Raúl Ruiz ist 2011 in Paris gestorben. Aber seiner Heimat Chile blieb er auch im Exil nach dem Militärputsch durch Pinochet in einer Hassliebe verbunden.
Dieser Film – wenn man tatsächlich von einem Film reden will – ist eine Rekonstruktion, die Montage von Material, das Ruiz 1990 gedreht hatte, aufbereitet und editiert von seiner Witwe Valeria Sarmiento.
Das Konzept des Projektes klingt auch heute noch faszinierend. Ruiz entwarf ein Bild der chilenischen Vorstellungswelt, indem er davon ausging, dass es keine chilenische Realität gebe, sondern nur eine Serie von Seifenopern, die in ihrer Gesamtheit ein Chile-Bild entwerfen.
Wer sich nicht anständig verhält im Leben, wird zur Strafe als Chilene wiedergeboren, wird Ruiz im Verlauf dieser Materialmontage zitiert. Was damit gemeint sein könnte, zeigen die vielen absurden bis grotesken Episoden ganz gut.
In der ersten schwärmt zum Beispiel ein soignierter Herr eine Frau an, meint, er liebe es, sie zu berühren, überall. Welches Bein er denn bevorzuge, fragt sie? Ganz klar das linke, meint er. Ob er denn eher dem linken Lager zugehöre? – Eindeutig, er sei Sozialist. Wie er es denn mit der Scheidung halte?
Das sei ein heikles Thema, man sollte sich ja hüten, die Sensibilität linker Katholiken zu verletzen. Worauf die Frau ihm eröffnet, sie wolle sich scheiden lassen und ihn heiraten. „Du willst die Scheidung von meinem Bruder?“
Da stecken tatsächlich die Elemente einer Seifenoper drin, aber auch der Witz von Monty Python Sketchen und hin und wieder fast schon surrealistische Verschiebungen und Wortspiele.
In einer weiteren Episode sehen wir zwei Gangster in einem Auto, die sich Tarantino-mässig unterhalten, bis sie durch die Frontscheibe erschossen werden. Die beiden Mörder gratulieren sich und machen sich an die Abfassung eines sozialistisch-revolutionären Manifestes, das sie bei den Leichen deponieren wollen. Aber sie werden selber wiederum erschossen, und ihre Mörder wiederum. Bis acht Leichen und vier Manifeste herumliegen.
Es gibt Meta-Ebenen, verschiedene Seifenopern treten in Dialoge, Figuren wechseln von der einen zur anderen. Hin und wieder wird klar, dass neben den heute noch bestens verständlichen komischen Situationen auch noch andere Zusammenhänge stecken, politische und gesellschaftliche Anspielungen, die man als aussenstehender Nachgeborener kaum mehr so einfach zu entschlüsseln mag.
Das Problem dieser Filmfassung bleibt dabei, dass kein Gesamtkonzept sichtbar wird. Es gibt keine erkennbare Struktur in der Reihung der Episoden, kaum Entwicklung, oder aber keine, die sich von selber erschliessen würde.
Man könnte sich das heute in episodischer Form vorstellen, an einem Fernsehslot, oder noch eher als Webserie. Als achtzigminütige Kinomontage ist La telenovela errante zwar immer wieder amüsant und hin und wieder giftig oder gar abgründig. Aber nicht in eine abschliessende und sich erschliessende Form gebracht und daher gegen ihr Ende auch eher ermüdend als erhellend.