Berlinale 16: QUAND ON A 17 ANS von André Téchiné (Wettbewerb)

Kacey Mottet Klein und Corentin Fila in 'Quand on a 17 ans' © frenetic
Kacey Mottet Klein und Corentin Fila in ‚Quand on a 17 ans‘ © frenetic

Er ist gross geworden, der kleine Junge aus Ursula Meiers Home und L’enfant d’en haut. Kacey Mottet Klein ist der eine der beiden Siebzehnjährigen im neuen Film von André Téchiné. Der andere heisst Corentin Fila. Und der Film wird garantiert mit La vie d’Adèle in Verbindung gebracht werden.

Berlinale_Balken_2016

Dabei ist Quand on a 17 ans komplett anders angelegt und aufgebaut. Es ist ein Film über zwei Teenager, junge Männer, die noch keine klare Vorstellung von sich selber haben. Aber sich vorsichtshalber lieber erst einmal hassen und prügeln in der Schule.

Corentin Fila, Sandrine Kiberlain © Luc Roux
Corentin Fila, Sandrine Kiberlain © Luc Roux

Sandrine Kiberlain spielt Marianne, Ärztin und Mutter von Damien (Mottet Klein). Ihr Mann ist Helikopterpilot bei der Armee und meist im Einsatz, in Afrika oder im nahen Osten. Tom (Corentin Fila) lebt mit seinen Eltern auf einem Bergbauernhof über der kleinen Stadt, Marianne lernt ihn kennen, als er sie zu seiner kranken Mutter ruft.

Dass Tom und Damien sich in der Schule heftig prügeln, ohne sich oder anderen einen Grund dafür nennen zu können, hält Marianne nicht davon ab, Tom zu sich ins Haus zu holen, als seine Mutter ins Spital muss.

Er habe einen physischen Film machen wollen, sagt Téchiné, Kino mit Action. Das ist ihm gelungen, allerdings nicht so, wie es das Wort Action suggerieren würde. Quand on a 17 ans ist geprägt von der Unruhe seiner beiden hauptsächlichen Protagonisten, ihrem Bemühen, sich körperlich in die Zukunft zu kämpfen.

Damien übt mit seinem Nachbarn, einem ehemaligen Soldaten und Freund seines Vaters, Boxen und Nahkampf. Tom rennt täglich für seinen Schulweg den Berg hoch und runter, schwimmt im eiskalten See im Wald – und prügelt sich immer wieder mit Damien.

Vielleicht wäre das alles etwas zu offensichtlich und durchschaubar, jedenfalls wirkt es wohl so in der Nacherzählung. Aber im Film nehmen die Dinge ihren Lauf, und das Dreieck Marianne-Damien-Tom wirkt einleuchtend in seiner fragilen Spannung.

Tom hat Identitätsprobleme, seine Mutter hat ausser ihm jedes ihrer Kinder verloren. Und sein Vater ist offensichtlich nicht sein Vater. Damien ist seiner Mutter gegenüber charmant und liebevoll, ersetzt ihr den Mann im Haus, so gut er kann. Und Tom funkt da irgendwie dazwischen, für jede der Figuren anders.

Quand on a 17 ans ist stimmiges Kino, ein echter Téchiné, und eine Parforce-Tour vor allem für die beiden jungen Schauspieler. Das Buch hat Téchiné zusammen mit Céline Sciamma geschrieben; es lässt den Figuren viel Raum für die Entwicklung.

Dazu macht dieser Film auch von seinen Drehorten spürbar räumlichen Gebrauch. Distanzen werden zu Fuss und mit Geländewagen überwunden, Blicke ins Tal und aus dem Tal in die Höhe machen Räume auf, die manchmal grenzenlos wirken, dann wieder bedrohlich, gerade in ihrer Drastik, vor allem im Schnee oder im Regen.

Im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale ist das der bisher meisterlichste Beitrag.

André Téchiné © Roberto Frankenberg
André Téchiné © Roberto Frankenberg

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