Cannes: Strandidylle – je nach Perspektive

Mädchen am Strand von Cannes (c) sennhauser
Mädchen am Strand von Cannes (c) sennhauser

Seit den Tagen von Brigitte Bardot sind Blondinen am Strand ein Klischeefotomotiv für dieses Festival. Aber wer hätte das gedacht, selbst im aktuellen Trubel hier in Cannes bin ich noch auf ein Bild gestossen, das direkt aus Barton Fink von den Coen Brothers stammen könnte … das blonde Mädchen am einsamen Strand ist allerdings nur so idyllisch, wie es der Bildausschnitt zulässt. Hier unten kommt die ganze Ansicht (die es allerdings auch wieder in sich hat):

Strand von Cannes (c) sennhauser
Strand von Cannes (c) sennhauser

(Klick für grössere Ansicht)

Cannes: Indiana Jones 4 in einem Wort

Vergnüglich.

(Ja ja, das ist nicht seriös. Aber schnell. Und es werden in diesen Minuten tausende von Worten geschrieben hier in Cannes, die das präzisieren oder negieren werden. Ich kann ja nicht alles gleichzeitig machen, und das Interesse scheint doch vorhanden zu sein :)

Cannes: Bideau und die Belgier

Jean-Frédéric Jauslin, Falina Laanan (c) sennhauser
Jean-Frédéric Jauslin, Falina Laanan (c) sennhauser

Ein neues Koproduktionsabkommen wird ja nicht alle Tage unterzeichnet. Und dann auch noch mit den Belgiern, jenen Landsleuten, die die Komplikationen mit der Mehrsprachigkeit unsere Landes am besten verstehen, wie Jean-Frédéric Jauslin, unser Bundeskulturchef an der plage du Goeland, La croisette, Cannes, France, heute um 11 Uhr verkündet hat. Die belgisch-frankophone Kulturministerin Fadila Laanan deklarierte ihrerseit ihre Begeisterung und nun steht den vielen belgisch-schweizerischen Koproduktionen nichts mehr im Weg: Die beiden Staatsvertreter haben den Vertrag simultan unterzeichnet. Bundesfilmchef Nicolas Bideau freute sich sehr und liess seinen Blick voller Hoffnung über das Meer schweifen, in eine Zukunft voller belgisch-schweizerischer Kino-Lokomotiven.

Nicolas Bideau et les bateaux (c) sennhauser
Nicolas Bideau et les bateaux (c) sennhauser

Cannes: Der neue Woody Allen

Woody Allen bei den Dreharbeiten zu "Vicky Cristina Barcelona"
Woody Allen bei den Dreharbeiten zu 'Vicky Cristina Barcelona'

Seit Woody Allen seine Filme in Europa leichter finanzieren kann als in den USA, hat er sich räumlich verjüngt. Und seit er kaum mehr selber mitspielt, reden immer mehr seiner Figuren genau wie er zuvor. Noch nie ist mir das deutlicher aufgefallen als in Vicky Cristina Barcelona, einer transatlantischen Tragikomödie mit Scarlett Johansson, Penelope Cruz, Javier Bardem und Rebecca Hall, in der alle vier Hauptfiguren je mindestens einen Woody-Moment haben. Am irrsten wirkt das in einer Szene, in der Scarlett Johansson als leicht verwirrte Cristina aufgeregt vor sich hin plappern muss. Da fehlen nur noch das leichte Überschnappen der Stimme und die dunkle Hornbrille. Ansonsten ist «Vicky Cristina Barcelona» ein echtes Vergnügen, die Geschichte um zwei gegensätzliche junge Amerikanerinnen, die einen Sommer in Barcelona verbringen und dem gleichen, von Javier Bardem gespielten Latin Lover verfallen, ist ein typisches Allen-Manöver, in dem die Variationen durchgespielt werden. Johansson spielt den experimentierfreudigen blonden Freigeist, Hall ist die verlobte Spiesserin und beiden geraten ihre Konzepte dank Javier Bardem gründlich durcheinander. Es gibt wunderbare Momente ganz unterschiedlicher Komik. Nur schon die erste Einstellung, in der die Kamera Javier Bardem an eine Säule gelehnt zeigt, löst ein Echo aus: Der stoische Killer der Coen-Brüder ist jetzt plötzlich ein faunischer Picasso. Woody Allen macht einen Film pro Jahr, gehauen wie gestochen, und die Routine des talentierten Profis merkt man auch «Vicky Cristina Barcelona» deutlich an. Etliche Situationsgags sind reziklierte Elemente früherer Filme, dafür arbeitet er neuerdings auch mit Einstellungs- und Bildwitz, etwas, das ihm früher sehr selten gelungen ist. Wenn die zwei jungen Frauen über eine ménage-à-trois reden und die Kamera den spiessigen jungen Ehemann quasi von ihnen gerahmt, aber auf der anderen Seite des Tisches zeigt, dann löst dieser «Sight-Gag» Gelächter aus im Kino. Der Film ist ein echter, gelungener, routinierter Woody Allen, Javier Bardem ist so komisch wie charismatisch und Penelope Cruz ist einmal mehr sensationell als explosive Latina mit Haaren auf den Zähnen.

Cannes: Tokyo!

Denis Lavant als Merde in Tokyo von Leos Carax
Denis Lavant als Merde in 'Tokyo' von Leos Carax

Episodenfilme sind in der Regel eher Festivalfutter als Kinokandidaten. Eine Ausnahme war die Pariser-Kiste Paris, je t’aime, und eindeutig eine Ausnahme ist die neue Tokio-Dreifaltigkeit von Michel Gondry, Leos Carax und Joon Ho Bong, die gestern hier in Cannes ihre Premiere hatte. Jeder der drei ohnehin schon eher schrägen Regievögel hat sich mit seinem jeweiligen Beitrag zu diesem Omnibus noch einmal selber übertroffen. Den Anfang macht Gondry, mit der Geschichte einer treusorgenden Freundin, die im Gefolge ihres Möchtegern-Filmautors in der Grossstadt langsam ihr Selbstverständnis verliert und sich – ihrem Selbstbild entsprechend – in einen Stuhl verwandelt. Das ist verspielt, komisch und poetisch wie meist bei Gondry, aber auch präzise und kompakt, wie sonst eher eben nicht bei Gondry. Die Episode vom ehemaligen Regiewunderkind Leos Carax dreht sich rund um ein von Denis Lavant gespieltes menschliches Monster, das aus der Kanalisation von Tokio auftaucht, Angst und Schrecken verbreitet, und sich schliesslich als rassistischer Eigenbrötler mit europäischem Einschlag entpuppt. Der Film ist so irr wie komisch und extrem provokativ auf jeder Ebene. Und den Abschluss macht der Koreaner Bong mit einer herzergreifenden Geschichte über einen Hikikomori, einem jener Menschen, die extremes Cocooning betreiben und jahrelang ihre Wohnung nicht verlassen, auf jeglichen menschlichen Kontakt verzichten. So ein Eigenbrötler verliebt sich in ein Pizza-Liefer-Mädchen, die sich allerdings selber als angehende Hikikomori entpuppt. Der Film nützt Katastrophen wie Erdbeben als Katalysatoren und ist so komisch wie rührend. Zusammen geben die drei Episoden ein reiches Bild der Stadt Tokio mit ihren nicht nur im Westen mythisch übersteigerten Sonnen- und Schattenseiten.

Cannes: Kung Fu Panda kultureller Abstieg, sagt Dustin Hoffman

Zwischen all den knallharten, anspruchsvollen Filmen hier in Cannes nahm sich die Animationskiste Kung Fu Panda eindeutig nicht so ernst (auch wenn die Produzenten da mit knallhartem Business rechnen). Und auch die Schauspieler an der Pressekonferenz waren der Ironie nicht abgeneigt. Dustin Hoffman, der neben Jack Black in der Titelrolle und Angelina Jolie auch zu den Stimmen hinter den Figuren gehört, anwortete auf die etwas insolente Frage, wie er seinen Weg von The Graduate zu Kung Fun Panda beschreiben würde: „Es ist ein kultureller Abstieg. Aber ihr Journalisten seid da ja auch dabei, wir sitzen alle im gleichen Boot!“ (hören als MP3)

Cannes: Die verkauften Fassaden

Carlton Hotel Cannes (c) sennhauser
Carlton Hotel Cannes (c) sennhauser

Die grossen Hotels an der Croisette verdienen nicht nur, in dem sie ihre Zimmer und Suiten zu überrissenen Preisen an all die Filmverkäufer und Produktionsfimen vermieten, sie geben auch Jahr für Jahr ihre Fassaden her, schlimmer als Basel seine Allmend für die FIFA… Am augenfälligsten ist immer das altehrwürdige Carlton, dieses Jahr mit voller Indiana-Jones-Beflaggung.

Cannes: Blut, Schweiss und Tränen

Waltz with BashirUff, ich brauche dringend eine homöopathische Dosis hirnloses Entertainment. Bis jetzt hat nämlich ein Filmhammer den nächsten abgelöst hier in Cannes. Auf die Gewalt der desozialisierten Blinden im Eröffnungsfilm Blindness folgten die Massaker von Sabra und Shatila in Ari Formans Waltz with Bashir, dann die Schwangeren und die Mütter mit ihren Kindern im argentinischen Frauen-Gefängnis in «Leonera» (Löwinnengrube) von Pablo Trapero, und darauf noch, höchst ästhetisch inszeniert, Blut, Schweiss, Scheisse und Hungerstreik in Irland im IRA-Film «Hunger» von Steve McQueen. Und nun hat uns auch noch der Türke Nuri Bilge Ceylan mit seinem dritten Film hier im Wettbewerb die menschliche Fähigkeit zu Feigheit und Grausamkeit mit einem furiosen Macho-Melodrama (Drei Affen) nähergebracht. Da gesellte sich zum Staunen über die inszenatorische Virtuosität noch die — zumindest mir — etwas peinliche Erkenntnis, dass ich mit den dargestellten, für uns eindeutig überholten, Vorstellungen von Männer- und von Frauenehre wahrscheinlich mehr hätte anfangen können, wenn der Film aus Thailand oder Korea gekommen wäre. Unser altes Problem mit der Türkei: Alles so nahe und doch so anders. Nun, wir wollen nicht klönen. Die Filme sind zwar erschütternd und deprimierend, aber sie sind auch alle ausgezeichnet bis jetzt.

Cannes: Ameisen im Keller

KEller Palais du festival, Cannes (c) sennhauserDas Festival besteht ja nicht nur aus Stars, Photographen, Touristen und Journalisten. Da sind auch noch hunderte von helfenden Geistern im Hintergrund. All die Leute, die für Agenturen oder Filmpromoter arbeiten, Interviews vermitteln, Wasserflaschen schleppen und all die Studenten und Schüler, die sich, um Teil dieses Zirkus sein zu dürfen, auch in den Festival-Keller verbannen lassen. Bei einigen bin ich ziemlich sicher, dass sie schon letztes Jahr im Gang hinter dem Studio von Radio France gesessen sind. Und bleich, wie sie aussehen, sind sie die ganze Zeit seither nie mehr rausgekommen. Das gäbe einen netten Gruselfilm: Le phantom du palais de Cannes.

Die Jury-Pressekonferenz

Cannes Jury 2008 (c) sennhauser

Die Pressekonferenz der Jury ist hier jedes Jahr der erste "People"-Anlass, die erste Möglichkeit, den Stars ein paar "Quotes" zu entlocken. Sean Penn musste erklären, warum er, der Filmwettbewerbe immer eher misstrauisch beäugt hat, nun doch die Jury von Cannes präsidiert. Und Natalie Portman erklärte diplomatisch geschickt, dass sie keinen US-Präsidentschaftskandidaten offiziell unterstütze, aber glücklich sei, dass sie endlich jemanden wählen könne, weil sie ihn oder sie besser mag, und nicht bloss, weil sie ihn weniger hasst als andere Kandidaten. Beide gibts hier im Oton als MP3-Clips:

Natalie Portman Jury Cannes 080514.mp3

Sean Penn 080514.mp3