Locarno 09: ‚Buben, Baraban‘ von Alexei Mizgirev

Natalia Negoda, Dimitry Kulichkov in: Buben, Baraban

Der bisher eindrücklichste Film im diesjährigen Wettbewerb von Locarno kommt aus Russland. Buben, Baraban von Alexei Mizgirev ist brodelnde Disziplin, messerscharfe Zurückhaltung, kochende Stille, ein filmischer Feuerwerkskörper, dessen Lunte unter dem Tisch zischend brennt. Das gilt für den Film, aber auch für die Hauptfigur, die 45jährige Katya (Natalia Negoda), Bibliotheksverwalterin in einer russischen Minenstadt gegen Ende der 90er Jahre. Sie ist eine Frau mit einem „geballten Herzen“, wie ihr vorübergehender Liebhaber feststellt, in Analogie zur geballten Faust. Wie ihre ganze vordergründig so aufrechte Umgebung verdient sich auch die strenge Bibliothekarin etwas mit Mischeln dazu, indem sie heimlich Bücher aus den Bibliotheksbeständen an Zugsreisende verhökert – gedeckt vom Bahnhofspolizisten, der ihr dafür 50% der Einnahmen abknöpft.

Was diesen Film so faszinierend macht, ist seine sparsame Präzision. Es gibt Dinge, die erschliessen sich erst nach ein paar weiteren Wendungen in der Geschichte, und es gibt vor allem Einstellungen, die ein derart knappes Fenster auf etwas freigeben, dass man sich fühlt, als würde man das Drehbuch in Echtzeit mitentwickeln. Oder anders ausgedrückt: Keine Geste, kein Einfall, kein Ausblick und keine Erkenntnis werden totgeritten, wie wir es vom Standardkino her gewohnt sind, es gibt keine Redundanzen und keine zweiten Chancen. Buben, Baraban ist darüber hinaus auch noch attraktiv gefilmt, in einem überaus tristen Setting. Ein Film, der nachhängt und anhängt.

Pardofell

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