpreis.

Ingrid bewegt sich noch sehr unsicher in ihrer neuen Wohnung im vierten oder fünften Stock. Ihr Mann sagt ihr zwar, die Räume seien sehr hoch und grosszügig, aber sie kann sich das nicht wirklich vorstellen. Dabei ist das fast ihre einzige Beschäftigung seit sie erblindet ist. Sie stellt sich die Orte und Menschen und Dinge vor, die sie früher gesehen hat. Und dann beginnt sie, diese Realität im Kopf zu manipulieren.

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NIFFF 14: THE HARVEST von John McNaughton

'The Harvest' Michael Shannon
Michael Shannon in ‚The Harvest‘

Ein Mädchen, das zu seinen Grosseltern gezogen ist, weil es beide Eltern verloren hat, freundet sich mit dem kranken Jungen im eben so einsam gelegenen Nachbarshaus auf der anderen Bachseite an. Abgesehen davon, dass der Junge offenbar sein ganzes Leben in dem Haus verbracht hat, ohne Freunde, im Bett und im Rollstuhl, wirken auch seine Eltern überraschend abweisend.

Genrekino hat oft einen Kreuzworträtsel-Effekt: Man hält sich an die Regeln und füllt die Kästchen aus. John McNaughton macht keine Kreuzworträtsel. Mit Henry – Portrait of a Serial Killer hat er 1986 eher ein Genre begründet, mit Mad Dog and Glory (1993) zwei weitere parodistisch zusammengeführt und mit Wild Things schliesslich 1998 eine Art Sex-Krimi-Rubiks-Cube gebastelt, der in seiner frechen Konstruiertheit noch immer unübertroffen ist. „NIFFF 14: THE HARVEST von John McNaughton“ weiterlesen

NIFFF 14: IT FOLLOWS von David Robert Mitchell

'It Follows' Jake Weary und Maika Monroe
‚It Follows‘ Jake Weary und Maika Monroe

Die Angst vor Sex treibt im amerikanischen Horrorfilm immer neue Blüten – und nicht alle sind so ironisch wie das rituelle Abschlachten hormonell gesteuerter Teenager in den vielen Genre-Variationen. It Follows ist so unironisch wie nur möglich und wurde gerade darum in Cannes schon vor seiner Premiere an der Kritikerwoche als Erneuerung des amerikanischen Horrorfilms gefeiert.

Das Drehbuch vereinigt geschickt ein paar klassische Horrormechanismen. Die 19jährige Jay ist eine vernünftige junge Frau mit einem verlässlichen Freundeskreis. Den freundlichen Hugh kennt sie schon eine Weile und nach ein paar Dates und einem abgebrochnen Kinobesuch lässt sie sich auf Sex im Auto ein. Ein paar Minuten darauf wird sie von dem jungen Mann mit Äther betäubt und findet sich alsbald gefesselt in einem Rollstuhl in einer alten Industriehalle wieder. „NIFFF 14: IT FOLLOWS von David Robert Mitchell“ weiterlesen

NIFFF 14: THESE FINAL HOURS von Zak Hilditch

'These Final Hours' Nathan Philips
Nathan Philips on the road in ‚These Final Hours‘

Fünfundreissig Jahre nach Mad Max hat Australien wieder einen Endzeithelden. Vergleichbar ikonisch wird dieser James nicht werden, dafür ist er zu realistisch. Aber Zak Hilditch ist hier dank konsequenter Reduktion ein eindrücklicher Film gelungen.

Die letzten paar Stunden der Menschheit sind angebrochen. In Australien wird die nicht näher bestimmte Feuerwalze in ein paar Stunden eintreffen. Viele bringen sich und ihre Angehörigen um, andere legen jede Hemmung ab. James hat eben seine schwangere Freundin verlassen, um mit seinen Freunden und der anderen Freundin ein zügellose Endzeit-Orgie zu feiern. Saufen, Sex und Pillen bis zum Ende. „NIFFF 14: THESE FINAL HOURS von Zak Hilditch“ weiterlesen

NIFFF 14: THE ZERO THEOREM von Terry Gilliam

Betriebsärzte Ben Whishaw, Sanjeev Bhaskar und Peter Stormare © Ascot-Elite
Betriebsärzte Ben Whishaw, Sanjeev Bhaskar und Peter Stormare © Ascot-Elite

In London feiern die Monty Pythons derzeit ein Wiedersehen mit sich und ihrem Publikum. Und Terry Gilliam, der natürlich auch dabei ist, hat zur NIFFF-Eröffnung mit seinem jüngsten Film eine kurze Video-Begrüssung geschickt: Als er und Autor Pat Rushin The Zero Theorem als Filmprojekt entwickelten, so Gilliam, sei das noch Science Fiction gewesen. Unterdessen habe die Realität aufgeholt.

Das mag sein, aber im Prinzip ist The Zero Theorem vor allem Nostalgie. Bei der Welturaufführung am Filmfestival in Venedig letzten Herbst reichte es gerade für eine spezielle Erwähnung beim „Future Film Festival Digital Award“. „NIFFF 14: THE ZERO THEOREM von Terry Gilliam“ weiterlesen