NIFFF 17: BITCH von Marianna Palka

Regisseurin Marianna Palka in der Titelrolle © Company X

«She has turned into a real bitch!» Der Satz fällt glücklicherweise nie in diesem Film. Aber er ist die Kernprämisse für das ganze kalkuliert hysterisch umgesetzte Drehbuch. Eine Frau wird zur Hündin.

Die ursprünglich aus Schottland stammende Marianna Palka ist Schauspielerin und Filmemacherin in New York. Ins Extreme gedachte Frauenrollen stehen im Zentrum ihrer Arbeit.

In Bitch spielt sie nun eine an sich unspielbare Titelrolle, die us-amerikanische Hausfrau mit vier Kindern und einem fremdgehenden Manager-Mann, die am Perfektionsdruck zerbricht.

In den ersten Szenen des Films versucht sie sich mit einem Hosengurt ihres Mannes am Wohnzimmerleuchter zu erhängen. Der Leuchter hält natürlich nicht, und so findet sie ihr Mann am Abend im Bett, den Gürtel noch um den Hals: «Is that my belt?» fragt er leicht erstaunt. Aber darüber hinaus fällt ihm einmal mehr nichts auf und nichts ein.

Zwei Tage später ist es dann so weit. Die Frau ist plötzlich verschwunden, die Kindern mutmassen dem Vater gegenüber, sie habe ihn wohl verlassen – dann wollen sie zur Schule gefahren werden. Am Abend finden sie die Mutter dann im Keller des Hauses. Sie ist nackt, mit Kot beschmiert und äusserst agressiv auf allen vieren. Die funktionierende Mama hat sich in eine extrem gereizte Hündin verwandelt.

Nun ist das ein wunderbar stimmiges Bild für die aggressive Verweigerung, die bei der Frau einsetzt. Und in der Umsetzung der Konsequenzen ihres Verhaltens bedient sich der Film denn auch vor allem bei den Standardklischees. Der Mann ist beleidigt und überfordert; es stellt sich heraus, dass er keine Ahnung hat vom familiären Alltag, weder die Schulen der Kinder kennt, noch die alltäglichen Bürden seiner Frau.

Aber im Kontrast zum realistischen Bild der nackten, mit ihrer eigenen Scheisse beschmierten bellenden, knurrenden und Zähne bleckenden Frau, welche die Regisseurin im Keller spielt, ist der von Jason Ritter verkörperte Mann eine Jim-Carrey-Karikatur des nutzlosen amerikanischen Karriere-Managers. Eine Rollen-Interpretation, die wohl von Ritters stupender Ähnlichkeit mit Carrey beeinflusst wurde, die aber zum Bumerang wird.

Jason Ritter als völlig überforderter Vater in ‚Bitch‘ © Company X

Die komische Künstlichkeit der Familienkarikatur verträgt sich schlecht mit der ungeschminkten Wahrheit im Keller. Die vier Kinder, zwei Teenager und zwei kleinere, je aufgeteilt in Mädchen und Jungen, sind eine Art Brady Bunch ohne deren Freundlichkeit.

Vor allem die von Brighton Sharbino («The Walking Dead») gespielte Teenie-Tochter macht das konzeptuelle Dilemma dieses von Elijah Wood mitproduzierten Filmes deutlich: Barbie-Klischees und ungewaschener Realismus ergänzen sich nicht. Der angepeilte Kontrast macht vor allem die Schwächen der Klischee-Darstellungen sichtbar.

Brighton Sharbino und Jason Ritter in ‚Bitch‘ © Company X

Gerade der Tochter müsste die Rolle ihrer Mutter, ihre Verweigerung und ihr Rückzug als Spiegel ihrer eigenen Zukunft deutlich unheimlicher sein, als es die Regie zulässt. Die Kinder sind zunächst vor allem die Agenten, welche die Hilflosigkeit des Vaters betonen. Und als dieser sich schliesslich aufrappelt und wirklich zum fürsorglichen Papi wird, läuft der Film in sein eigenes Messer – oder in die Falle der unbezwingbaren US-Optimismus.

So bleibt von Bitch eigentlich nur der bestechende Grundeinfall und allenfalls das Bild der verdreckten, knurrenden, bellenden nackten Frau im Keller. Das allerdings in aller Stärke, vor allem darum, weil es das pure Gegenteil aller vergleichbarer Filmbilder verkörpert. Diese Bitch im Keller ist nicht mehr gefangenes Opfer, sondern die pure, triumphierende Wut der Verweigerung.