MONSTER (Kaibutsu) von Hirokazu Kore-Eda

Freunde? Feinde? Oder mehr? Hiiragi Hinata und Soya Kurokawa © cineworx

Saori Mugino (Sakura Ando) fällt bei ihrem sonst so aufmerksamen und liebevollen Sohn Minato (Soya Kurokawa) eine Verstörung auf, das Fehlen eines einzelnen Turnschuhs, Erde in seiner Schultrinkflasche.

Und die seltsame Frage, ob ein Mensch mit einem Schweinehirn immer noch ein Mensch sei, oder doch eher ein Schwein. Das sei eine theoretische Frage, sein Lehrer Hori (Eita Nagayama) habe sie aufgeworfen.

Als Minato dann auch noch nach einem seltsamen Ausflug in einen Kanalisationstunnel auf ihr Nachfragen aus dem fahrenden Auto fallen lässt, spricht Saori bei der Schule vor: Lehrer Hori habe ihren Sohn offenbar misshandelt.

Sakura Ando (Saori) © cineworx

Kore-Eda und sein Co-Drehbuchautor Yuji Sakamoto, mit dem er zum ersten Mal zusammenarbeitet, erzählen die Geschichte von Monster im Rashomon-Stil, aus wechselnder Perspektive, mit Rücksprüngen aber ohne explizite zeitliche Marker.

Die Art des Erzählens ist mittlerweile so etabliert, dass sie keiner zusätzlichen Strukturierung bedarf. Was Kore-Edas emphatischen Stil sehr entgegenkommt. Und man muss die Geschichte auch nicht «spoilern», um die raffinierte Funktionsweise dieses Films hervorzuheben.

Natürlich ändert die Perspektive die Wahrnehmung. Aber je mehr sich die Geschehnisse enträtseln, desto heller und lichter wird der eine Strang der Geschichte und umso tragischer der andere.

© cineworx

Erzähltechnisch erinnert der Film darum ganz entfernt an Irréversible von Gaspar Noé von 2002. Die unerklärlichen Begebenheiten des Beginns münden in ein «was hätte sein können».

Hirokazu Kore-Eda erzählt eigentlich immer von Familien, oft von Wahlverwandschaften. Ob es dabei um die Sozialhilfe-Gemeinschaft der Shoplifters geht, um vertauschte Kinder oder die lebendig gewordene Sexpuppe in Kuki Ningyo von 2009 macht dabei keinen Unterschied.

Hiiragi Hinata © cineworx

Was diese Filme so einzigartig macht, ist die Präzision, mit der Kore-Eda die Beziehungs-Geflechte der Menschen angeht, ohne dabei den grösseren sozialen Zusammenhang aus den Augen zu verlieren. Das sind immer zutiefst menschliche Dramen, auch die leichtfüssig erzählten, die meist mit einem Versagen der grossen sozialen Gemeinschaft einhergehen.

In Monster trifft die Angst einer Mutter um ihren Sohn auf die prekäre Situation der Lehrer an der Schule und das alles spiegelt sich auch noch im Leben der Schuldirektorin. Wie gewohnt sind alle Rollen, gerade auch die der Jugendlichen und der Kinder, hervorragend besetzt.

Das ist einmal mehr ein meisterlicher Film von Hirokazu Kore-Eda. Und er wird begleitet von einem der letzten musikalischen Scores des im März verstorbenen Ryūichi Sakamoto.

Yuko Tanaka © cineworx

 

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