Drei Jahre nach ihrem kuriosen und nachklingenden Erstling Vergine giurata ist die Italienerin Laura Bispuri wieder im Wettbewerb der Berlinale. Und wieder mit Alba Rohrwacher in einer zentralen Rolle.
Und wieder geht um die Identitätsfindung einer Frau, auch wenn die rothaarige Vittoria (Sara Casu) als brave Tochter zwischen zwei Frauen noch ein kleines Mädchen ist.
Valeria Golino spielt die dunkelhaarige Mutter Tina, Alba Rohrwacher die instabile, dem Trinken und den Männern zugeneigte blonde Angelica. Schon in einer der ersten Szenen des Films überrascht die kleine Vittoria Angelica am Rande eines Rodeos beim Stehsex mit einem Stallhelfer und rennt verstört zu ihrer Mutter.
Aber die Faszination ist entfacht und so interessiert sich Vittoria immer mehr für die Frau, die abgeschieden mit Pferden und Hunden auf einem heruntergekommenen Hof lebt, bedroht von Schulden.
Tina ihrerseits hilft Angelica wo sie kann, bringt ihr Einkäufe, nimmt ihre Eskapaden stoisch zur Kenntnis: Da steckt eine Geschichte. Und die wird noch interessanter, als Tina ihrem Mann berichtet, Angelica sei so verschuldet, dass sie wohl den Hof verkaufen und weggehen müsse.
«Freust du dich?» fragt er.
Eigentlich wird Figlia mia ziemlich linear erzählt. Die Angst Tinas vor der Faszination welche die unangepasste, wilde Angelica auf ihre Tochter aussübt, wird schnell spürbar und man ahnt auch sehr schnell, was dahinter steckt.
Was Laura Bispuris neuen Film so packend macht, ist die Entwicklung der drei Frauenfiguren mit ihrer Wirkung aufeinander. Wer da wen wovor zu schützen versucht, ist die oberflächliche Frage. Ob jemand tatsächlich Schutz braucht, jene, die darunter liegt.
Bispuris Film macht klar, dass vor allem Vittoria diejenige ist, die mit den Dingen klarkommen muss. Und die Namen, Vittoria für das kleine Mädchen, Angelica für die wilde Frau, sind dabei nicht die einzigen Symbole in dieser aufgeladenen, heissen Geschichte.
Die Metaphorik wird vor allem gegen Ende des Films immer einfacher und zugleich schlagender. Und man verrät hoffentlich nicht zuviel, wenn man sagt, Vittoria gelinge schliesslich, ähnlich wie der genderfluiden Heldin von Vergine giurata, eine autonome Wiedergeburt als definierte Persönlichkeit.
Feministischer und zugleich einleuchtender kann ein Film eigentlich gar nicht sein.