SCHWARZARBEIT von Ulrich Grossenbacher

© Fair & Ugly

Selten hat mir ein Dokumentarfilm so schnell und direkt «den Ärmel reingenommen» wie Grossenbachers Schwarzarbeit. Diese Mannen (und die eine Frau) von der Arbeitsmarktkontrolle Bern sind schon für sich ein Makrokosmos.

Immer zu zweit unterwegs, immer unangemeldet, in Restaurantküchen, auf Baustellen, immer mit der Vorgabe, festzustellen, ob alle angetroffenen Arbeitskräfte rechtmässig angestellt und entlöhnt sind.

Im Dauerkrieg gegen Lohndumping, Ausbeutung und Zerstörung der sozialen Errungenschaften unserer Grosseltern sind sie erst mal die «Guten». Da sie aber immer ganz unten anfangen müssen, bei den zu miesen Bedingungen eben oft «schwarz» Arbeitenden, wird jeder erfolgreiche Einsatz, das heisst, jeder, wo sie auf irreguläre Arbeitseinsätze treffen, zu einem menschlichen Drama, innert Sekunden.

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Der völlig verstörte Mazedonier, der mit einem Touristenvisum in die Schweiz kam und nun als Zimmermann auf einer einsamen Baustelle ein paar Franken schwarz verdient, ist ja nicht das Ziel der Inspektoren – er ist der Kollateralschaden, vor allem dann, wenn ihn die Herren der Kantonspolizei übergeben müssen, weil er vor lauter Verzweiflung ad hoc ein unhaltbares Lügengebilde geflochten hat. Und sich nicht ausweisen kann.

Aber Ulrich Grossenbacher (Messies, ein schönes Chaos, 2011) lässt einem nicht lange Zeit, auf einer einzelnen Perspektive zu reiten. Die Inspektoren, die er begleitet, sind Charakterköpfe mit jahrelanger Erfahrung und völlig unterschiedlichen Hintergründen.

Da ist der eine aus der Gewerkschafterfamilie, der nicht nur genau weiss, wofür er kämpft und gegen wen. Aber auch der andere, der Ex-Polizist, der mit seiner «Law-and-Order»-Haltung seine Kollegen dauernd freundschaftlich provoziert und so tut, als ob ihm der verschreckt im Dunkel eines Kellers kauernde Tamile nicht im Geringsten ans Herz reichen könnte.

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Die neue Kollegin erklärt, ganz leicht enerviert, sie habe im Gegensatz zu männlichen Bewerbern keinen schwierigen Test absolvieren müssen, offenbar habe man einfach eine Frau gebraucht…

Im Kontrast zu den fünf Inspektoren der AMKBE (Frédy Geiser, Regula Aeschbacher, Marcos Feijoo, Stefan Hirt, Christoph Zaugg) montiert Grossenbacher Reden und politische Diskussionen mit dem Gewerkschafter und Alt-Nationalrat Corrado Pardini, in Einzelauftritten, aber auch bei einer Albisgüetli-Gegenrede im Duell mit Alt-Bundesrat Blocher. Oder Regula Rytz. Oder Ignazio Cassis.

Das sind überall klare Positionen und bei allen menschelts zwischendurch ganz überraschend und einnehmend. Wenn man sich noch vorstellen kann, was es an Aufwand und Vertrauensarbeit braucht, um Menschen bei dieser Arbeit begleiten zu dürfen und das auch noch alles zu filmen, dann beginnt der Kopf sogleich zu drehen, wenn man sich versucht klarzumachen, um wie viel grösser der Aufwand, die kommunikativen Fähigkeiten und die vertrauensbildenden Massnahmen jenen gegenüber sein müssen, die in diesen zum Teil unglaublich intensiven Sequenzen in der grössten Zwickmühle stecken: Die ausgebeuteten Schwarzarbeiterinnen und Schwarzarbeiter, die Erwischten.

Grossenbachers Schwarzarbeit gehört zu jenen fast perfekten Wunderwerken des Dokumentarischen, welche einerseits klar Position beziehen, andererseits aber ein so breites Spektrum abbilden, dass die Vorstellung von Objektivität gewahrt bleibt. Gleichzeitig ist die poltisch-didaktische Komponente hier so grossartig in menschliches Drama verpackt, dass sich niemand den Geschichten entziehen möchte.

Schwarzarbeit könnte für die aktuelle politische Diskussion ähnlich fruchtbar und populär werden, wie vor zwanzig Jahren (ja, tatsächlich!) Jean-Stéphane Brons «Mais im Bundeshuus».

In Solothurn noch einmal heute um 17.45 Uhr
Kinostart Deutschschweiz 28. April 2022
Verleih: Fair&Ugly

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