Cannes 19: IT MUST BE HEAVEN von Elia Suleiman

Elia Suleiman. Der Filmemacher spielt wieder sich selbst als schweigende Minderheit © filmcoopi

Palästina ist überall, murmelt Elia Suleimans neuer Film. Aber nicht etwa als das belagerte Land seiner Kindheit, wie es 2009 in The Time That Remains aussah. Oder doch ein wenig, klar.

Einmal mehr ist Suleimans stumme Kunstfigur zwischen Buster Keaton und Woody Allen die Verkörperung des staunenden Blicks auf all die Absurditäten des Alltags.

In der ersten Sequenz noch in der alten Heimat. Möglicherweise ist sein Vater gestorben, oder seine Mutter. Jedenfalls räumt er das Haus, ein Rollator und ein Rollstuhl müssen weg. Vom Balkon herab beobachtet er einen Nachbarn, der Zitronen erntet – nicht in seinem eigenen Garten, wohlgemerkt.

«Ich bin kein Dieb», ruft er aus dem Baum, «Ich frage immer, bevor ich hier ernte. Aber es hat niemand geantwortet». Das hindert den Vater dieses Nachbarn allerdings nicht daran, ihn als Dieb zu bezeichnen, in einer weiteren Szene, in der die beiden je auf ihren benachbarten Balkonen sitzen, sich den Rücken zudrehen und Beleidigungen hin und her werfen.

Ein Wirt beschwichtigt zwei Brüder, die ihm Konsequenzen androhen, weil er ihre Schwester nicht darauf aufmerksam gemacht hatte, dass in ihrem Hühnchengericht Weisswein enthalten ist. Als Versöhnungsgeste schenkt er den beiden ihre Whiskygläser noch mal voll und stellt die Flasche daneben.

Wenn Suleiman in seinen früheren Filmen Palästina als Mikrokosmos der Welt zu zeigen versuchte, wie er sagt, so habe er dieses Mal das Gegenteil angestrebt: Die Welt so zu zeigen, als sei sie ein Mikrokosmos von Palästina.

Eben: Palästina ist überall. Überall, wo die Menschen sich absurd benehmen. In Paris, wo plötzlich eine Reihe von Panzern durch eine Strasse fährt. Im Park, wo die Menschen mit den herumstehenden Metallstühlen, von denen es immer zu wenige hat, ein Echtleben-Reise-nach-Rom-Gebalge veranstalten.

Da rasen auch einmal drei Polizisten auf Segways eine leere Strasse hinunter, neben einander, vollführen ein kurzes Ballett, und rasen weiter.

In New York fragt der Cabbie seinen stummen Gast, aus welchem Land er komme. Und, oh Wunder, Suleiman spricht, die Figur, die stets stumm bleibt, sagt: «Nazareth». Ob das ein Land sei, fragt der Taxifahrer verblüfft. Ja, er sei Palästinenser. Der Taxifahrer ist begeistert, offeriert die Fahrt gratis und ruft seine Frau an: «Weisst Du, was ich im Auto habe? Einen Palästinenser! Ja, erinnerst du dich an Karafat? Eben. Jesus von Nazareth!»

Beim Kartenleger erfährt Suleiman dann später, dass es Palästina geben werde. Ganz sicher. Oder, Moment… doch. Es werde Palästina geben: «Allerdings nicht mehr in deiner oder meiner Lebenszeit».

It Must Be Heaven ist eine Aneinanderreihung von Anekdoten, von Vignetten, die sich alle indirekt von den Absurditäten eines Lebens in einem geteilten Land ableiten. Der Film ist von einer leisen, melancholischen Komik, globalisiert, und – als de fakto Stummfilm mit ein paar eingeschobenen Dialogen – absolut universal

Die Schweizer Rechte liegen bei der Zürcher Filmcoopi.
Startdatum noch nicht fixiert.

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