NIFFF 14: THE ZERO THEOREM von Terry Gilliam

Betriebsärzte Ben Whishaw, Sanjeev Bhaskar und Peter Stormare © Ascot-Elite
Betriebsärzte Ben Whishaw, Sanjeev Bhaskar und Peter Stormare © Ascot-Elite

In London feiern die Monty Pythons derzeit ein Wiedersehen mit sich und ihrem Publikum. Und Terry Gilliam, der natürlich auch dabei ist, hat zur NIFFF-Eröffnung mit seinem jüngsten Film eine kurze Video-Begrüssung geschickt: Als er und Autor Pat Rushin The Zero Theorem als Filmprojekt entwickelten, so Gilliam, sei das noch Science Fiction gewesen. Unterdessen habe die Realität aufgeholt.

Das mag sein, aber im Prinzip ist The Zero Theorem vor allem Nostalgie. Bei der Welturaufführung am Filmfestival in Venedig letzten Herbst reichte es gerade für eine spezielle Erwähnung beim „Future Film Festival Digital Award“.

Zero Theorem - Foto - 14 - Scene Picture

Christoph Waltz spielt mit Hingabe und ohne Haare den „Number Cruncher“ Qohen Leth, der zunächst im Betrieb und dann in Heimarbeit in einer ausgebrannten Kirche den mathematischen Beweis dafür sucht, dass das Universum sinnlos sei.

Das eine Paradox dabei besteht darin, dass sein Arbeitgeber, das Management, der Meinung ist, Chaos sei das ideale Geschäftsmodell, beziehungsweise natürlich die dagegen anzubietenden Ordnungsprinzipien. Und das andererseits Qohen selbst nur noch eine einzige Lebensmotivation kennt: Er wartet auf einen Telefonanruf, der ihm den Sinn des Lebens erklären würde. Darum will er auch zuhause arbeiten, um den Anruf nicht zu verpassen.

Zero Theorem - Foto - 12 - Scene Picture,

Das wäre als Kurzfilm wahrscheinlich prägnanter, auf epische Gilliam-Länge von 107 Minuten ausgedehnt funktioniert das Konzept nur noch bedingt und nur dank der gewohnt überbordenden Giliamschen Steampunk-Ausstattung und den diversen Kurzauftritten exzellenter Seitendarsteller.

Am schönsten ist dabei einmal mehr der Auftritt von Tilda Swinton. Wie schon in Snowpiercer spielt sie mit falschen Zähnen und irrer Diktion eine hinreissende Karikatur, die virtuelle Psychoanalytikerin ShrinkROM.

Bainsley (Mélanie Thierry), Qohen (Christoph Waltz) © Ascot-Elite
Bainsley (Mélanie Thierry), Qohen (Christoph Waltz) © Ascot-Elite

Die schöne Melanie Thierry dagegen hat wenig Gelegenheit, ihr Talent zu entfalten. Ihre Rolle ist die eines online-Callgirls, das Qohen im Auftrag des Managements leistungsfähig halten soll – und sich in den Sonderling verliebt. Als Kleiderständer für Fetisch-Gugus ist die Französin eher verschwendet. Auch wenn ihr mit Christoph Waltz dann doch ein paar rührende Momente gelingen.

David Thewlis, Ben Wishaw und Matt Damon befeuern dann eher wieder den Nostalgie Effekt, wenn man sie in Kurzauftritten sieht, die allesamt vor allem auf das gilliamsche Gesamtwerk verweisen – durchaus effektvoll und eindrücklich.

Qohen (Christoph Waltz), Bob (Lucas Hedges)
Qohen (Christoph Waltz), Bob (Lucas Hedges) © Ascot-Elite

Den interessantesten Part bei weitem hat der junge Lucas Hedges. Er spielt den Digital Native, das Whizz-Kid, den Sohn des Chefs, den einzigen, der sich dem System von Marionetten und Überwachung entzieht – indem er sich systemrelevant macht und beweglicher als die anderen. In seiner Begegnung mit dem ausgebrannten Qohen liegt das einzige wirklich frische Potential dieses Films. Und das kommt nur in wenigen Szenen gegen Ende zum Tragen.

Zero Theorem - Scene Picture © Ascot-Elite

The Zero Theorem ist eine Art Terry-Gilliam-Revue, ein steampunk-nostalgisch ausgelegter Heimwehtrip nach Brazil. Da aber die zentralen Themen von Überwachung, Sinnsuche, Ausbeutung und Manipulation hier dermassen auf Chiffren reduziert eingesetzt werden, stellt sich weder die Beklemmung von Brazil ein, noch ein nachhaltiger Aha-Effekt.

Ich hatte eher das Gefühl, wieder einmal in einem prächtig-unheimlichen Bilderbuch aus früheren Tagen geblättert zu haben.

The Zero Theorem soll in der Deutschschweiz Ende November 2014 ins Kino kommen.

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