Berlinale09: Sally Potter, radikal wie eh und je

Rage by Sally Potter: Steve Buscemi

Die Britin Sally Potter hat sich nie damit begnügt, einfach Filme zu machen. Jeder ihrer Filme ist ein Experiment für sich – oder für sie. Von Orlando bis The Tango Lesson, bis zu den jambischen Pentametern von Yes hat sie es immer wieder von neuem geschafft, sich formal und inhaltlich radikal neu zu positionieren. Zwischen ihren Filmen liegen immer ein paar Jahre. Und ihr jüngster ist auch wieder ein Experiment. Rage ist aufgebaut als „mockumentary“, als künstlicher Dokumentarfilm. Ein Schüler Namens Michelangelo filmt die Protagonisten einer New Yorker Fashion Show mit seiner Hamadan Handycam. Im Prinzip besteht der ganze Film aus einer Reihe von ‚talking heads‘, von bekannten und unbekannten Schauspielerinnen und Schauspielern gespielt. Judi Dench ist eine Moderedaktorin, Steve Buscemi ein abgehalfterter Fotograf, Jude Law spielt „Berlinale09: Sally Potter, radikal wie eh und je“ weiterlesen

Berlinale09: ‚Gigante’von Adrián Biniez

Gigante: Horacio Camandule

Eine schöne Überraschung aus Uruguay bot der Wettbewerb der Berlinale heute. ‚Gigante‘ ist nur 84 Minuten kurz, und vom Prinzip her einer dieser Überwachungskamera-Filme, wie es sei seit ein paar Jahren in allen Genres von Thriller bis Horror. Gibt. Regisseur Adrián Biniez gibt dem Spiel mit dem beobachteten Beobachter einen neuen Twist. Sein Held Jara ist ein grosser, schwerer, starker Mann, schüchtern, eine Seele von einem Mensch. In der Sicherheitszentrale eines riesigen Supermarktes sitzt er hinter den Monitoren und verliebt sich während einer Nachtschicht in eine der Putzfrauen, die er auf dem Bildschirm beobachet. Schüchtern wie er ist, stellt er ihr nach einigem Zaudern erst mal anonym einen kleinen Kaktus in die Ladenzeile, „Berlinale09: ‚Gigante’von Adrián Biniez“ weiterlesen

Berlinale09: Moleskin, Teddy, Babylätzchen – Shop till you drop

berlinale teddy

Auch andere Festivals bringen ihr Logo und ihren Brand unter die Leute. Aber der diesjährige Berlinale-Fan-Laden schlägt sogar Cannes an Absurdität. Der Berlinale Teddy ist ja noch ein naheliegendes Produkt. Daneben bietet der Katalog aber mit einer sich vor Begeisterung überschlagenden Schreibe auch folgendes an:

Die beliebte Festivaltasche ist in neuem Design erhältlich. Bewährte Artikel, wie der Berlinale-Becher aus Porzellan, werden durch das neue originelle Berlinale-Frühstücksbrettchen ergänzt. Erstmals erhältlich: Der hochwertige Flaschenverschluss für Weinflaschen mit exklusiver Berlinale-Gravur. Für die Kleinsten gibt es in diesem Jahr das neue Berlinale-Lätzchen, sowie den beliebten Berlinale Teddy in Weiss.

Cumulus-Punkte gibts aber keine.

Berlinale09: Selbstverständlich tödliche Frauen

human zoo rie rassmussen berlinale

Zwei Filme haben mich hier in den ersten Tagen verblüfft mit ihren Protagonistinnen. Einerseits Lille Soldat von Annette K. Olesen aus Dänemark, die Geschichte einer dänischen Soldatin, die aus dem Irak zurückkommt und kaum mehr Fuss fassen kann zuhause. Und da war der Panorama-Eröffnungsfilm Human Zoo von und mit Rie Rasmussen. Die Filmemacherin spielt eine Frau, welche die Balkankriege der 90er Jahre an der Seite eines waffendealenden Deserteurs überlebte und dann nach Marseille geflüchtet ist. Der Film ist ganz sicher nicht gängiges Kino, er benimmt sich eher wie eine Underground-Produktion, die allerdings nicht so aussieht (weil zuviel Geld für die Produktion da war, wie ein sehr geschätzter Kollege auf dem Klo bemerkte). Vor allem aber spielt der Film mit weiblichen Gewaltfantasien auf eine Art, die das Mainstreamkino nicht bedienen würde. Die Hauptfigur hängt an ihrem Retter / Beschützer / Macker mit einer Hassliebe, sie verabscheut seine Gewalttätigkeit, trägt sie aber lange Zeit mit und „Berlinale09: Selbstverständlich tödliche Frauen“ weiterlesen

Berlinale09: Nazis auf dem Mond?

nazis on the moon berlinale (c) sennhauser

Manchen Dingen am Rande eines Filmfestivals kann der rasende Reporter gerade auf Grund seines Rasens nicht wirklich auf den Grund gehen. Darum weiss ich immer noch nicht, was es mit ‚Truth today“ und den Nazis auf dem Mond auf sich hat. Dabei lag so etwas wie eine Zeitung neben dem Plakat. Aber niemand hat sich dafür interessiert, weil gerade all die schönen Iranerinnen aus dem Wettbewerbsfilm Darbareye Elly -‚About Elly‘ über den roten Teppich dahinter schwebten. „Berlinale09: Nazis auf dem Mond?“ weiterlesen

Berlinale09: ‚Ricky‘ von François Ozon

Ozon Francois Ricky

Ozon ist und bleibt der Wunderknabe des französischen Kinos. Und sein Ricky ist auch einer. Zumindest müssen das seine Eltern annehmen, als sich der Kleine schon bald nach seiner Geburt als ziemlich speziell erweist. Was das Spezielle an Baby Ricky ist, soll hier nicht verraten werden. Was das Spezielle am Film ‚Ricky‘ ist, dafür um so mehr: Ozon nimmt einen phantastischen kleinen Plot, der bei Disney zu einer süsslichen Familienkomödie verarbeitet worden wäre, und er macht ein realistisches Sozialdrama daraus. Eine alleinstehende Arbeiterin mit kleiner Tochter verliebt sich in einen Arbeiter, wird von ihm schwanger, beschuldigt ihn, das Baby geschlagen zu haben und „Berlinale09: ‚Ricky‘ von François Ozon“ weiterlesen

Berlinale09: Sturm auf Tickets

arkaden anstehen für berlinale tickets

Anders als etwa das Festival von Cannes ist die Berlinale auch ein Publikumsfestival: Tickets können gekauft werden, und fast alle Vorstellungen (ausser den vorgezogenen für die Presse) sind öffentlich. Und davon wird auch heftig Gebrauch gemacht. In der Shopping Mall Arkaden am Potsdamer Platz stehen die Leute den ganzen Tag geduldig an, und zwar beidseitig. Und für die Journalisten, welche häufig Filme nur unter sich sehen, ist die Berlinale immer wieder auch eine Lektion in Publikumsnähe. Auch wenn mir öfters die Ohren klingeln hier: Die wirklich blöden Kommentare zu Filmen kommen genau so oft von Kollegen wie aus dem zahlenden Filmvolk. Die ganz idiotischen Fragen „Berlinale09: Sturm auf Tickets“ weiterlesen

Berlinale09: ‚The Reader‘ mit Kate Winslet

The Reader Kate Winslet David Kross

Mit The Hours und einer falschen Nase hat Stephen Daldry schon Nicole Kidman zu einem Oscar verholfen. Sein jüngster Film The Reader nach dem deutschen Roman „Der Vorleser“ von Bernhard Schlink, könnte nun leicht das gleiche für Kate Winslet erwirken. Sie ist gewohnt eindrücklich in der Rolle der ehemaligen KZ-Aufseherin, die einen 15jährigen verführt (oder von ihm verführt wird, wenigstens das lässt der Film einigermassen offen). Auch der Stoff ist spannend, und der zeitlich komplex verschachtelte Plot. Aber hier fangen auch schon die Schwierigkeiten des Films an:

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Berlinale09: Tom Tykwer und sein alter ego

Tom Tykwer

Es ist tatsächlich verblüffend: Die Hauptdarsteller fast aller Tom-Tykwer-Filme gleichen irgendwie dem Regisseur. Von „Siebenschläfer“ über „Das Parfum“ bis zum jüngsten Thriller „The International“ (siehe unten) hat er Männer besetzt, die seine Brüder sein könnten. Insbesondere im Fall von Clive Owen in „The International“ ist die Ähnlichkeit frappant (einfach zum vorigen Blogeintrag runterscrollen). An der heutigen Pressekonferenz in Berlin wurde Tykwer gleich von zwei Journalisten darauf angesprochen und hat dann leicht amüsiert erklärt, da sei vielleicht schon was dran, dass man sich als Filmemacher am liebsten selber besetzen würde. Aber einleuchtender sei doch, dass man auf einem Filmset intensiv zusammenarbeite an einem Gemeinschaftswerk und sich dabei wohl zu gleichen beginne. Einen Ausschnitt aus seinem Erklärungsversuch gibts hier zu hören:

Berlinale09: The International – zur Eröffnung ein alter Mercedes

The International Clive Owen

Ein etwas ungewohnter Vergleich für einen Film. Aber Tom Tykwers Thriller The International fühlt sich effektiv so an, wie eines dieser grundsoliden Mercedes-Taxi: Luxus im Alltag, gut verarbeitet, läuft meist geräuschlos und vor allem gemächlich. Für die Berlinale ist der Film ein Glücksfall: Deutscher Regisseur, Internationale Produktion, und – zumindest nominell – ein brandaktuelles Thema. Dass es mit dem Thema korrupte Grossbank und Waffenhandel und internationale Verstrickungen nicht gar so weit her ist, wie man das erwartet hätte, macht auch nichts. Das Schönste an dem Film ist sein Verzicht auf das längst übliche Hightech- und Schnitt- und Actionfeuerwerk. Da wird ganz langsam ein Plot hoch gekocht, mit einzelnen Morden, vielen internationalen Schauplätzen und netten kleinen Low-Tech-Gags, wenn

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