THE COW WHO SUNG A SONG INTO THE FUTURE von Francisca Alegría

Magdalena (Mía Maestro) steigt Jahre nach ihrem Tod aus dem Fluss © Match Factory

«Magischer Realismus» in einem Film aus Chile: Damit kann man Tote wecken. Im Falle von Magdalena (Mía Maestro) passiert das inmitten einer lokalen Umweltkatastrophe.

Die Abwässer einer Papierfabrik haben die Fische im Fluss verenden lassen, und aus dem Wasser steigt mit letzter Kraft eine Frau im tropfenden Motorradanzug, barfuss, und zieht sich den Helm vom Kopf.

In der Stadt brüskiert die schmallippige Chirurgin Cecilia (Leonor Varela) derweil ihren Trans-Sohn, den sie einmal mehr mit einem Freund geschminkt und aufgedonnert in seinem Zimmer antrifft: «Solange Du in meinem Haus lebst, bleibst du mein Sohn, mi hijo!»

Cecilia hat Mühe mit ihrer Mutterrolle, stellt sich heraus. Denn ihre eigene Mutter war Magdalena, die sich mit dem Motorrad im Fluss ertränkte, als Cecilia ein kleines Mädchen war.

Mutterschaft und Verantwortung stehen im Zentrum dieses Films aus Chile, die sechsundreissigjährige Filmemacherin packt allerdings viel zu viel in ihre Geschichte.

Denn neben die Rückkehr der toten Magdalena, die wahrscheinlich indirekt ihren  verzweifelten Enkel davor bewahren möchte, ihr eigenes Schicksal zu wiederholen, stellt Alegría eine komplette Oekofabel, die sich gewaschen hat.

Nicht nur die Fische im Fluss sind verendet, auch die Bienenvölker sterben, und die ganze Kuhherde auf der (gross-) väterlichen Milchfarm begeht kollektiven Selbstmord, indem sie Wasser aus dem verseuchten Fluss trinkt.

Das wäre einigermassen schlüssig. Sogar jener Moment, in dem die durch das Wiederauftauchen der toten Mutter in ihrer eigenen Mütterlichkeit geläuterte Cecilia ihrem Bruder erklärt, die Kühe hätten den Tod gesucht, weil sie die Trennung von ihren Kälbern nicht mehr ertragen hätten.

Aber der Film setzt auch seinen Titel fast wörtlich um: La Vaca que cantó una Canción hacia el Futuro. Bei der einen singenden Kuh bleibt es nicht, irgendwann vor dem traurigen Ende der Tiere stimmt die ganze Herde in den Gesang mit ein, und spätestens da verliert sich der magische Realismus in unfreiwilliger Komik.

Dass das fantastische Kino derzeit immer wieder ökologische Katastrophen und die Zerstörung der Natur ins Zentrum rückt, ist nicht weiter überraschend. Schliesslich ist fast alles, was die Genremöglichkeiten der Filmgeschichte nutzt, jeweils seismografisch mit seiner Entstehungszeit verknüpft. Oder anders gesagt: Das fantastische Kino ist am effizientesten, wenn es latente Ängste bedient.

Aber im Falle dieser ökologisch-transzendental aufgeladenen Mutterschaftsparabel sind es wohl auch die Gesetzmässigkeiten internationaler Förderkonzepte, die bedient wurden. An der chilenischen Produktion sind so viele Produzentinnen und Produzenten gerade auch aus europäischen Ländern beteiligt, dass der Verdacht nahe liegt, beim Konzipieren des Finanzierungsmodells habe der Corleone-Effekt mitgespielt: Make them an offer they can’t refuse.

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