Nifff 09: Fish Story – Ein Proto-Punk-Song rettet die Welt

fish story singer

Ich frage mich manchmal, wie lange Filme um Plattenläden, Rockgruppen, Musikfans und überhaupt die Geeks meiner Generation noch ihr Publikum finden. High Fidelity gehört als Roman und als Film zu den grossen Beispielen dieser Gattung, The Boat that Rocked ist eines der jüngeren. Auch mit Yoshihiro Nakamuras Fisshu sutôrîFish Story könnte die Generation iPod wieder ihre Mühe bekunden. Geht es doch um nichts weniger, als um einen Punk-Song von 1975 (!), der im Jahr 2012 unsere Welt rettet. Dass die Japaner den britischen Punk nicht nur adaptierten, sondern zu einer eigenständigen Stilrichtung machten, ist dabei noch leichter zu glauben, als die Behauptung, dass die im Film wunderbar stimmig gezeichnete Protopunk-Band im Jahr 1975 ihrer Zeit so weit voraus war, dass sich ihre Musik nicht durchsetzen konnte. Schliesslich wissen wir spätestens seit The Great Rock’n Roll Swindle dass, und warum, die Sex Pistols den Anfang machten. Aber eben: Wer sind die Sex Pistols? fragt mich das Hannah-Montana-Girlie mit grossen Augen.

„Wer sind ‚Gekirin‘?“ fragt der ahnungslose Kunde den Plattenladenbesitzer im Jahr 2012, wenige Stunden, bevor die Erde mit einem riesigen Kometen kollidieren soll. Und damit setzen vier Geschichten in Flashback ein, die alle indirekt miteinander verbunden sind. Dieser Song wird die Welt retten, meint der Ladenbesitzer, und Rückblenden erzählen uns, wie er zu dieser Überzeugung gekommen ist. Denn Gekirin hat den Song Fish Story eingespielt, ein LP-Track mit einer stummen Lücke, die zur Legenbildung perfekt geeignet war.

Nakamura schwelgt in Pop-Geschichte und Geekism, Anspielungen auf Armageddon mit Bruce Willis sind dabei eher noch die jüngsten Referenzen, alles andere geht zurück auf die Baby-Boomer-Generation und sogar noch weiter. Denn das Buch, aus dem der Titel des Songs stammt, dem der Film seinen Titel verdankt, ist ein Nachkriegsunfall, eine vermurkste Übersetzung eines amerikanischen Textes, dem sein Übersetzer nicht Meister wurde. Und Fisshu sutôrî selber basiert wiederum auf einem Roman von Kotaro Isaka, den ich mir als eine Art japanischen Nick Hornby vorstelle.

Fish Story spielt mit einer ganzen Reihe von Popkultur-Standards, mit dem Superhelden-Motiv, mit adoleszenter Feigheit, mit falschen Propheten, mit dem Mythos der Rockheroen, die ihrer Zeit und der Gier ihrer Produzenten voraus sind. Das machte mir grossen Spass, es ist ein Film, der sich wie ein mehrstufiger Traum in meine Jugendhoffnungen und Ängste zurück wagt, mit Witz und Ironie, aber manchmal auch mit jener Selbstgerechtigkeit, welche unsere Generation der popindustriellen Lifestyle-Revoluzzer so lange am Leben gelassen hat. Und das schliesslich macht Fisshu sutôrî einerseits zu einem melancholischen, bittersüssen Vergnügen für uns. Oder zu einem klebrig selbstmitleidigen Stück Geschichtsklitterung für die aktuellen Kids. Den Verdacht hege ich jedenfalls immer dann, wenn mich die Lust überkommt, mit erhobenem Zeigefinger auf das „Lebensgefühl“ meiner Generation zu verweisen. Und die war gross heute, im Kino in Neuchâtel.

Fish Story Space Girl

Nachtrag: Gewinner H.R. Giger «Narcisse», Preis für den besten Film am Nifff 2009

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