SOMETHING IN THE DIRT von Justin Benson & Aaron Moorhead

Justin Benson und Aaron Moorhead sind Levi und John © XYZ Films

Die beiden sind die Superstars des NIFFF, eine Art Eigenmarke des Festivals in Neuchâtel, das mitgeholfen hat, ihren Ruf aufzubauen.

Entsprechend war das Duo Justin Benson und Aaron Moorhead gestern Abend auf der Bühne im Théâtre du Passage auch empfangen worden. Beide bemühten sie sich, es dem Publikum auf Französisch zu danken. Ein wenig frustrierend für die mit auf die Bühne gekommene Dolmetscherin, die nur lachend mit den Schultern zucken konnte.

Der jüngste Streich der beiden extrem originellen und eingespielten US-Filmemacher ist ihre ureigene Pandemie-Verarbeitung. Eine Minimalproduktion, entstanden in den beiden Jahren des semi-permanenten Lock-Down und aufgeladen mit ihrer persönlichen Dynamik.

Wir haben nun in den letzten Monaten einige solcher Kammerdramen mit durchdrehenden Pandemie-Beschränkten erlebt und meist sind die mässig lustig und wenig haltbar.

Benson und Moorhead sind nicht in die Falle getappt. Zwar spielt auch ihr Film weitgehend in und um eine Wohnung in Los Angeles, aber ohne Pandemie-Referenz. Da treffen sich vielmehr zwei zunehmend irre Männer mit Hang zu Verschwörungs- und Zusammenhangsspinnereien und starten ein Dokumentarfilmprojekt zu Levitationsphänomenen in der Wohnung.

Konkret ist es ein erzhässlicher Aschenbecher aus Kristall, der immer wieder vor der Innenseite des Fensters schwebt und dabei eigenartige Lichtmotive auf die Zimmerwand wirft.

Levi, der eben erst in ein überraschend günstiges Apartment eingezogen ist, lern seinen Nachbarn John kennen, der ihm mit Zigaretten, Hinweisen und Möbeln aus seinen Scheidungsbeständen aushilft.

Und sehr schnell entwickelt sich zwischen den beiden ein lakonischer Stychomythenstil, eine sich ergänzende, steigernde Wechselrede um Alltagsphänomene und Befindlichkeiten. Warum genau ist Levi im Verzeichnis der Sexualstraftäter gelandet? Und ist Johns blutverschmiertes Hemd tatsächlich das Resultat einer aus dem Ruder gelaufenen Goth-Hochzeitsparty?

Was hat es mit der Zahl 1908 auf sich, die plötzlich überall auftaucht? Sind die eigenartigen Phänomene in der Wohnung gravitationsbedingt oder strahlungsverursacht?

Der zentrale Clou des Films besteht darin, dass die zwei Filmemacher ihre beiden Protagonisten selber spielen, mit einer schauspielerischen Brillanz übrigens, die sich gewaschen hat. Es ist keine kleine Leistung, die Leinwand mit vorder- und hintergründig banalen, wenn auch aufgeladenen Sätzen zu magnetisieren, so sehr, dass man an diesen Gesichtern kleben bleibt.

Und die NIFFF-Habitués, welche das Duo in den Jahren ihrer Auftritte hier am Festival erlebt haben, erkennen in der sich steigernden Wechselrede von Levi und John den Alltagsumgang von Benson und Moorhead wieder.

Das Wort vom Rabbit-Hole, dem Kaninchenbau, in dem Alice sich im Wunderland verliert, hat in den letzten zwei Jahren rund um all die irren und noch irreren Verschwörungstheorien die Runde gemacht. Das Prinzip ist hinlänglich bekannt. Niemand kennen keinen, der nicht in dem Loch verschwunden wäre.

Gerade darum ist es so packend, wenn auch nicht immer gleich über die gegen das Ende hin doch etwas langgezogenen 115 Minuten des Films, zu erleben, wie die gedankliche Welterklärungskreativität der Filmemacher nahtlos in diese ungebremste Selbstreferentialität verliert, aus der Menschen nicht nur nicht herausfinden, sondern in der Regel gar nicht herausfinden wollen.

Dass Something in the Dirt damit ganz nebenbei die Attraktivität und das Berauschende des fantastischen Kinos beschreibt, ist ein kleiner, aber wichtiger Aspekt dieses in erster Linie eben auch wieder intelligent kontrollierten Filmes.

Die Methode hat Wahnsinn, aber sie bleibt Methode. Das ist attraktiv und beruhigend.

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