DER RISS IN DER LEINWAND von Thomas Meier

Meier Thomas Der Riss in der Leinwand

Lange Zeit gab es nur noch wenige neue Einträge auf meinem Schweizer Lieblingsfilmblog, Sakkaden von Thomas Meier. Meier, Teilzeitlehrer in der Fantoche-Stadt Baden, hat mich fasziniert mit seiner ziemlich unkonventionellen Art, an die neuen Filme heranzugehen, seine Filmbesprechungen waren Kurzgeschichten über Kinogänger, sein kinogehendes Alter Ego und die Frauen und Männer, die ihn ins Kino begleitet haben – oder auch nicht. Das machte seine Texte zugleich persönlicher und universeller, denn diese Kinoerlebnisse waren wirklich solche: Filme, die ins Leben eindringen, bzw. Leben, die sich vom Kino vereinnahmen, verändern liessen. Unterdessen weiss ich, warum Meier nur noch selten gebloggt hat in den letzten Monaten, denn mittlerweile ist sein Roman erschienen, Der Riss in der Leinwand, ein Erstling, der das Prinzip der Blog-Kurz-Geschichten konsequent umsetzt in die lange Form.

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Animation vs. Live Action an der LIAA

'Street of Crocodiles' von den Brothers Quay
'Street of Crocodiles' von den Brothers Quay

In Luzern traf sich diese Woche die Crème de la crème der Animationsfilmszene zur Lucerne International Animation Academy LIAA. Weil ich mit regulärer Radioarbeit eingedeckt war, habe ich Szene-Stars wie die Brothers Quay oder Priit Pärn aus Talinn verpasst, aber auch etliche der angefressenen Theoretiker und Praktiker aus den Schulen und Studienzentren. Gestern nun habe ich es doch noch ins Bourbaki-Kino geschafft, zu einer etwas handgestrickten Selbst-Präsentation der Animationsabteilung der Hochschule Luzern (die sich mit der Organisation der LIAA ein professionelleres Zeugnis ausgestellt hat als mit dieser Plauderrunde), vor allem aber zu einer nicht ganz klar definierten, dafür um so anregenderen Veranstaltung mit den beiden Animationsfilmprofis Gil Alkabetz (u.a. Potsdam-Babelsberg) und Jerzy Kucia aus Krakau.

Jerzy Kucia, Gil Alkabetz
Jerzy Kucia, Gil Alkabetz

Um die specifics of storytelling and dramaturgy in animation sollte sich der Dialog der beiden drehen. Tatsächlich bewegte sich das Ganze dann aber in eine weitaus spannendere Richtung: Was unterscheidet die Rezeption von Animation und von Live Action? Schon die Arbeitsthese von Alkabetz hatte es in sich: Animation funktioniere grundsätzlich metaphorisch, es sei fast unmöglich, mit den Mitteln des Animationsfilms etwas zum Nennwert (oder Schauwert) darzustellen. Was heisst das nun?

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Roger Moore autobiografisch

moore autobio cover

Er habe sich lange gesträubt, seine Autobiografie zu schreiben, behauptet Roger Moore im Vorwort zu eben dieser. Und ein erster Versuch sei ihm samt Gepäck ohnehin einmal geklaut worden, bzw. der Computer, auf dem das drauf war. Aber nun liegt sie vor, auf Deutsch, und knapp 380 Seiten stark, so dass jedes Lebensjahr des 1927 geborenen Briten rund 4,6 Seiten abbekommt. Moore bleibt seinem sonnigen Image treu, breitet keinen Schmutz aus, hat fast nur Gutes zu erzählen über die Menschen in seinem Leben. Und er beschränkt sich grundsätzlich auf eine lange Anneinanderreihung von Anekdoten. Dass sich das, hat man sich erst mal durch die langweiligen Jugend- und Kindheitskapitel durchgeackert, trotzdem ganz vergnüglich liest, liegt vor allem an der Selbstironie des Mannes.

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Abschied eines Filmkritikers von der Filmkritik

che NZZ

Christoph Egger ist/war der letzte „hauptamtliche“ Filmredaktor der leider bereits legendären Filmredaktion der Neuen Zürcher Zeitung NZZ. Jahrzehntelang hat er die Tradition der fachlich fundierten Kritik, des kritischen Kulturjournalismus und der sorgfältigen Begleitung des einheimischen und globalen Filmschaffens gepflegt. Christoph Egger war es auch, der mir kurz nach meinem Studium, als ich mich als Filmjournalist selbständig machte, den (gelegentlichen) Sprung von der Lokalzeitung ins nationale Feuilleton ermöglichte. Sein revolutionäres Kürzel che. und seine wohlüberlegte, besonnene Art, an die Themen heranzugehen, habe ich immer als witzigen Kontrast empfunden. Jetzt aber geht auch bei der NZZ eine Ära zu Ende, Christoph Egger wird frühpensioniert, die Filmredaktion der NZZ, die schon in den letzten Jahren massiv zusammengestrichen wurde, hört faktisch auf zu existieren.

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Strukturwandel im Kinogewerbe

arthousepathekultkino

Während im Konsumgütersektor die Kauflust mit der globalen Finanzkrise abgenommen hat, verzeichnen Kinobetriebe, vor allem in den USA, steigende Zuschauerzahlen. Das bedeutet allerdings keineswegs, dass das Kinogewerbe krisenresistent wäre, im Gegenteil: Die Kinokrise ist seit vielen Jahren Dauerzustand. Michael Sennhauser unterhält sich mit Schweizer Kinobetreibern über steigende Zuschauerzahlen, sinkende Werbeschaltungen, die Verflachung des Filmangebots, die Digitalisierung, ihre Möglichkeiten und Gefahren. Gesprächspartner sind: Beat Käslin, Arthouse Kinos Zürich, Romy Gysin, Kultkino Basel, Brian Jones, General Manager Pathé Schweiz, sowie Laurent Steiert, BAK.

Saugen: Reflexe Strukturwandel Kino (Rechtsklick für Download)
Hören: [audio: http://pod.drs.ch/mp3/reflexe/reflexe_200904221335_10077699.mp3]

Watchmen: Kurzkritik als Mono-Comic

Watchmen Cartoon Review (c) Kyle Cummings
Watchmen Cartoon Review (c) Kyle Cummings

Hübsche Idee, sehr hübsch umgesetzt. Kyle Cummings hat die Watchmen gelesen, gesehen und ge-kommentiert. (via Ambrose Herons FILMdetail).

Ein Obama für den Schweizer Film? Bideau unter Feuer.

Im Blog auf seiner mittlerweile ganz schön vielfältigen Website zum Schweizer Film fragt Filmcutter, -Technik-Tüftler und Webfilmverkäufer Matthias Bürcher, wo denn der Obama des Schweizer Films bleibe. Natürlich wird sich der Name Obama als Symbol für Hoffnung in den nächsten Wochen schnell abnützen. Und natürlich ist die Forderung nach einem einzelnen Hoffnungsträger immer eher zwiespältig. Aber der Kommentar von Matthias fasst etliche wunde Punkte der Bideauschen Filmpolitik sehr schön zusammen.

Stammelblog und Podium

Zur Zeit läuft nicht gerade viel auf diesem Blog. Das hat vor allem mit den technischen Hürden der letzten Wochen zu tun. Wir sind aber an der Arbeit, und wenn alles klappt, wird Sennhausers Film Blog demnächst auf einer neuen Plattform laufen (aber auch weiterhin am vertrauten Ort zu finden sein). Bis dahin stehen noch die Solothurner Filmtage an nächste Woche, und da geht es unter anderem auch ums Bloggen:

Solothurner Filmtage – Das Podium

Im Rahmen der Solothurner Filmtage laden wir Sie am Donnerstag, 22. Januar 2009, von 12.00 -13.30 Uhr ins Stadttheater Solothurn zum art-tv/SVFJ-Podium «Print-Profis versus Blog-Banausen» ein. Ein verbaler Match zwischen Filmliebhabern, die ihr Wissen gratis feilhalten und jenen, die (noch) davon leben wollen. Der Eintritt ist frei! Infopdf hier.

Wo gehört die Filmkritik hin?

(Gastro-) Kritiker Ego aus Pixars Ratatouille
(Gastro-) Kritiker Ego aus Pixars 'Ratatouille'

Jetzt läuft die Diskussion wieder. In der Berliner Zeitung meint Kollege Josef Schnelle, die schnelle Blog-Kritik im Web zersetze die seriöse Auseinandersetzung mit dem Kino. Der Filmtagebuchblogger antwortet darauf, und schon läuft die Diskussion. Und wo läuft sie? Im Web natürlich… Im Perlentaucher geht es weiter. Ich finde es ja durchaus angebracht, dass wir Filmjournalisten uns mit unserer Arbeit und unseren Medien auseinandersetzen. Wer genau was wo lesen möchte, müssen wir aber schon dem Publikum selbst überlassen, bzw. unsere Arbeit so machen, dass sich die Frage gar nicht stellt. Und sollte sie sich doch stellen, gibt es ja nur eine richtige Antwort: Filmkritik gehört ins Radio. Oder?

(via basicthinking blog)

Comrades in Dreams

Comrades in Dreams (c) trigon-film
Comrades in Dreams (c) trigon-film

Ein Dokumentarfilm über Kinobetreiber: Da sollte uns ja das Herz aufgehen. Der (Ost-) Deutsche Uli Gaulke hat sich allerdings nicht die industrialisierten Kinopaläste ausgesucht, sondern vier Verteidiger des traditionellen Kinoerlebnisses. Comrades in Dreams führt uns nach Burkina Faso, nach Indien, nach Nordkorea und in die Tiefe der amerikanischen Provinz. Das ist ein sorgfältig und klug gebauter Dokumentarfilm, Gaulke zeigt den indischen Zeltkinobetreiber, die drei cinéphilen Jungunternehmer in Burkina Faso, die linientreuen nordkoreanischen Filmvorführer und die über Familientragödien in ihr Provinzkinogeschäft geschlidderte Amerikanerin in erster Linie als Menschen, die den Traum vom Kino in harter Arbeit am Leben halten. Offenbar hat Gaulke

(gemäss einem Interview im aktuellen gedruckten filmbulletin) bei seinen Recherchen noch etliche andere Kinobetreiber besucht und sich dann schliesslich auf diese vier konzentriert: Asien, Indien, Afrika, Nordamerika. Und ein eigenartiger roter Faden führt durch den Film: Es ist James Camerons Titanic, der zeitgenössische Inbegriff des Hollywoodschen Überwältigungskinos. Die indischen Landbewohner können mit dem Film nichts anfangen, die Afrikaner lieben ihn wie die Amerikaner und die Koreaner haben keine Chance, ihn je zu sehen zu kriegen. Und für mich persönlich ist Titanic auch ein Berührungspunkt zu Gaulkes Film. Oder eben nicht. Denn mir geht es mit „Comrades in Dreams“ wie es mir seinerzeit mit Titanic erging: Ich sehe das Konzept, ich verstehe die Attraktion, die es auf sein potentielles Publikum ausübt, allein, ich bleibe draussen, bei mir fliegt der emotionale Funke nicht. Insofern ist „Comrades in Dreams“ für mich zur Knacknuss geworden. Schliesslich bin ich cinéphil, kinoverrückt, filmsüchtig und ich habe den gleichen Hang zur Nostalgie wie die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen, die das Kino noch in seiner Zeit als Traumpalast erlebt haben. Aber bei diesem Dokumentarfilm geht mir das alles nur im Kopf auf und nicht im Herzen. Liegt es am klaren Konzept? Liegt es daran, dass für die Protagonisten ihr Kino nicht nur Traum und Hobby ist, sondern auch Beruf und Lebensunterhalt, also Geschäft? Auch bei Titanic hat mir konzeptuell alles eingeleuchtet, die süssliche Liebesgeschichte, das überspitzte Klassendrama. Und doch fragte ich mich von Anfang an, wo das Drama liegt in einem Film der eine der bekanntesten Sensationsgeschichten der Welt erzählt.

„Comrades in Dreams“ ist ganz offensichtlich ein gut gemachter, gezielt auf den Punkt gebrachter Film. Und ich bin überzeugt, dass er für die meisten Leute auch funktionieren dürfte. Ich habe mein Herz einfach schon früher verloren an die Kinokinofilme The Last Picture Show von Peter Bogdanovich (und die eigenartige Fortsetzung Texasville), an Ettore Scolas Splendor (und nicht etwa an den schamlos süsslichen Nuovo Cinema Paradiso), oder Joe Dantes Matinée.

Comrades in Dreams läuft ab 7. August im Kino in der Deutschschweiz. Spielorte und Information: trigon-film.