Locarno 15: RICKI & THE FLASH von Jonathan Demme

Meryl Streep  in 'Ricki and the Flash' © Sony Pictures
Meryl Streep in ‚Ricki and the Flash‘ © Sony Pictures

Meryl Streep als alternde Rockröhre Ricki, das ist schon mal ein Genuss. Und Meryl Streep als Rabenmutter, die ihre Kinder und ihren Mann für ihren Rockstar-Traum verlassen hat, das geht zu Herzen. Zumal Streeps echte Tochter Mamie Gummer ihre mittlerweile erwachsene, eben von ihrem Mann verlassene und vor Wut fast platzende Filmtochter spielt.

Regisseur Jonathan Demme (The Silence of the Lambs) reiht eine grossartige Szene an die nächste. Das peinliche Familientreffen im Nobelrestaurant, wo alle einander die Kappe waschen. Eine nächtliche Küchenszene, wo sich die kiffende Ricki und ihr von Kevin Kline mit unnachahmlich entspannter Steifheit gespielter Ex wieder näher kommen. Und natürlich die Auftritte von Ricki mit ihrer Band The Flash (mit Rick Springfield an der Gitarre): Alles grossartig, von den Schauspielern bis zum treibenden Schnitt. Bloss ein runder Film ist daraus nicht geworden, zu widersprüchlich ist die Figurenzeichnung, zu Hollywood der versöhnliche Schluss. Macht nichts: It’s only Rock’n’Roll – and we like it.

Julie (Mamie Gummer) Ricki (Meryl Streep) © Sony Pictures
Julie (Mamie Gummer) Ricki (Meryl Streep) © Sony Pictures

Warum auch nicht? Zunächst ist da der Anfang, mit Ricki und ihren Mannen beim Abrocken im abgehalfterten Rockschuppen. das Publikum ist Stammpublikum und so alt wie der Laden. Aber die Musiker … die sind Weltklasse. Dass die in dieser Bar hängen geblieben sind, und dass Ricki sich ihr Geld an der Kasse eines Bio-Supermarktes verdient, das erfährt man erst später. Denn zunächst hört und sieht man da Rick Springfield und drei weitere Spitzenrocker, denen Meryl Streep als Sängerin nichts schuldig bleibt. Zumindest nicht beim Ausdruck und der musikalischen Phrasierung – stimmlich ist sie keine Janis Joplin. Aber selbst das geht vergessen, denn Jonathan Demme kann Musiker inszenieren wie nur wenige. das hat er vor Jahren mit den Talking Heads und Stop Making Sense bewiesen und dann immer mal wieder von neuem.

Meryl Streep, Rick Springfield und Regisseur Jonathan Demme auf dem Set
Meryl Streep, Rick Springfield und Regisseur Jonathan Demme auf dem Set

Vielleicht liegt da aber auch das Problem des Films begraben: Es bleibt der Eindruck, Demme habe genau diese Szenen unbedingt filmen wollen. Und alle anderen dann zum Vergnügen mit seinen eben so vergnügten Schauspielerinnen und Schauspielern treu nach Diablo Codys Drehbuch inszeniert, wie einen kleinen Sketch nach dem nächsten.

Codys Dialoge funktionieren als Binnenstücke wunderbar, gehen in manchen Szenen ganz schön an die Schmerzgrenze. Aber die Effekte löschen sich gegenseitig. Wenn Ricki sich als Bush-Wählerin und Republikanerin entpuppt, ist das zwar ein stimmiger Gag und eine nette, realitätsnahe Umkehrung des Images vom Rock’n Roll Rebel. Aber es gibt nichts her für die Story, für die Entwicklung der Figuren.

Eben so wenig wie Kevin Klines liebenswert steifer Geschäftsmann mit seiner Edelvilla in einer Gated Community oder die vielen Seitenhiebe auf Mode-Veganer, glutenfreie Nahrungsmittel oder oekofreundliche Hochzeitsfeiern.

Ricki and the Flash ist eine Nummernrevue, welche das Konzept der versöhnlichen Familiendramen immer wieder gegen den Strich bürstet, es aber gleichzeitig in seiner Gesamtheit nachahmt. Vielleicht ist das die Pointe des Unternehmens. Aber was bleibt ist eben einfach purer Rock’n Roll und damit vor allem ein immer weniger fassbares kurzfristiges Lebensgefühl.

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