CRITICAL ZONE (Manthageye bohrani) von Ali Ahmadzadeh

© Counter Intuitive Film / Luxbox

Dieser iranische Untergrundfilm ist ein Drogentrip: Taxi Teheran polytoxikoman

Der vollbärtige Amir holt sich tief im Tunnelsystem der Teheraner Ringstrassen den Nachschub für seine Arbeit, die zugleich wohl Berufung sein dürfte. Mit einer grossen Tasche gemischter Drogen kommt er zurück in seine Wohnung, wo ihn seine grunzkeuchende Zwergbulldogge Mr. Fred erwartet.

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Amir macht sich hinter das Abpacken und Umdosieren seiner Grundstoffe, er wiegt Gras in Beutelchen ab, sortiert Opium, bäckt zwei grosse Bleche Hashcookies und macht sich dann mit seinem Auto wieder auf den Weg.

Stets geleitet von einer weiblichen Stimme aus dem GPS-System, die nicht nur Fahranweisungen gibt, sondern auch vor Strassensperren, Radarfallen und allgemeiner Gefahr warnen kann.

Je länger der Film Amir auf seinen nächtlichen Fahrten begleitet, desto deutlicher wird seine Mission.

Amir versorgt nicht einfach Kunden mit Drogen. Er bringt Teheran Erleichterung.

Dem verlorenen jungen Mann am Strassenrand. Der jungen Frau mit ihrem Yogakurs für Kinder.

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Den alten Patienten auf der Palliativstation eines Spitals verfüttert er mit Hilfe einer sehr schönen Pflegerin die Hashcookies.

Eine andere junge Frau fährt er an den Flughafen. Sie ist auf dem Weg in die USA über die Türkei. Und weil sie den Drogen in der Fremde nicht traut, gibt ihr Amir einen ausreichenden Vorrat mit.

Auf der Rückfahrt vom Flughafen sitzt eine strenggekleidete Flugbegleiterin im Auto, die sich, kaum sind die Ausfahrtsbarrieren passiert, von Kopftuch, Halstuch, Hut und Haarband befreit und Amir mit den ihrerseits mitgebrachten Drogen und Bier aus Amsterdam versorgt. Im Gegenzug kauft sie von ihm  einen grossen Klumpen Opium. Und dann steigern sich die beiden in einen Drogenkurierorgasmus mit Verfolgern und lautem Schreien.

Eine Tunnelkatharsis.

Critical Zone ist ein gemächlicher Film, der seine zentrale Metapher in Variationen auskostet. Amir versorgt auch die Prostituierten an einer Kreuzung, offensichtlich pro Bono. Er hilft einer Witwe bei der Rettung ihres polytoxikoman ausgetickten Sohnes, indem er, ganz Drogenflüsterer, nach kurzer Untersuchung die richtige Mischung aus Pillen und Opiumtee verordnet.

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Multipler Substanzgebrauch, auch Mischkonsum genannt, ist in der Regel ein Zeichen für den kompletten Rückzug aus dem gesellschaftlichen Leben.

In diesem Fall und in diesem Film scheint das aber eher eine alternative Form des gesellschaftlichen Lebens im Iran zu sein, eine metaphorisch unterfütterte Darstellung eines Lebens, das nüchtern nicht auszuhalten ist.

Regisseur Ali Ahmadzadeh erklärt im Locarno-Katalog, er habe statt mit Schauspielern mit echten Menschen gedreht:

«Meist mussten wir die Kamera verstecken oder Wege finden, um die Hindernisse zu umgehen. Den Film zu machen, war eine Rebellion. Ihn zu zeigen, ist ein noch grösserer Sieg».

Diese Rebellion hat wohl in Ahmadzadehs Heimat stattgefunden. Gezeigt wird der Film nun aber in Locarno und dann wohl auch an weiteren Festivals.

Und gesehen wird er von Menschen, die sich eine Interpretation zurechtlegen müssen, um von dieser dann wiederum zu versuchen, auf die Verhältnisse im Iran zu schliessen.

Ali Ahmadzadeh © Counter Intuitive Film / Luxbox

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