NÄHTAMATU VÕITLUS (The Invisible Fight) von Rainer Sarnet

©Homeless Bob Production

Als « Kung Fu Komödie in einem orthodoxen Kloster in der Sowjetunion der 1970er Jahre» verkauft Rainer Sarnet aus Estland seinen Film.

Das schürt Erwartungen, und die löst er grossartig ein, in den ersten fünfzehn Minuten.

Da springen mongolisch beschnauzte Rocker zum dröhnenden Sound von Black Sabbath von Baumwipfel zu Baumwipfel, Kampfmönche im Shaolin-Stil.

Das Wirework ist nicht ganz auf der Höhe, aber das soll es auch nicht sein. Es markiert einen Stimmung, wie auch die einschlägigen Zwischentitel wie «Die erste Prüfung», «Der Dämon erwacht» etc.

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Was Sarnet hier inszeniert, sind adoleszente Wunschträume aus den 1970er Jahren, als Bruce Lee, Ozzie Osborne, ein feuerroter Lada, Nunchuks, Luftgitarre und die Frau hinter dem Tresen der Kolchosenflaschensammelstelle zu einem einzigen Traum verschmelzen konnten.

Und das alles kostet er auch voll aus. Die drei Kungfu-Rocker springen an der sowjetisch-chinesischen Grenze über die Mauer und erledigen in einer furiosen Schlägerei die gesamte Besatzung eines sowjetischen Grenz-Forts. Bis auf einen einzigen jungen Soldaten.

«Gott hat dich für etwas höheres vorgesehen», ruft ihm sein sterbender Offizier noch nach. Dann finden wir den nicht allzu hellen Jungen auf dem Pfad der Erleuchtung. Und auf der Suche nach einem Lehrmeister.

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Den findet er denn auch, als die Madonna seine ferrarirote Rennplaste vor einem russisch-orthodoxen Kloster zusammenbrechen lässt. Denn der weise Obermönch ist nicht nur weise, sondern auch umgeben von Untermönchen, die den einen oder anderen Kungfu-Trick drauf haben, und etliches mehr.

117 Minuten sind dann allerdings etwas gar viel für spirituell unterfütterte gute Laune und endlose Kampfszenen zwischen Slapstick, sowjetischem Propagandastil, John Waters’ Cry Baby und Pop-Art mit Wes-Anderson-Kolorierung via Aki Kaurismäki.

Das hat auch damit zu tun, das der Filmemacher mit seiner Theatererfahrung das nicht alles als reinen parodistischen Ulk versteht. Die Szenen sind unterfüttert mit einer Suche nach naiver Reinheit, nach Spiritualität und vor allem einer ideologielosen Menschlichkeit.

©Homeless Bob Production

Da trifft die religionsfeindliche Sowjetmentalität auf die alten Traditionen und den wirren Mix aus Kampfkunst und Hingabe, mönchischer Bescheidenheit und fröhlichem Kick-Rocker-Gehabe.

Nähtamatu võitlus ist ein Film, der in der richtigen Gesellschaft, zu nächtlicher Stunde und mit viel Kiffen oder Wodka oder Bier einschlagen könnte wie Ken im Barbieland.

Aber im Wettbewerb des Filmfestivals von Locarno bleibt diese fröhliche Endlosschleife sehr schnell stecken, sogar als Abschlussfilm in einer Reihe mit 16 Konkurrenzfilmen sehr unterschiedlicher Ausprägung.

Rainer Sarnet ©Laura Pählapuu

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