ROSSOSPERANZA von Annarita Zambrano 

©Mad Entertainment

Die Villa Bianca ist eine Art Hogwarts für verlorene Teenager aus reichen Familien.

In diesem Luxusinternat wurden Nazzarena, Marzia, Alfonso und Adriano von ihren Elite-Eltern zusammen mit etlichen anderen unglücklichen, verstörten Jugendlichen zur «Normalisierung» geparkt.

Verortet ist der Film im Jahr 1990, also zwei Jahre nach dem Ende der «Brigate rosse» und 33 Jahre bevor die Faschisten in Italien wieder an die Macht kommen sollten.

Daniela Marra ©Mad Entertainment

Dass die Jahreszahl als Label im Zentrum einer roten Vinylplatte auftaucht, verortet indirekt die Kulturperiode. Nazzarena, kurz Zena, legt auf bei einer Party der verlorenen Kinder. Ihren Plattenkoffer trägt sie dauernd mit sich.

Überhaupt sind die ersten Minuten des Films überraschend kreativ gestaltet. Bei Nacht und Nebel flüchten vier Jugendliche aus einem Schlosspark, in dessen Wald Jäger und ein Tiger unterwegs sind.

Dieser Prolog mischt verschiedene Elemente der nachfolgenden Filmsequenzen, die wiederum zwischen der Gegenwart der Jugendlichen in der Erziehungsvilla und ihren jeweiligen mörderischen Austick-Extravaganzen gegen ihre dekadenten Familien hin- und herspringen.

So einfallsreich das inszeniert und montiert ist, so simpel bleibt letztlich das Konzept. Wir erfahren, worin die Erniedrigungen und Verlorenheiten der jungen Leute bestehen und wir nehmen an ihrer Rache teil. Das erinnert an die Ablaufsmechanik routinierter Horrorfranchises: I know what you did last Summer.

Dabei ist die Zeichnung der herrschenden Klasse, ihrer Dekadenz, Verkungelung und Skrupellosigkeit weit über die Karikatur hinaus gezeichnet. Der Einfallsreichtum der Gestaltung, bis hin zu einer in Blut gezeichneten, sehr schönen Animationssequenz, fällt ab gegenüber der Substanz des Films.

Schliesslich sind es gerade die Zitate oder das Echo kultureller Wegmarken, mit denen sich der Film von Zambrano übernimmt.

Am deutlichsten mit einer Szene, in denen die Jugendlichen auf allen Vieren im Kreis über den Rasen kriechen müssen, während sie skandieren sollen, sie seien keine Tiere – Teil des «Normalisierungspgramms»:

Die Szene ruft eine der ikonischen Sequenzen aus Pasolinis Faschismus-Parabel  Salò o le 120 giornate di Sodoma ab und entlarvt damit leider die eigene Banalisierung:

Pier Paolo Pasolini: ‚Salò o le 120 giornate di Sodoma‘ (1975)

Am Ende hatten die Jugendlichen ihre Rache, und der Tiger streift frei durch Italien.

Worin die Rossosperanza, die rote Hoffnung des Titels, liegen könnte, dahingehend bleibt Filmemacherin Annarita Zambrano vage. Vielleicht ist tatsächlich einfach die Farbe des Blutes gemeint.

Annarita Zambrano © Matias Indjic

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