Yorgos Lanthimos hat sich zum gefragtesten griechischen Regisseur gemausert, der mit seinen Filmen Stammgast an den grossen Festivals geworden ist. Erst letztes Jahr gewann er in Cannes für The Killing Of A Sacred Deer den Drehbuchpreis. Nun ist er mit dem Historiendrama The Favourite im Wettbewerb von Venedig zu sehen.
Lanthimos hat sich schon mit seinem ersten internationalen Erfolg Kynodontas (Dogtooth, 2009) als genauer Beobachter und Abbilder von seelischer Gewalt und Grausamkeit gezeigt.
Die stehen auch in seinem neuen Film im Zentrum – aber für einmal schlägt Lanthimos fast schon komödiantische Töne an; die Spielchen seiner intriganten Figuren sind nicht nur rabenschwarz böse, sondern sehr lustig anzuschauen.
Das passt zum Setting: der Film spielt am barocken Hof der englischen Königin Anne, die zwischen 1702 und 1707 regierte. England führt Krieg gegen Frankreich, am Hof macht Queen Anne starker politischer Gegenwind zu schaffen und sie leidet an verschiedenen Krankheiten.
Eigentlich regiert Annes engste Vertraute und, wie sich später herausstellt, auch Geliebte, Sarah, das Land und die Launen der Königin. Aber dann kommt eine neue Bedienstete an den Hof, Abigail, wild entschlossen, sich den verlorenen gesellschaftlichen Rang einer Lady zurück zu holen. Und so beginnt das Intrigenspiel zwischen Sarah und Abigail um die Gunst der Königin.
Alles an The Favourite ist barock, ist überbordend: Kostüme, Perücken, Ausstattung. Selbst die Häschen, die sich die Königin im Zimmer hält, sind viele: Siebzehn Stück, jedes steht für ein Kind, das sie verloren hat.
Natürlich ist auch die Musik mehrheitlich aus dem barocken Kanon ausgewählt – aber nicht nur. Manchmal besteht der Soundtrack während mehrerer Minuten aus nur einem einzigen Ton, streng wiederholt von zwei Barockinstrumenten. Das habe ich als Filmmusik so noch nie gehört und es ist absolut grossartig und passend.
Die drei Frauen in diesem Film spielen sämtliche Männer an die Wand, mögen die sich auch noch so schminken, pudern und mit Perücken ausstatten. Und die Darstellerinnen verfahren genau so mit ihren männlichen Co-Darstellern.
In der Rolle der etwas groben, plumpen und launischen Königin Anne brilliert Olivia Colman, bekannt geworden als etwas überforderte Polizistin Ellie Miller in der britischen Serie «Broadchurch».
Ihre Vertraute Sarah spielt Rachel Weisz; die überambitionierte Abigail, die für Anerkennung über Leichen geht, wird von Emma Stone verkörpert.
Hintersinnig, abgründig, böse und sehr unterhaltsam ist das Historiendrama The Favourite – aber man kann Lanthimos dahingehend kritisieren, dass seine sehr eigenwillige Handschrift, die er in den griechischen Filmen Dogtooth (2009) oder Alpeis (2011) noch gepflegt hat, in seinen internationalen Filmen etwas konventioneller geworden ist.
Was Lanthimos aber immer noch grossartig macht: Das Allerbeste aus seinen Schauspielerinnen und Schauspielern herausholen. Und so zieht The Favourite sein Publikum von Anfang bis Ende in seinen Bann.