Dieser kleine Instant-Klassiker ist nicht nur der bisher beste Film des Festivals, Quentin Dupieux‘ irrwitzige Dada-Montage wird auch Generationen von Filmstudentinnen und -Studenten beschäftigen. Keine kleine Leistung für einen Film über einen psychopathischen Killerpneu. Aber fangen wir vorne an, und dazu gilt es, den folgenden Teaser anzusehen:
Die Ausgangslage erinnert an Camp-Schlock wie die Attack of the Killer Tomatoes. Da erwacht ein alter Autopneu in der Wüste zum Leben, überfährt erst mal eine Plastikflasche und eine Getränkedose, einen kleinen Skorpion, und entwickelt dann telekinetische Kräfte, die es ihm schliesslich ermöglichen, menschlichen Opfern den Kopf zum Explodieren zu bringen, wie weiland die Scanners im gleichnamigen Klassiker von David Cronenberg. Aber mit diesem Schlockszenario und seiner überaus stilechten Inszenierung mit amerikanischen Schauspielern in der Wüste lässt es Quentin Dupieux nicht bewenden. Er baut auch gleich noch das Publikum in den Film ein, notabene nicht auf einer zweiten Erzählebene, sondern in der gleichen.
Da stehen die Leute mit Ferngläsern in der Wüste, beobachten fasziniert den Reifen, quengeln, kommentieren und werden schliesslich von einem Assistenten mit Nerd-Outfit vergiftet, damit der Film nicht zu einer Auflösung kommen muss. Allerdings verweigert ein abgebrühter Veteran im Rollstuhl die Nahrungsaufnahme und erzwingt damit die Weiterführung der Handlung. Dabei hat der Sheriff (der gleiche, der im Prolog erklärt hat, es gebe für all das, eben so wie für die Ermordung Kennedys in Oliver Stones JFK no reason – keinen Grund) seinen Mitstreiterinnen schon erklärt, das das alles Fake sei, eine Inszenierung, und zu diesem Zweck auf sich schiessen lassen – mit aufplatzenden Eintrittswunden, aber ohne Austrittswunden und Wirkung.
Rubber ist die perfekte Kombination von Genre-Film und Metafilm, ein Lehrstück fürs Kino wie Pirandellos Theaterstück „Sechs Personen suchen einen Autor“ für die Bühne. Da ist Stoff für ein halbes Dutzend Semiotik-Seminare drin, aber auch genügend Blut, Schweiss und Tränen für tausende von einschlägigen Fanboys. Und dazu noch das Schweizer Sennentuntschi Roxane Mesquida aus Frankreich.
Rubber von Quentin Dupieux ist das raffinierteste Stück post-postmodernes Kino, das ich bis zu diesem Tag gesehen habe, ein Film, der so unverschämt clever ist, und gleichzeitig so unverschämt unterhaltsam und billig, dass einem die Tränen kommen – vor Lachen, aber auch vor Bewunderung.
Der Xenix-Verleih wird Rubber in der Schweiz ins Kino bringen. Und heute ist Quentin Dupieux bei uns live um 11 Uhr in der Sendung aus Locarno.
so schlecht, dass man nicht glauben kann.
Unwiederbringliche Verschwendung von Lebenszeit!
Wenn man während des Schauens in der Nase bohrt, war die Zeit wenigstens nicht ganz umsonst.