Berlinale09: ‚Tatarak‘ von Andrzej Wajda

Tatarak von Andrzej Wajda mit Krystyna Janda und Pawel Szajda

Die Filme der grossen alten Männer an dieser Berlinale sind sehr unterschiedlich ausgefallen. Chabrol hat mit Bellamy enttäuscht, De Oliveira beherrscht sein präzises Handwerk auch mit hundert Jahren noch, Bertrand Tavernier (der nicht ganz so alt ist) hat meinen Berlinale-Lieblingsfilm In the Electric Mist gemacht, der zwar Schwächen hat, aber in seiner unvergleichlichen Stimmung ein grosse Stärke. Von Theo Angelopoulos und seinem Dust of Time hat niemand mehr einen grossen Innovationsschub erwartet und es ist auch keiner gekommen (dafür hat nun auch der grosse alte Grieche die Global-Unsitte des universal geradebrechten Englisch in allen filmischen Lebenslagen eingeführt). Aber Wajdas jüngster Film ist eine Überraschung. Tatarak ist eine Schilfpflanze, und eine literarische Vorlage, die Wajda mit dem polnischen Star Krystyna Janda verblüffend umgesetzt hat: Als Film im Film, und zwar als entstehenden Film im Film. Den Rahmen gibt Janda vor, die in einem Hotelzimmer aufwacht und in einem eindringlichen Monolog erzählt, wie bei ihrem Mann Hirntumore diagnostiziert wurde, er in kurzer Zeit dahinsiechte, und in dieser kurzen Zeit nicht wollte, dass sie ihn für einen Film alleine lassen würde. Der Film, der hätte gedreht werden sollen, ist Wajdas Tatarak , dessen Dreharbeiten dann auch einsetzen, mit Klappe und Anweisungen. Und plötzlich ist man in diesem fast tschechowschen Ambiente, bei einem Landarzt und seiner Frau. Der Arzt sagt seiner ebenfalls von Janda gespielten Frau nach einer medizinischen Untersuchung nicht, dass sie den Sommer wahrscheinlich nicht überleben wird, sie ahnt es aber und kümmert sich um einen Zwanzigjährigen, der sie an ihre verlorenen Söhne erinnert. Der Junge interpretiert ihre Zuwendung als erotisches Interesse und geht bereitwillig darauf ein, was wiederum die Frau erschreckt. Beim gemeinsamen Schwimmen versinkt er überraschend und während man sie nach ihm tauchen sieht, kommt der Tauchkasten mit der Kamera ins Bild, die Hilfstaucher der Crew und schliesslich der Regisseur selber, der verblüfft ist darüber, wie panisch seine Darstellerin aus dem Bild und danach sozusagen noch tiefer in den Film hinein rennt.

Wajdas Spiel mit dem Verfilmen, mit den persönlichen Ebenen und den echten Lebensdramen der am filmischen Drama Beteiligten ist souverän und traumwandlerisch flüssig, der Fluss, der nie aufhört zu fliessen im Film im Film erzeugt einen roadmovie-artigen Sog in einer stationären Geschichte. Das ist komplex und anregend und bleibt stark in der Erinnerung.

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