Schweizer Filmschaffende gegen den Réduit-Mythos

Clint Eastwood und Richard Burton in 'Where Eagles Dare' von 1968
Clint Eastwood und Richard Burton in 'Where Eagles Dare' von 1968

Das ist eben in die Inbox gerutscht – Absender ist der Verband Filmregie und Drehbuch Schweiz:

Die Schweizer Filmschaffenden stossen sich an der Art und Weise, wie die offizielle Schweiz dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges gedenkt. Längst überholte Mythen werden reanimiert und zementiert, obwohl gerade  das Schweizer Dokumentarfilmschaffen ein anderes Bild der damaligen Realitäten thematisierte und aufzeigte. Statt romantische Réduit-Simulationen und hymnische Festreden sollten diese Filme wieder auf die Leinwand und den Bildschirm.

An  einer Gedenkveranstaltung  zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs am 5. September  soll Bundesrat Ueli Maurer als Festredner  auftreten.  Unabhängig davon will sich das Schweizer Fernsehen in seiner aktuellen Serie  zur besten Sendezeit unterhaltend mit der Zeit des Réduits auseinander setzen. Das Schweizerische Filmschaffen, das sich seit Jahrzehnten mit der Rolle der Schweiz im zweiten Weltkrieg auseinandersetzt, zeigt jedoch ein ganz anderes Geschichtsbild als dasjenige, das im Schweizer Fernsehen und in der Öffentlichkeit nun zelebriert wird. Sie haben gelebte Geschichte dargestellt und interpretiert und damit einen wichtigen Beitrag zu einem zeitgemässen  Geschichtsverständnis  geleistet. Viele dieser wegweisenden Filme haben zur Relativierung und Entmystifizierung der Réduit- und der Igelpolitik beigetragen. Unter anderen:

  • Konfrontation (1974) von Rolf Lyssy
  • Die Erschiessung des Landesverräters Ernst S. (1977) von Richard Dindo & Niklaus Meienberg
  • Es ist kalt in Brandenburg (1980) von Villi Hermann
  • Die unterbrochene Spur (1982) von Mathias Knauer
  • Er nannte sich Surava (1995) von Erich Schmid
  • Esclaves d’Hitler (1997) von Frédéric Gonseth
  • Grüningers Fall (1997) von Richard Dindo
  • Journal de Rivesaltes 1941-42 (1997) von Jacqueline Veuve
  • Closed Country (1999) von Kaspar Kasics
  • Luigi Einaudi: Diario dell’esilio svizzero (2000) von Villi Hermann
  • Regards en arrière (2004) von Frédéric Gonseth
  • Barba Svizzera (2006) von Michele Andreoli
  • Ein Lied für Argyris (2006) von Stefan Haupt

Diese Filme wurden von der öffentlichen Hand gefördert, um sich den Realitäten mit kritischem Blick zu stellen. Einige vermittelten dann auch tatsächlich wichtige Impulse  für die Aufarbeitung der Schweizer Geschichte im zweiten Weltkrieg durch die Bergier-Kommission. Damit diese Anstrengungen nun nicht durch  überholte und widerlegte Geschichtsbilder des Living-History-Projekts «Alpenfestung – Leben im Réduit» am  Schweizer Fernsehen zunichte gemacht werden, fordert der Verband Filmregie und Drehbuch Schweiz, dass die entsprechenden Dokumentarfilme zu einer guten Sendezeit als Gegenüberstellung ausgestrahlt werden.

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