Der erste Buhruf kam in der Salle Lumière schon nach zehn Sekunden, vor dem ersten Bild. Da stand etwas von dem schrecklichen Leiden in Afrika auf der Leinwand, dem Leid, von dem niemand in der Welt etwas mitbekommen hätte. Hätte es da nicht diese grosse, schreckliche Liebe zwischen einer Frau und einem Mann gegeben.
Sean Penns Film ist doppelt unerträglich. Zum einen, weil er einen Teil des Horrors der unzähligen Kriege, Fehden, Genozide auf die Leinwand bringt. Kindersoldaten, Leichenberge, Strassensperren aus Gedärmen. Zum anderen, weil er das alles zum Hintergrund degradiert für eine Liebesgeschichte zwischen einer schönen blonden Frau und einem feurigen männlichen Mann – beide weiss, mit Namen versehen und mit sogenannten Backstories.
Die meisten Afrikaner dagegen bleiben namenlos, geschichtslos.
Das alles ist nicht neu, mit all den Filmen über heldenhafte weisse Helfer könnte man aufgelassene Diamantenminen füllen. Die grosse Tragik dieses Filmes über zwei Ärzte von «Medecins du monde» liegt darin, dass es Sean Penn offensichtlich ernst ist, dass er mit der Liebesgeschichte die Aufklärung der Welt vorantreiben möchte.
Und doch bloss bei einem überaus schlechten Abklatsch von Out of Africa gelandet ist.
Es ist schwer, sich klar zu machen, dass der gleiche Mann, der mit Indian Runner und Into the Wild zwei respektable Filme gemacht hat, dieses hilf- und geschmacklose Unding gestemmt haben soll, ein Vanity-Project erster Klasse.
Es grenzt an Bösartigkeit, einen solchen Film den Weltmedien in Cannes auszuliefern. Vielleicht hat Sean Penn Festivalchef Thierry Fremaux mit Prügel gedroht, vielleicht hat niemand den fertigen Film gesehen. Aber eigentlich hätte das Festival Sean Penn vor sich selber schützen müssen und The Last Face – wenn überhaupt – ausser Konkurrenz laufen lassen.