Cannes 09: Antichrist angekündigt

Martin

Heute Abend wird Lars von Triers Antichrist hier in Cannes gezeigt. Am Sonntag! Und im Vorfeld tun sich seltsame Dinge im Palais du Festival. Da habe ich zum Beispiel versucht, den Kollegen Martin Walder (NZZ am Sonntag) zu porträtieren. Was dabei herausgekommen ist, ist hier zu sehen. Wir wissen nicht, ob es sich bei den Erscheinungen um leidende Seelen, spektrale Dämonen oder ganz einfach teuflisches Sperma handelt. Von blossem Auge sind sie nicht wahrnehmbar. Martin Walder geht es gut.

Cannes 09: Sophie Marceau und Monica Bellucci knipsen

Monica Bellucci, Marina de Van, Sophie Marceau PK 'Don't Look Back' Cannes © sennhauser
Monica Bellucci, Marina de Van, Sophie Marceau ©sennhauser

Natürlich fragt man sich bei jedem Film in Cannes ein wenig misstrauisch, warum er nicht im Wettbewerb läuft, wenn er zwar in der offiziellen Selektion, aber eben hors concours gezeigt wird. Schliesslich gibt es auch noch Un certain regard, für Filme, die zwar interessant, aber nicht absolut konkurrenzfähig sind. Bei Ne te retourne pas (Don’t Look Back) von Marina de Van ist die Frage leicht zu beantworten: Warum sollte das Festival auf die publicityträchtige Präsenz von Monica Bellucci und Sophie Marceau verzichten, bloss weil der Film nicht wirklich gut ist? „Cannes 09: Sophie Marceau und Monica Bellucci knipsen“ weiterlesen

Cannes 09: Ne te retourne pas

Sophie Marceau und Monica Bellucci in 'Don't Look Back' von Marina de Van
Sophie Marceau und Monica Bellucci in ‚Don’t Look Back‘ von Marina de Van

Sophie Marceau, die sich in Monica Bellucci verwandelt, das tönt faszinierend. Leider aber ist dieser zweite Spielfilm von Marina de Van ein B-Picture, das sich selber zu ernst nimmt. Mit Hochglanzbildern und einer schönen Kamerafahrt über Sophie Marceau, die sich im Badezimmer zurecht macht, fängt es an, mit Videoaufnahmen, auf denen sie sich selber und ihre Kinder nicht mehr erkennt, geht es weiter und schliesslich beginnen sich auch ihre Züge zu verändern, bis sie – quel horreur! – aussieht, wie Monica Bellucci. „Cannes 09: Ne te retourne pas“ weiterlesen

Cannes 09: Un prophète

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Jacques Audiard kommt aus einer Filmemacherfamilie, seine Filme haben die Sicherheit und den langen Atem der Tradition. Gleichzeitig bringt er bei jedem neuen Film eine neue Fremdheit ein, die Neugier weckt und nervös macht. Bei seinem aktuellen Cannes-Wettbewerbsbeitrag Un prophète ist die Familie das Gefängnis, der Protagonist ein arabischstämmiger Franzose, und die Gefahr sowie die Fremdheit kommen aus allen Elementen eines Kino-Genres, gerade und vor allem den vertrauten. Gefängnisfilme sind genremässig ein vertrautes Territorium für jedes Publikum, ähnlich wie Gerichtsfilme verhandeln sie die Welt und die Gesellschaft in einer geschlossenen, überschaubaren Versuchsanlage. Aber Audiard verzichtet ausgerechnet auf diese Geschlossenheit des Systems. Der Junge wird mehr oder weniger direkt aus der Jugenderziehungsanstalt ins gnadenlose System der erwachsenen Insassen katapultiert. Vom Capo der korsischen Fraktion, der das Gefängnis mehr oder weniger kontrolliert, wird er sofort instrumentalisiert, um einen arabischen Zeugen umzubringen. Für die anderen Araber ist er damit Korse, für die Korsen bleibt er der „sâle arabe“. Aber die Gefängniswelt ist untrennbar mit der Aussenwelt verbandelt bei Audiard. „Cannes 09: Un prophète“ weiterlesen

Cannes 09: Taking Woodstock

Ang Lees 'Taking Woodstock' © Ascot-Elite Schweiz
Ang Lees 'Taking Woodstock' © Ascot-Elite Schweiz

Es gehört zu den vielen kleinen Klugheiten dieses Woodstock-Films, dass weder die Bühne noch die musikalischen Legenden je wirklich ins Bild kommen. Ein einziges Mal zeigt Ang Lee in Taking Woodstock einen Teil des legendären Open-Air-Konzertes: Ganz weit im Hintergrund, am Fuss des sanften Abhangs auf dem tausende von Zelten stehen, sieht man die erleuchtete Bühne, während die Hauptfigur, der junge Elliot Tiber auf dem Weg dorthin von einem Hippie-Paar im parkierten VW-Bus mit auf einen Acid-Trip genommen wird. Ang Lee und sein Screenwriter und Co-Produzent James Schamus haben die Memoiren von Elliot Tiber in einen dichten, fröhlichen, optimistischen Spielfilm geformt, der mit dokumentarischem Elan die Stimmung der ausgehenden 60er Jahre rekonstruiert.

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Cannes 09: Bright Star von Jane Campion

'Bright Star' von Jane Campion
‚Bright Star‘ von Jane Campion

Die kurze, heftige, vom nahen Tod des Dichters gezeichnete Liebesgeschichte zwischen dem 23jährigen Romantiker John Keats und seiner 18jährigen Nachbarin Fanny Brawne bezieht ihre unsterbliche Faszination – wie viele der Geschichten rund um die Romantiker – aus der Art, wie sie ihre schwärmerische Weltsicht in ihr tatsächliches Leben integrierten. So wie Jane Campion ihren Film angelegt hat, als vordergründig unsentimentalen, realistischen Vorstoss ins Jane-Austen-Territorium, verstärkt sie genau dieses erzromantische Element der lodernden Gefühle. Sie führt die junge Fanny als Fashion-bewusste Designerin und Näherin ein, zeigt die Schauspielerin Abbie Cornish zu Beginn des Films mit Nadel und Faden und dann bald darauf selbstbewusst, direkt und gnadenlos ehrlich in einem ländlichen Salon in Londons Vorort Hampstead, wo sie und ihre Familie den Dichter Charles Brown und seinen Freund Keats besuchen. Wirkt dieser erste Besuch noch ein wenig expositorisch, entfalten die nächsten Szenen bereits den leisen Sog, welcher diesen Film kennzeichnet: Die jungen Leute um Brown und Keats, um Brawne und die anderen reden über Dichtung und Gedichte mit der gleichen Leidenschaft, wie heutige Cinéphile über das Kino und die Filme und die Arbeit eines verehrten Könners.

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Cannes 09: Le Schlock du marché

marchedufilm.jpgWeil das Wetter heute Cannes in Stich gelassen hat, habe ich meine kurze Pause zwischen den Filmen für den obligaten Rundgang bei den Krämern im Marché du Film gemacht. Mein cinéphiles Herz wird in diesen Katakomben des Schlocks und der exploitation movies immer wieder zum adoleszenten Gummiball. So viel wunderbarer Mist, so viel halbkranke Fantasie, soviel Lust an der Fantastik wartet hier immer wieder auf Käufer. Wie so oft bei diesen Produkten genügen mir die Plakate: Sie erzählen die Geschichte in nuce, und meine Fantasie ist beim Weitererzählen immer viel besser als die realen Schwarten. Nach dem Sprung folgt die Gallerie der Schlockplakate als Probe aufs Exempel!

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Filmpodcast Nr. 129: Cannes, Angels and Demons, George Lucas

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Einzug der Cannes-Gladiatoren über den roten Teppich

Herzlich Willkommen zu Kino im Kopf mit Brigitte Häring. Das Filmfestival von Cannes steht heute im Zentrum unserer Filmrolle – Michael Sennhauser ist dort und hat schon diese Woche viel Interessantes zu erzählen. Ich werde anhand der neuen Dan Brown-Verfilmung Angels and Demons über den Vatikan als unfreiwilligen Werbeträger nachdenken. Und schliesslich gibt’s auch diese Woche wieder ein Geburtstagskind. Nachdem die letzte Rolle ganz im Zeichen von Star Trek stand, gratulieren wir heute dem Star Wars-Schöpfer George Lucas zum 65. Und natürlich gibts auch Filmkurztipps und eine Tonspur.

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Cannes 09: Air Doll – Kuki Ningyo

Air Doll Hirokazu Kore-Eda

Der Japaner Hirokazu Kore-eda ist einer meiner Lieblingsregisseure, seit seinem Meisterwerk Maboroshi no hikari. Mit Dokumentarfilmen hat er angefangen und dann mit seinen Spielfilmen immer mehr jene Ecken der japanischen Gesellschaft erforscht, die auf den ersten Blick am unzugänglichsten erscheinen – und gerade darum die universellsten Filmerlebnisse bieten. Der Tod, der Abschied und das mögliche Leben nach dem Abschied gehören zu seinen Themen, am originellsten umgesetzt in After Life. Und jetzt soll der stille Regisseur einen Film über eine aufblasbare Sexpuppe gemacht haben?

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Cannes 09: Thirst

Thirst von Park Chan-Wook

Park Chan-Wook aus Südkorea hat hier in Cannes mit seiner Rachegroteske Old Boy 2003 verblüfft und zum Teil aufgeregt. Seine Rachetrilogie ist abgeschlossen, und mit Thirst hat er nun ein altes Lieblingsprojekt durchgezogen. Es handelt sich um eine weitere, raffinierte Dekonstruktion des Vampir-Mythos. Von der Anlage (und natürlich dem Titel) her erinnert der Film sehr an Tony Scotts The Hunger mit Catherine Deneuve und David Bowie von 1983, allerdings ist es hier ein Priester, der zum Vampir wird und urplötzlich gegen die Animalität in sich selber ankämpfen muss. Natürlich kann das gar nicht anders als grotesk und damit bisweilen auch urkomisch daherkommen. Aber Park Chan-Wook hält perfekt die Balance zwischen der Ernsthaftigkeit des Genrefilms und der Groteske.

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