IMMORTALS von Maja Tschumi

Avin und Milo © cineworx

Die von der irakischen Jugend geprägte «Oktoberrevolution» von 2019 ist Geschichte, aufgesaugt und in den Untergrund gedrängt von konservativen, iranorientierten Kräften. Aber in einer Gesellschaft, die fast zur Hälfte aus nicht wahl- und stimmberechtigten Jugendlichen besteht, lassen sich Unzufriedenheit und revolutionäre Impulse nur mit konstantem Druck kontrollieren. „IMMORTALS von Maja Tschumi“ weiterlesen

VRACHT von Max Carlo Kohal

© Dschoint Ventschr Distribution

Auf dem Rheinschiff Panerai ist die Besatzung zugleich im Fluss und stationär. Die lyrische Souveränität, mit der dieser Dokumentarfilm arbeitet, erinnert an das Bullet-Time-Konzept der Matrix-Filme.

Rudmer ist ungefähr sechzehn Jahre alt, als wir ihm in Rotterdam erstmals an Deck begegnen. Mit der Scheibenschleifmaschine hat er sich eben durch die dicken Gummihandschuhe in den Finger geschnitten. Er blinzelt hinter seiner Brille, während der Maat ihm die Wunde verbindet: «Früher hätte ich geheult. Jetzt nicht mehr.» „VRACHT von Max Carlo Kohal“ weiterlesen

LES PAPAS von David Maye

© DOK MOBILE

«Meine Partnerin ist seit 32 Wochen und zwei Tagen schwanger. Ich weiss das so genau, weil ich eben noch mit ihr telefoniert habe. Und sie hat gesagt: “Wenn Dich einer fragt, sagst Du ‘32 Wochen und zwei Tage’”…» – der Satz löst fröhliches Gelächter aus in der kleinen Runde der werdenden Väter.

Die Männer treffen sich regelmässig, um sich über ihre Rolle als ‘Papa’ auszutauschen, zunächst noch hypothetisch für die meisten, bald aber geprägt vom Alltag mit ihren Bébés und Kleinkindern.

«Ich will Dir keine Angst machen, aber das wird noch härter!» sagt jener, der schon beim dritten Kind angelangt ist. „LES PAPAS von David Maye“ weiterlesen

SEDIMENTE von Laura Coppens

© Srikandi Films

Wie das wohl aussieht, wenn eine Medienanthropologin sich der eigenen Familiengeschichte zuwendet? Dieser Dokumentarfilm ist die denkbar erfreulichste Antwort auf die Frage. Laura Coppens befragt ihren DDR-Grossvater liebevoll, vorsichtig, reflektiert und sehr zielgerichtet.

Der Film basiert auf akribischen Nachforschungen, greift zurück auf Briefe, Familienfotos, historische Unterlagen und Archivmaterial. Laura Coppens hat mit wissenschaftlicher Sorgfalt Materialien zusammengetragen, analysiert und verglichen.

Zugleich aber bleibt sie die Enkelin, die zusammen mit dem geliebten Opa Schicht für Schicht die Sedimente in der Familiengeschichte überprüft, mit seinen Erinnerungen abgleicht und sich dabei selbst dauernd daran erinnert, dass auch die eigene Erinnerungskultur von der Familiengeschichte geprägt ist. „SEDIMENTE von Laura Coppens“ weiterlesen

THE SHAMELESS von Konstantin Bojanov

Anasuya Sengupta (Renuka), Omara (Devika) © First Hand Films

Die Frau, die sich später Renuka nennen wird, nach einer Hindu-Göttin, wischt sich das Blut von der linken Hand, in der Rechten hält sie noch das Messer. Hinter ihr auf dem Bett liegt die nackte Leiche eines sehr fetten Mannes. Mit einem Blick in den Spiegel klappt die Frau das Messer zu.

Das ist die erste Einstellung von The Shameless, und sie ist zwingend. Es mag etwas seltsam klingen, aber dieser Film blinzelt nicht. Er schaut nicht weg. Er schaut auch nicht zweimal hin. Die Kamera des aus Basel stammenden Gabriel Lobos ist sich ihrer Sache absolut sicher und konfrontiert das Publikum mit ihrer klaren Sachlichkeit. „THE SHAMELESS von Konstantin Bojanov“ weiterlesen

DER EISMANN von Corina Gamma

Konrad Steffen © tellfilm

«Koni, uss dir wird nie öppis…» – Koni, aus dir wird nie etwas werden. Das habe einer seiner Lehrer dem jungen Konrad Steffen prophezeit, erzählt seine Schwester Rose-Marie Stouder-Steffen. Und sein Jugendfreund Vincenzo «Vinci» dal Vesco erinnert sich zufrieden daran, dass Koni und er in der Schulzeit gemeinsam viel Blödsinn gemacht hätten. Die Zahnlücke auf dem Kinderfoto von Koni sei wohl nicht dem natürlichen Ausfall eines Milchzahns geschuldet gewesen, sagt die Schwester. Der Koni, der sei immer schon ein Draufgänger gewesen.

Als der 68jährige Konrad Steffen am 8. August 2020 in der Nähe seiner Forschungsstation in Grönland verschwand, war das ein Schock, nicht nur für seine Freunde und seine Familie, sondern für die halbe Welt. Denn aus Koni war eben nicht nichts geworden, sondern ein weltbekannter Eisforscher, ein Glaziologe, der Mann, der mit seinem Charisma, seiner Leidenschaft für das ewige Eis und mit seinem Auftreten den Klimawandel unaufgeregt, aber belegbar ins öffentliche Bewusstsein gerückt hatte. „DER EISMANN von Corina Gamma“ weiterlesen

MOTHER MARA (Majka Mara) von Mirjana Karanović

Mara (Mirjana Karanović) und Milan (Vučić Perović) © cineworx

Mirjana Karanović war 2006 Das Fräulein für Andrea Štaka, international bekannt wurde sie aber schon 1985 mit Emir Kusturicas Durchbruch Papa ist auf Dienstreise. 2016 realisierte sie ihren ersten Spielfilm als Regisseurin, A Good Wife (Dobra Žena), und spielte auch gleich selbst die Titelrolle. Für ihren zweiten eigenen Spielfilm hat sich die vielbeschäftigte Schauspielerin Zeit lassen müssen.

Dafür ist Andrea Štaka als Produzentin an Bord bei Majka Mara, die beiden Frauen sind befreundet, nach Das Fräulein war Karanović auch in Štakas Cure und Mare als Schauspielerin dabei. Zu den Filmen, welche sie als Kinogängerin entscheidend geprägt hätten, zählt Mirjana Karanović Liliana Cavanis Il portiere di notte (1974), Andrea Arnolds Fish Tank von 2009 und Štakas Das Fräulein. „MOTHER MARA (Majka Mara) von Mirjana Karanović“ weiterlesen

DIE HINTERLASSENSCHAFT DES BRUNO STEFANINI von Thomas Haemmerli

Bruno Stefanini 1950 © SKKG Winterthur

Winterthur ist die Bronx von Zürich. Der multiethnische Kochkessel, die Zentrale der fleissigen Immigranten, eine Hochburg der früh-, der schwer- und der postindustriellen Zeiten. Ein Nest des Widerstandes gegen und der Überanpassung an die Schweizer Werte zugleich. Wann immer ein Deutschschweizer Dokumentarfilm kultur- und sozialanthropologische Zusammenhänge erforscht, landet er früher oder später auch in Winti.

Im Falle von Thomas Haemmerlis jüngstem Fabrikat (Eigenlabel im Titelvorspann: «fabriziert von…») ist das natürlich früher. Denn Bruno Stefanini, der Protagonist, ist in Winterthur aufgewachsen. Als Sohn eines Italieners und einer Innerschweizerin, welche gemeinsam geschäftstüchtig aus dem Restaurant der Società Cooperativa Winterthur (gegründet von sozialistischen Arbeitern aus Italien im Jahr 1906) eine eigentliche Goldgrube gemacht hatten. „DIE HINTERLASSENSCHAFT DES BRUNO STEFANINI von Thomas Haemmerli“ weiterlesen

LES COURAGEUX von Jasmin Gordon

Jule (Ophélia Kolb), Claire (Jasmine Kalisz Saurer) © outside the box

Jule hat drei Kinder und viele Probleme. Sie hat kein Geld, kaum Einkommen, eine kleinkriminelle Vergangenheit und dazu den unbändigen Willen, sich nicht unterkriegen zu lassen. Das wäre überall auf der Welt schwierig, zumal sie eben so entschlossen ist, ihren Kindern nichts als Normalität und Familienfrieden zu bieten.

Noch schwieriger aber gestaltet sich das im Rhonetal im unteren Wallis, in der Kleinstadt in dieser Talweite, wo dann doch alles an solide Grenzen stösst, auch die Geduld der sozialen Institutionen. „LES COURAGEUX von Jasmin Gordon“ weiterlesen

NAIMA von Anna Thommen

© First Hand Films

Naima ist der Titel des neuen Films von Anna Thommen. Naima ist auch der Name der Heldin dieses Films. Und Naima ist der Name der engsten Mitarbeiterin der Regisseurin. „NAIMA von Anna Thommen“ weiterlesen