Cannes 13: ONLY LOVERS LEFT ALIVE von Jim Jarmusch

Tilda Swinton und Tom Hiddleston sind schon sehr lange Adam and Eve
Tilda Swinton und Tom Hiddleston sind schon sehr lange Adam and Eve ©filmcoopi

Bei Jim Jarmusch braucht alles seine Zeit. Und wer hätte mehr davon als ein Untoter, ein Vampir? Tilda Swintons anderweltliche Schönheit prädestiniert die Schauspielerin für eine Rolle, welche einst Catherine Deneuve spielte, in Tony Scotts The Hunger, David Bowie an ihrer Seite.

Bei Scott war das allerdings Cutting Edge, unterkühlter Vampire Chic und die reine Tragik. Musste doch Deneuves Vampirin alle paar Jahrhunderte auf einen neuen Lover ausweichen. Weil die alle zwar nie starben, aber doch alterten, bis sie als lebende Mumien gelagert werden mussten.

Bei Jarmusch ist das Vampirleben entspannter. Die Jugend überdauert die Jahrhunderte, und das Talent sowieso. Denn bei Jarmusch sind die Vampire die wahren Grossen der menschlichen Errungenschaften, der Dramatiker Christopher Marlowe etwa (John Hurt) und uns hirn- und talentlose Sterbliche bezeichnen sie als Zombies.

Am meisten von denen gibt es im Musikbusiness. Und Los Angeles bezeichnet Adam gar als „Zombie Central“. Adam (Tom Hiddleston) ist seit dem 19. Jahrhundert der Lover von Swintons Eve. Er ist Musiker und Romantiker, depressiv und unendlich begabt.

Jim Jarmuschs neuer Film ist eine augenzwinkernd bildungsbürgerliche Tour d’horizon der Vorlieben des Musikers und Filmemachers. Die Geschichte pendelt zwischen Detroit und Tanger und holt aus beiden Locations das Maximum heraus.

Ähnlich wie es Werner Herzog mit seinem The Bad Lieutenant: Port of Call – New Orleans für New Orleans gemacht hat, rückt Jarmusch das zerfallende Detroit in ein romantisches Licht. Und Tilda Swintons Eve gibt den gebeutelten Detroitern Hoffnung, wenn sie ihrem Adam erklärt, die Gegend habe Wasser. Dereinst, wenn die Orte im Süden brennen, werde Detroit wieder blühen.

Überhaupt ist Eve der perfekte Gegenpart zu ihrem pessimistisch-depressiven Lover-Genie. Sie ist wohl die Original-Eva, hat alle Katastrophen der Menschheit mit erlebt und zu einer grossen Gelassenheit gefunden. Im Gegensatz zu ihrer jüngeren Schwester Ava (Mia Wasikowska), welche für alle Zeiten ein unverantwortlicher Teenager geblieben ist.

Only Lovers Left Alive ist nicht bloss der Titel des Films. Der Satz ist auch eine hoffnungsvolle Erklärung all dessen, was gross und schön geworden ist in der Welt, trotz der Beschränktheit der Muggles, sorry, Zombies, ihrer vergifteten Umwelt und ihrem daher ebenfalls vergifteten Blut.

Dass es Ava schlecht wird, nachdem sie in ihrer Zügellosigkeit Adams Lieferanten von Musikinstrumenten und hölzernen Pistolenpatronen (Kaliber 38) ausgetrunken hat, ist die gerechte Folge. Die ungerechte ist die, dass Adam und Eve die Leiche entsorgen müssen (was zu einer der eigenartigsten Szenen des Films führt und zum schönsten Satz von Tilda Swinton) und dann mit einer Serie von Nachtflügen nach Tanger flüchten.

Wie sich die liebenswerten Protagonisten dieses Films ihr Blut sonst besorgen, erinnert wohl nicht von ungefähr an True Blood. Von den liebevoll in roten Gothic Letters angelegten Titelschriften bis zum Einsatz von Musik, Vintage-Technik und einem wunderschönen Jaguar, welchen Adam in hohem Tempo durch die Nacht der einstigen Autostadt Detroit fährt, kann man darauf schliessen, dass der Film auch für Jim Jarmusch eine Labour of Love darstellte. Und dass alle romantischen und kulturellen Errungenschaften der Menschheit eigentlich von Vampiren geleistet wurden, ist ja nur logisch, hat man mal begriffen, wie sensibel und liebevoll diese Kreaturen tatsächlich sind.

Jim Jarmusch
Jim Jarmusch

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