BENEDETTA von Paul Verhoeven

Bartolomea (Daphné Patakia) und Benedetta (Virginie Efira) © Pathé

Eine lesbische Nonne bewirkt Wunder und Skandal im 17. Jahrhundert. Der 83jährige Basic Instinct-Regisseur Paul Verhoeven mischt mit Benedetta in Cannes einmal mehr seine Lieblingsthemen Macht, Gewalt, Sex und Religion zu einem ernsthaft ironischen Spektakel.

Lesbische Nonnen! Sex, Brüste und Folterkeller! Man könnte meinen, der «Nunsploitation»-Film der 1970er-Jahre sei wieder da. Und das im Wettbewerb des Filmfestivals von Cannes?

Benedetta (Virginie Efira) und Regisseur Paul Verhoeven © Pathé

Der Holländer Paul Verhoeven hat immer gerne provoziert, mit seinen frühen europäischen Filmen genauso wie mit seinen satirischen  US-Produktionen wie Robocop oder Starship Troopers.

Auf Frankreichs schöne Virginie Efira als lesbische Schwester Oberin hat wohl auch schon sein letzter Cannes-Schocker vor fünf Jahren vorbereitet. Das war Elle mit Isabelle Huppert als vergewaltigter Business-Frau, die mit ihrem Vergewaltiger zu spielen beginnt.

Die Geschichte, die Verhoeven dieses Mal aufrollt, hat ein dreissig Jahre altes Buch von Judith C. Brown aus italienischen Archiven ans Tageslicht gebracht.

Bartolomea (Daphné Patakia) und Benedetta (Virginie Efira) und die Schwestern © Pathé

Es ist die Geschichte der Benedetta Carlini, die im toskanischen Kloster von Pescia im 17. Jahrhundert als lesbische Äbtissin mit den Wundmalen Christi und anderen Wundern dem männlich dominierten Klerus die Stirn geboten hat.

Verhoeven bietet im Hintergrund einerseits alles auf, was die Kinogeschichte an einschlägigen Filmen zu bieten hat. Die französische Obsession mit Jeanne d’Arc und den kirchlichen Prozessen gegen die Kindfrau, die vielen ernsthaften Nonnen- und Klosterfilme wie La religieuse von Guillaume Nicloux oder «The Nun’s Story» mit Audrey Hepburn von 1959.

Aber auch Bilder welche direkt aus dem «Gothic Horror» der britischen Hammer-Filme stammen können, etwa wenn sich eine der Nonnen dramatisch vor blutrotem Abendhimmel vom Dach er Klosterkirche in die Tiefe stürzt.

Bartolomea (Daphné Patakia) und Benedetta (Virginie Efira) © Pathé

Und dazu kommt der Lesbensex zwischen Schwester Benedetta (Efira) und der Novizin Bartolomea (Daphné Patakia), den Verhoeven nach allen Regeln der Kunst langsam steigert, bis hin zum einschlägigen Einsatz einer kleinen hölzernen Marienstatue.

Dabei spielt der Film zwar lustvoll und ironisch mit den Genre-Versatzstücken. Aber Verhoeven lässt keinen Zweifel daran, dass ihn die soziale Dynamik, das Machtgefälle zwischen den Frauen und den männlichen Kirchenvertretern, das politische und taktische Geschick der Klosterfrauen viel mehr interessiert. Und die Möglichkeiten, die sich durch geschickt demonstrierten Glauben an die Wunderlehren der Kirche ergeben.

Die Nonnen mit Felicita (Charlotte Rampling) © Pathé

Charlotte Rampling als Äbtissin Felicita steht, ziemlich grossartig, für diese Abgeklärtheit im Machtgefüge, als geschickte Verhandlerin um Klostergaben der Reichen, aber auch mit doppelbödigen Sprüchen wie dem Hinweis, dass noch kein echter Heiliger seine Wundmale im Schlaf bekommen habe, weil «im Bett noch nie ein Wunder geschehen ist».

«Benedetta» ist saftiges, spielerisches und zugleich sehr ernsthaftes Kino, das mit reisserischen Mitteln augenzwinkernd zu grundlegenden Erkenntnissen über Macht und Glaube gelangt.

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