Nifff 09: Fish Story – Ein Proto-Punk-Song rettet die Welt

fish story singer

Ich frage mich manchmal, wie lange Filme um Plattenläden, Rockgruppen, Musikfans und überhaupt die Geeks meiner Generation noch ihr Publikum finden. High Fidelity gehört als Roman und als Film zu den grossen Beispielen dieser Gattung, The Boat that Rocked ist eines der jüngeren. Auch mit Yoshihiro Nakamuras Fisshu sutôrîFish Story könnte die Generation iPod wieder ihre Mühe bekunden. Geht es doch um nichts weniger, als um einen Punk-Song von 1975 (!), der im Jahr 2012 unsere Welt rettet. Dass die Japaner den britischen Punk nicht nur adaptierten, sondern zu einer eigenständigen Stilrichtung machten, ist dabei noch leichter zu glauben, als die Behauptung, dass die im Film wunderbar stimmig gezeichnete Protopunk-Band im Jahr 1975 ihrer Zeit so weit voraus war, dass sich ihre Musik nicht durchsetzen konnte. Schliesslich wissen wir spätestens seit The Great Rock’n Roll Swindle dass, und warum, die Sex Pistols den Anfang machten. Aber eben: Wer sind die Sex Pistols? fragt mich das Hannah-Montana-Girlie mit grossen Augen.

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Nifff 09: The Children – Kulleraugenkillerkinder

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Kinder als Figuren des Horrors sind unglaublich effizient. Nicht erst seit den Zwillingsmädchen, die in den schweigenden Gängen des Hotels in Stanley Kubricks Shining das Blut gefrieren liessen („Come play with us“) lassen wir uns immer wieder bereitwillig auf das Spiel mit dem verdrängten Schrecken ein. Denn die vordergründige Pervertierung des Guten, Reinen, Unschuldigen, in den puren Schrecken des motivlosen Bösen funktioniert ja nur darum, weil der Schrecken wirklich da ist. Wer erinnert sich nicht an die Grausamkeiten, die wir als Kinder ausübten, an anderen, an Tieren, Insekten. Und wer erinnert sich nicht an die Grausamkeiten, die wir erfahren haben von anderen Kindern. Alles verdrängt … und ein Horrorfilm wie The Children von Tom Shankland holt es ohne Umschweife an die Oberfläche.

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Filmpodcast Nr. 136: Ice Age 3D, NIFFF, Amadeus, Alle anderen.

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Maren Ade, Regisseurin von 'Alle anderen' © filmcoopi

Herzlich willkommen zu Kino im Kopf mit Michael Sennhauser. Ich stelle kurz Ice Age 3D vor – die deutsche Fassung, weil nur die bei uns in 3D gezeigt wird – dann habe ich mit Anaïs Emery, der Leiterin des aktuellen Neuchâtel International Fantastic Film Festival NIFFF gesprochen, und mit DRS1 zurück geblickt auf Milos Formans Film Amadeus von 1985. Brigitte Häring hat sich mit Maren Ade ausführlich über ihren preisgekrönten Film Alle anderen unterhalten. Und schliesslich haben wir wie immer Kurztipps und Tonspurensuche.

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Nifff 09: ‚Connected‘ – A Hongkong Boost for ‚Cellular‘

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Was für ein Spektakel! Das Hongkong-Remake eines amerikanischen Action-Thrillers bekommt man nicht jeden Tag zu sehen. Und im Fall von Benny Chans Connected hält die „Hongkongifizierung“ dann auch noch deutlich mehr, als man sich sich zu erhoffen gewagt hätte. Cellular mit Kim Basinger war ein ziemlich harter, ziemlich schneller und ziemlich einfacher Action-Thriller: Eine Frau wird entführt und auf einen Dachboden gesperrt, wo es ihr gelingt ein zertrümmertes Telefon wieder in Gang zu setzen und einen Wildfremden per Zufallsanruf zu Hilfe zu rufen:

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Nifff 09: ‚Infestation‘ – Killerkrabbelzeug vom Feinsten

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Nicht immer kommt es gut heraus, wenn ein Erstlingsregisseur sein Zielpublikum direkt bedient. Aber dass der Held von Kyle Rankins Infestation ein echter Slacker ist ist, ein ungeschickter, fauler Looser, das setzt einen erfrischenden Ton beim Einstieg in dieses klassische Creature-Invasion-Movie. Käfer, Bugs, Spinnen, Krabbelzeug, atomar vergrössert oder aus dem Weltall importiert: Sie gehören zur eisernen Reserve der Schlock-Filme, und es ist nicht einfach, mit den Viechern etwas Neues anzufangen. Rankin war sich offensichtlich klar darüber, also spielt er mit den Varianten, die wir kennen und lieben. Cooper wacht an seinem Arbeitsplatz auf, eingewoben in ein klebriges Netz, und alles, woran er sich noch erinnern kann, ist der Umstand, dass ihn seine Chefin gerade entlassen hatte, als ein hoher Pfeifton plötzlich alles unterbrach.

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Nifff 09: ‚Histeria‘ aus Malaysia

histeria hospital

James Lee aus Malaysia soll bisher eigentlich ein ganz manierlicher Filmemacher gewesen sein. Histeria hat auch durchaus manierliche Momente. Allerdings stolpert noch vor dem Vorspann ein hübscher Teenager in Schuluniform durchs Portal einer klosterähnlichen Schule auf die Strasse – blutüberströmt, mit Wunden an den Armen, und mit starrem Blick. Im Spital wird die junge Dame dann dem Polizisten und dem Arzt erzählen, was übers Wochenende in der Schule passiert ist.

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Nifff 09: The Forbidden Door – Pintu Terlarang

the forbidden door poster

Der indonesische Regisseur Joko Anwar ist Mitglied der diesjährigen NIFFF-Jury. In der Reihe ‚New Cinema from Asia‘ läuft zugleich sein jügster Film, The Forbidden Door. Im Zentrum steht der Künstler Gambir, der sein Vermögen mit (ziemlich abscheulichen) Skulpturen von schwangeren Frauen gemacht hat. Allerdings ist die treibende Kraft hinter ihm seine ehrgeizige Frau, die sogar das Haus entworfen hat, in dem die beiden wohnen (und für das Schwiegerpapa aufgekommen ist). Die Vernissage des Künstlers, mit welcher der Film eröffnet, ist zunächst einfach höchst amüsant und eine bissige Satire auf den Kunstbetrieb. Dann aber entdeckt Gambir in seinem Haus eine verbotene Türe, und gleichzeitig das Kinopublikum, dass es mit den schwangeren Skulpturen noch eine eigene Bewandtnis hat, welche in diverse Abtreibungskliniken zurück führt.

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Nifff 09: ‚Left Bank‘ – ‚Linkeroever‘: Der Teufel und das Teerloch

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Horror aus Belgien? Keine geschmacklosen Witze bitte. Der Film Linkeroever von Pieter Van Hees schafft es zunächst ganz eigenwillig und stimmig, die junge Marie zu zeichnen, eine zweiundzwanzigjährige Frau, deren Sprinter-Karriere durch eine plötzliche Anämie unterbrochen wird, und die sich hals über Kopf in den Gebrauchtwagenhändler und Bogenschützen Bobby verliebt. Um während ihrer sportlichen Zwangspause nicht dauernd mit ihrer Alt-Hippie-Mutter aneinander zu geraten zieht Marie zu Bobby in den Wohnblock im Industrieghetto am linken Ufer. Der Ehrgeiz, die Frustrationen und die Ängste der jungen Frau (grossartig: Eline Kuppens) zeigt Van Hees überaus stimmig, bis hin zu den Details, dem geschiedenen Vater des Mädchens, der heute als Studiobassist arbeitet, aber einst mit Johnny Hallyday tourte: Die erste halbe Stunde des Film erinnert an Ursula Meiers Des épaules solides.

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Nifff 09: Moon mit Sam Rockwell

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Es gibt schon ein paar Filme, in denen Schauspieler gegen sich selber antreten, am stärksten in Erinnerung geblieben ist da wohl David Cronenbergs Dead Ringers, mit Jeremy Irons als Zwillingsbrüderpaar. Aber in Moon von Duncan Jones steht Sam Rockwell sich selber gegenüber, beziehungsweise, seine Figur Sam Bell, ein einsamer Angestellter auf einer industriellen Mondbasis, trifft auf ein Klon seiner selbst. Und muss erst einmal herausfinden, ob er mit sich selber leben kann. Als Eröffnungsfilm für das NIFFF ist die erstaunliche kleine Indie-Produktion aus England perfekt. Mit einem Budget von 5 Millionen Dollar und in nur 33 Drehtagen und mit einem einzigen Darsteller (es gibt noch ein paar Nebendarsteller, die in schwarzweiss auf Bildschirmen auftauchen) hat Science-Fiction-Fan Duncan Jones eines dieser minimalistischen Wunder geschaffen, die aussehen wie eine ganze Welt, und nachklingen wie die besten Rätsel der Kindheit.

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Nifff 09: Take me to the Moon, now!

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Heute Abend wird das Neuchâtel International Fantastic Film Festival NIFFF eröffnet. Womit? Die Frage ist meistens eine der komplexeren beim Programmieren eines Festivals. Denn der Eröffungsfilm muss einerseits den Ansprüchen des Festivals genügen, auf der anderen Seite aber wenigstens so massentauglich sein, dass die eingeladenen Honoratioren, Sponsoren, Politikerinnen und ihre Männer, respektive Frauen, das Kino nicht schon nach zehn Minuten schreiend verlassen (was beim restlichen NIFFF-Angebot zum Glück durchaus nicht auszuschliessen wäre). Mit der britischen Independent Science Fiction Produktion Moon sind die Nifffer überzeugt, die richtige Wahl getroffen zu haben. Der Film läuft zur Zeit erfolgreich in New York und in Los Angeles, und selbst der unverwüstliche Roger Ebert ist ziemlich angetan davon. Also: morgen mehr.

Radiobeitrag DRS2aktuell mit NIFFF-Chefin Anaïs Emery von heute als Download oder zum hören: