Diagonale 09: Preise für Glawogger und Wulff

Michael Glawogger, Constantin Wulff
Preisträger Diagonale 09: Michael Glawogger, Constantin Wulff

Zum besten österreichischen Spielfilm wurde gestern Abend in Graz Michael Glawoggers Das Vaterspiel gekürt (mehr dazu im vorangehenden Blogeintrag). Zum besten Dokumtarfilm erklärte die Jury Constantin Wulffs In die Welt, der unter anderem schon in Duisburg ausgezeichnet worden ist. Die restlichen Preise finden sich hier (pdf). Am nächsten Mittwoch senden wir in Reflexe auf DRS2 einen Rückblick auf die diesjährige Diagonale, unter anderem mit Interviews mit Intendantin Barbara Pichler und mit Michael Glawogger.

Nachtrag vom 25. März 2009, Sendung hören:

Diagonale 09: Zweimal Glawogger ‚Das Vaterspiel‘ und ‚Contact High‘

Das Vaterspiel Sabine Timoteo Michael Glawogger
Sabine Timoteo ist Mimi in Michael Glawoggers ‚Das Vaterspiel‘

Michael Glawogger war schon ein monumentaler Exportschlager des Filmlandes Österreich, bevor das hiesige ‚Filmwunder‘ so richtig eingesetzt hatte. 1998 wurde sein spektakulärer Dokfilm Megacities (eine Art Slumdog Millionaires in Realität) zu einem Festivalhit. Glawogger hat seit 1984 mindestens 14 Filme gemacht, der nächste Spielfilm ist bereits in Arbeit. Und an der diesjährigen Diagonale ist er mit gleich zwei Spielfilmen präsent (wie sein Kollege Andreas Prochaska übrigens auch): Das Vaterspiel und Contact High. Dass beide Filme vom gleichen Regisseur sind, ist dabei nicht minder verblüffend als ihre jeweilige Radikaliät in ihren Genres (so man sie überhaupt zuordnen will). Eine Literaturverfilmung einerseits, eine Komödie andererseits.

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Diagonale 09: Experimentalfilme

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'FILM IST. a girl & a gun' von Gustav Deutsch

Keine Kunst überlebt ohne Experimente. Und bei keiner Kunst ist die Technik entscheidender als beim Film. Dabei haben wir uns fatalerweise daran gewöhnt, unsichtbare Technik und möglichst perfekte Illusionen als Gipfel des Genusses zu erleben, zumindest im Spielfilm. Wenn nun die Filmkünstler für sich und im kleinen (das heisst ausserhalb der Zulieferdienste des grossen Verwertungsapparates Hollywood) mit der Technik experimentieren, dann entstehen diese meist kurzen, oft aber doch viel zu langen kleinen Filme, die fast ausschliesslich an Festivals und in Galerien zu sehen sind. Ganz grob kann man sie in drei Gruppen einteilen:

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Diagonale 09: Liebe und andere Verbrechen

liebe-und-andere-verbrechen-anica-dobra-stefan-arsenijevic

In der Reihe „Spektrum“, einer Art Sammelbecken für koproduzierte Perlen, zeigt die Diagonale Filme, die schon anderswo zu entdecken gewesen wären, es aber nicht in allen Fällen wirklich geschafft haben. Eines dieser Kleinode ist Ljubav i drugi zlocini (Liebe und andere Verbrechen) von Stefan Arsenijevic aus Belgrad. Die wunderbar spröde Anica Dobra spielt Anica, die Geliebte von Milutin, einem alternden Quartiergangster in Neu-Belgrad. Sie will ein neues Leben beginnen und am Abend des vom Film erzählten Tages in ein Flugzeug steigen. Heimlich nimmt sie Abschied, von der dementen Grossmutter im Altersheim, von der autistischen Tochter des Milutin. Aber da ist noch Stanislav, die rechte Hand von Milutin, ein schüchterner Träumer, heimlich in Anica verliebt seit zwölf Jahren.

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Diagonale 09: ‚7915km‘ und ‚Der erste Tag‘

Der erste Tag Andreas Prochaska ORF ARTE
'Der erste Tag' von Andreas Prochaska (ORF/ARTE)

Unter den Filmen des ersten Diagonale-Tages sind mir zwei besonders aufgefallen, weil sie beide um etwas herum gebaut sind, das sie nicht zeigen. Nikolaus Geyrhalter (Unser tägliches Brot) taucht mit seinem Dokumentarfilm 7915km tief in den Afrikanischen Kontinent ein, auf der Strecke, welche die Rally Paris-Dakar in 14 Tagen durchrast. Die einzigen Rally-Bilder sind am Anfang zu sehen, auf den Leinwänden einer Sponsorenpromotion. Geyrhalter besucht die Orte und die Menschen, an denen die motorisierten Dekadenzbolzer vorbeirasen. Der zweite Film, der seinen Kondensationskern nicht ins Bild rückt, ist Der erste Tag, eine ORF-ARTE-Fernsehproduktion von Andreas Prochaska (In drei Tagen bist Du tot). Es ist ein Katastrophenfilm mit unsichtbarer Katastrophe: Der GAU in einem grenznahen tschechischen Atomkraftwerk löst in Niederösterreich die Katastrophenalarmorganisation aus und führt zur Evakuierung.

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Diagonale 09: Kleine Fische

Kleine Fische Sabrina Reiter Michael Steinocher

Es ist in Österreich nicht anders als in der Schweiz: Wenn sich der Film feiert, sind auch die zugewandten Orte dabei, die Politiker, die Seiten-, Neben- und die Rundum-Künstler. Zur Eröffnung der 12. Diagonale in Graz (der ersten unter der neuen Leitung von Barbara Pichler) war die List-Halle hinter den sieben Geleisen wieder dicht gefüllt mit tout Graz und halb Wien. Schliesslich ist der österreichische Film wieder wer, die Ausländer habens schon gemerkt, und allmählich fällt es auch den Österreichern auf, spottete Josef Hader, der zur Eröffnung den Schauspielerpreis der Diagonale bekommen hat – für alle seine Rollen, nicht nur für den Knochenmann. Für ihre Rolle im Knochenmann hat den Preis aber Birgit Minichmayr gekriegt (und ihn eben so kurz und herzlich dankend entgegen genommen wie letzten Monat ihren Berlinale-Bären).

So richtig eröffnet wurde das diesjährige Festival des österreichischen Films dann aber mit Kleine Fische, dem charmanten Spielfilmdebut von Marco Antoniazzi. Der Film spielt in einem Wiener Quartier, in einem kleinen Fischladen. Gleich zu Beginn stirbt der Ladeninhaber, seine beiden unterschiedlichen Söhne versuchen zusammen mit der Mutter das Geschäft am laufen zu halten. Der jüngere ernsthaft und mit einem gewissen Groll gegen den älteren, der als 13jähriger die Familie verlassen hatte und jetzt eigentlich nur gekommen ist, um allenfalls etwas zu erben.

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Berlinale09: ‚Eden à l’ouest‘ von Costa-Gavras

Eden a l ouest von Costa Gavras mit Riccardo Scamarcio

Ein trauriges Ende für diese Berlinale ist der Abschlussfilm von Costa-Gavras. Dass er, wie die meisten anderen Altmeisterfilme, ausser Konkurrenz läuft, erspart dem einst so raffinierten und wirkungsmächtigen Regisseur von Z oder Missing wohl bösere Kritiken (wie auch Theo Angelopoulos), aber dieser Film ist ihm einfach missraten. Dabei wäre der Einfall eigentlich erfrischend gewesen, das Schicksal eines Emigranten aus dem Osten für einmal nicht nur als Tragödie, sondern stellenweise als pikareskes Abenteuer eines blauäugigen Jünglings zu inszenieren. Die erste halbe Stunde, in welcher der hübsche junge Mann (Riccardo Scamarcio) sich vom Boot schwimmend in einen Club Med rettet, hält noch einigermassen die Balance zwischen Komik und Schrecken. Wie er sich mal als Angstellter, dann wieder als Gast von einer brenzligen Situation in die andere rettet, das lässt zumindest ahnen, wie dieser Film einmal gemeint war. „Berlinale09: ‚Eden à l’ouest‘ von Costa-Gavras“ weiterlesen

Berlinale09: ‚Tatarak‘ von Andrzej Wajda

Tatarak von Andrzej Wajda mit Krystyna Janda und Pawel Szajda

Die Filme der grossen alten Männer an dieser Berlinale sind sehr unterschiedlich ausgefallen. Chabrol hat mit Bellamy enttäuscht, De Oliveira beherrscht sein präzises Handwerk auch mit hundert Jahren noch, Bertrand Tavernier (der nicht ganz so alt ist) hat meinen Berlinale-Lieblingsfilm In the Electric Mist gemacht, der zwar Schwächen hat, aber in seiner unvergleichlichen Stimmung ein grosse Stärke. Von Theo Angelopoulos und seinem Dust of Time hat niemand mehr einen grossen Innovationsschub erwartet und es ist auch keiner gekommen (dafür hat nun auch der grosse alte Grieche die Global-Unsitte des universal geradebrechten Englisch in allen filmischen Lebenslagen eingeführt). Aber Wajdas jüngster Film ist eine Überraschung. Tatarak ist eine Schilfpflanze, und eine literarische Vorlage, die Wajda mit dem polnischen Star Krystyna Janda „Berlinale09: ‚Tatarak‘ von Andrzej Wajda“ weiterlesen

Berlinale09: ‚Katalin Varga‘ von Peter Strickland

Katalin Varga von Peter Strickland Berlinale 09 Wettbewerb

Dürrenmatts Diktum, dass eine Geschichte erst dann zu Ende gedacht sei, wenn sie ihre schlimmstmögliche Wendung genommen habe, stürzt einen bei Peter Stricklands Berlinale-Wettbewerbs-Drama Katalin Varga in eine gedankliche Endlosspirale. Katalin macht sich mit ihrem elf Jahre alten Sohn Urban auf den Weg, die beiden Männer zu finden, die sie einst vergewaltigt haben. Der Sohn weiss nichts davon, er weiss auch nicht, dass Katalin von ihrem Mann, den er für seinen Vater hält, verstossen wurde, weil er von der Vergewaltigung erfahren hat. Auch als Zuschauer reime ich mir die Geschichte erst langsam zusammen, Strickland „Berlinale09: ‚Katalin Varga‘ von Peter Strickland“ weiterlesen