Es gibt gerade im Horrorkino viel weniger Doppelautoren als etwa bei den Krimischreibern. Das Duo Justin Benson und Aaron Moorhead ist aber seit Jahren ein eingespieltes Team und die beiden finden immer wieder einen neuen Twist für alte Sujets.
Mit Spring haben sie sich in das Territorium von Cat People vorgewagt, insbesondere ins Gebiet der Version von Paul Schrader mit Nastassia Kinski von 1982. Angstlust treibt das Horrorkino, und wer sie so direkt thematisiert wie damals Schrader, treibt ein gewagtes Spiel, nahe am Exploitation-Kino der gequälten Hexen.
Aber Paul Schrader ging damals einen wichtigen Schritt weiter. Der Mann, der sich in die Katzenfrau verliebte, musste sich sagen lassen, er liebe in Wirklichkeit die Gefahr, die von ihr ausgehe – schliesslich besteht der Fluch der Cat People ja gerade darin, dass sie sich nach dem Geschlechtsakt in Panther verwandeln und morden – bevorzugt ihre Sexpartner.
Dass Schrader mit der Angst vor dem Kontrollverlust im Sexakt spielte und mit der Kombination von Gefahr und Attraktion, das machte seinen Film zum Hit (und zugleich auch den Abspannsong «Cat People (Putting Out Fire)» von David Bowie, den Quentin Tarantino schön pervers mit Inglourious Basterds neu auflegte).
Aber Schrader begnügte sich dem Zeitgeist entsprechend mit einem Kompromiss: Die Gefahr lässt sich nicht zähmen, die Frau opfert schliesslich aus Liebe ihre Menschlichkeit und zieht sich in die Existenz als domestizierte, eingesperrte Katze zurück.
Benson und Moorhead ist mit Spring nun eine überraschend zeitgenössische und geschlechtergerechte Variante gelungen.
Sie erzählen vom jungen Amerikaner Evan (Lou Taylor Pucci), der nach dem Tod beider Eltern auf einem Italien-Trip zu sich selber finden möchte, sich bei einem kleinen Orangenbauer gegen Kost und Logis verdient und sich bald in die sehr unabhängige Louise (Nadia Hilker) verliebt.
Dass Nadia eher Sex sucht als eine Beziehung, dass sie flirtet und ausweicht, wenn es um sie selber geht, und Evan gleichzeitig Ehrlichkeit und Offenheit abverlangt, das irritiert ihn. Und fordert ihn heraus. Und natüclich merkt das Publikum lange vor Evan, dass mit Louise etwas nicht stimmt.
Sie setzt sich Spritzen, ihre Haut beginnt sich manchmal spontan aufzulösen, und bald ahnt man, dass sie etwas von einer Hexe haben muss, von einem Vampir, oder einem Werwolf – einen Fluch jedenfalls, dem sie mit wissenschaftlicher Akribie beizukommen versucht.
Evan jedenfalls wird von Louise angezogen, nicht von dem Monster, ihn fasziniert die Frau und ihre Lebenslust. Und da genau liegt die kleine Revolution dieses Films: Genre-Kino ist meist konservativ und subversiv zugleich – aber selten bis nie aktiv bei der Gleichberechtigung der Geschlechter. Klar gibt es das «Final Girl» und immer häufiger taffe Frauen. Aber die bleiben topisch, sind Regelumkehrungen.
Benson und Moorhead kombinieren zwei weitere Topoi zu etwas neuem. Ohne mehr vom Plot verraten zu wollen, sei der Hinweis gestattet, dass Louise einerseits nicht die geringste okkulte oder religiöse Haltung hat, sondern ihre Kondition wissenschaftlich, evolutionsbiologisch und gentechnisch untersucht. Und dass sie sie so weit verstanden hat, dass sie um die Vorteile weiss: Ewige Wiedergeburt und Selbsterneuerung.
Und da kommt das tragische Thema von Tony Scotts The Hunger mit Catherine Deneuve und David Bowie ins Spiel, jenem Film, der im Jahr nach Schraders Cat People herauskam: Der Schmerz der Unsterblichen über den Verlust der sterblichen Geliebten. Die von Deneuve gespielte Vampirin versucht alles, um ihren jüngeren Mann am Leben zu erhalten. Aber schliesslich endet er wie alle seine Vorgänger als lebende Schrumpfmumie auf dem Dachboden. Der Preis für die Unsterblichkeit ist die ewige Einsamkeit.
Selber aus Liebe zu einem sterblichen die Sterblichkeit zu wählen kommt für Deneuves Vampirin nicht in Frage. Aber natürlich ist auch dieses Thema so alt wie die Menschheit, von der griechischen Mythologie bis zu Andersens kleiner Meerjungfrau haben immer wieder Götter, Halbgötter und Fabelwesen ihren Status aufgegeben, um mit einem Menschen zusammen zu sein.
Dass Spring nun allerdings auch da noch einen (speziell romantischen) Twist findet zum Ende, das ist nur die letzte von vielen schönen (und einigen schleimigen) Überraschungen, die dieser Film zu bieten hat.