Cannes 09: Vincere

vincere di marco bellocchio

Am 9. November dieses Jahres wird Marco Bellocchio 70 Jahre alt. Als die Heldin seines aktuellen Films, Ida Dalser, am 11. Dezember 1937 im Irrenhaus starb, war er also noch nicht mal geboren. Und als der Mann, der die Frau um den Verstand, ihr Glück und schliesslich ihr Leben gebracht hatte, am 28. April 1945 von Partisanen erschossen wurde, war Marco Bellocchio auch erst knapp 5 Jahre alt. Aber der Furor, den Bellocchio Benito Mussolini, dem Duce, angedeihen lässt, ist inspiriert und massiv.

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Cannes 09: Schnee vor dem Carlton

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Wenn hier während des Festivals irgendwo eine grosse Meute Fotografen lauert, dann ist entweder ein Star unterwegs, oder eine Filmpromotion. Das heisst, in der Regel ist das ja eh das gleiche hier. Den Stunt, den sich Disney und Jim Carrey heute geleistet haben, kennen unsere Schweizer Skiresorts schon längst: Schneekanonen. Nun ist Schnee am Filmfestivals von Cannes, und auch noch vor dem noblen Carlton Hotel ja grundsätzlich ungewöhnlich, der aber war noch etwas ungewohnter:

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Cannes 09: Filmfestival Locarno am Strand

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"Wir werden dieses Jahr noch so viel wachsen", erklärt Locarno-Kapitän Frédéric Maire ©sennhauser

Swissfilms und das Bundesamt für Kultur haben dieses Jahr auf den traditionellen Empfang verzichtet, schliesslich ist die Schweiz in keiner der Cannes-Sektionen wirklich vertreten. Das hat allerdings das Filmfestival von Locarno nicht davon abgehalten, seinen Stehempfang für die Interessierten und Zugewandten abzuhalten, gestern um 17 Uhr im exklusiven Strandrestaurant „La plage des palmes“, das Teil des International Village vom Filmmarkt ist.

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Cannes 09: Looking for Eric

looking for eric ken loach

Das Team LavertyLoach bringt es immer wieder fertig, sein klassisches Thema von der Solidarität der kleinen Leute zu variieren. Looking for Eric ist der bisher vergnüglichste Film im diesjährigen Wettbewerb, mit Figuren, einer Geschichte und einem Höhepunkt, der ihm Full-Monty-Potential verleiht. Im Zentrum steht der Briefträger Eric, dem das Leben über den Kopf gewachsen ist. Aber während er in seinem Schlafzimmer heimlich einen Joint raucht, den er seinem älteren Sohn geklaut hat, taucht plötzlich sein Held bei ihm auf, der Fussballer Eric Cantona, und beginnt, ihn wieder aufzubauen. Erics schwacher Punkt ist seine grosse Liebe Lily, seine Frau, die er vor dreissig Jahren hat sitzen lassen.

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Cannes 09: Antichrist

Antichrist

So schön hat schon lange kein Film von Lars von Trier mehr ausgesehen. Und gleichzeitig liegt eine eigenartige Distanz in der Schönheit der Bilder, vor allem auch der Bilder des Schreckens. Denn Antichrist ist tatsächlich ein Horrorfilm. Allerdings nicht der, den der Trailer bei manchen Kollegen evoziert hat. Lars von Trier hat das Drehbuch am Ende seiner zweijährigen massiven Depression konzipiert, und was wir heute in Cannes gesehen haben, ist ein sehr kontrolliertes, kalkuliertes, doppelbödiges Stück Therapie-Therapie, ein Therapie-Exorzismus. Der Plot wird vom Presseheft treffend in zwei Sätzen zusammengefasst: Ein trauerndes Paar zieht sich zurück nach Eden, eine abgelegene Ferienhütte im Wald, in der Hoffnung, dort ihre gebrochenen Herzen und ihre gefährdete Ehe zu reparieren. Aber die Natur nimmt ihren Lauf und die Dinge entwickeln sich von schlimm zu schlimmer.

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Cannes 09: Antichrist angekündigt

Martin

Heute Abend wird Lars von Triers Antichrist hier in Cannes gezeigt. Am Sonntag! Und im Vorfeld tun sich seltsame Dinge im Palais du Festival. Da habe ich zum Beispiel versucht, den Kollegen Martin Walder (NZZ am Sonntag) zu porträtieren. Was dabei herausgekommen ist, ist hier zu sehen. Wir wissen nicht, ob es sich bei den Erscheinungen um leidende Seelen, spektrale Dämonen oder ganz einfach teuflisches Sperma handelt. Von blossem Auge sind sie nicht wahrnehmbar. Martin Walder geht es gut.

Cannes 09: Sophie Marceau und Monica Bellucci knipsen

Monica Bellucci, Marina de Van, Sophie Marceau PK 'Don't Look Back' Cannes © sennhauser
Monica Bellucci, Marina de Van, Sophie Marceau ©sennhauser

Natürlich fragt man sich bei jedem Film in Cannes ein wenig misstrauisch, warum er nicht im Wettbewerb läuft, wenn er zwar in der offiziellen Selektion, aber eben hors concours gezeigt wird. Schliesslich gibt es auch noch Un certain regard, für Filme, die zwar interessant, aber nicht absolut konkurrenzfähig sind. Bei Ne te retourne pas (Don’t Look Back) von Marina de Van ist die Frage leicht zu beantworten: Warum sollte das Festival auf die publicityträchtige Präsenz von Monica Bellucci und Sophie Marceau verzichten, bloss weil der Film nicht wirklich gut ist? „Cannes 09: Sophie Marceau und Monica Bellucci knipsen“ weiterlesen

Cannes 09: Ne te retourne pas

Sophie Marceau und Monica Bellucci in 'Don't Look Back' von Marina de Van
Sophie Marceau und Monica Bellucci in ‚Don’t Look Back‘ von Marina de Van

Sophie Marceau, die sich in Monica Bellucci verwandelt, das tönt faszinierend. Leider aber ist dieser zweite Spielfilm von Marina de Van ein B-Picture, das sich selber zu ernst nimmt. Mit Hochglanzbildern und einer schönen Kamerafahrt über Sophie Marceau, die sich im Badezimmer zurecht macht, fängt es an, mit Videoaufnahmen, auf denen sie sich selber und ihre Kinder nicht mehr erkennt, geht es weiter und schliesslich beginnen sich auch ihre Züge zu verändern, bis sie – quel horreur! – aussieht, wie Monica Bellucci. „Cannes 09: Ne te retourne pas“ weiterlesen

Cannes 09: Un prophète

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Jacques Audiard kommt aus einer Filmemacherfamilie, seine Filme haben die Sicherheit und den langen Atem der Tradition. Gleichzeitig bringt er bei jedem neuen Film eine neue Fremdheit ein, die Neugier weckt und nervös macht. Bei seinem aktuellen Cannes-Wettbewerbsbeitrag Un prophète ist die Familie das Gefängnis, der Protagonist ein arabischstämmiger Franzose, und die Gefahr sowie die Fremdheit kommen aus allen Elementen eines Kino-Genres, gerade und vor allem den vertrauten. Gefängnisfilme sind genremässig ein vertrautes Territorium für jedes Publikum, ähnlich wie Gerichtsfilme verhandeln sie die Welt und die Gesellschaft in einer geschlossenen, überschaubaren Versuchsanlage. Aber Audiard verzichtet ausgerechnet auf diese Geschlossenheit des Systems. Der Junge wird mehr oder weniger direkt aus der Jugenderziehungsanstalt ins gnadenlose System der erwachsenen Insassen katapultiert. Vom Capo der korsischen Fraktion, der das Gefängnis mehr oder weniger kontrolliert, wird er sofort instrumentalisiert, um einen arabischen Zeugen umzubringen. Für die anderen Araber ist er damit Korse, für die Korsen bleibt er der „sâle arabe“. Aber die Gefängniswelt ist untrennbar mit der Aussenwelt verbandelt bei Audiard. „Cannes 09: Un prophète“ weiterlesen

Cannes 09: Taking Woodstock

Ang Lees 'Taking Woodstock' © Ascot-Elite Schweiz
Ang Lees 'Taking Woodstock' © Ascot-Elite Schweiz

Es gehört zu den vielen kleinen Klugheiten dieses Woodstock-Films, dass weder die Bühne noch die musikalischen Legenden je wirklich ins Bild kommen. Ein einziges Mal zeigt Ang Lee in Taking Woodstock einen Teil des legendären Open-Air-Konzertes: Ganz weit im Hintergrund, am Fuss des sanften Abhangs auf dem tausende von Zelten stehen, sieht man die erleuchtete Bühne, während die Hauptfigur, der junge Elliot Tiber auf dem Weg dorthin von einem Hippie-Paar im parkierten VW-Bus mit auf einen Acid-Trip genommen wird. Ang Lee und sein Screenwriter und Co-Produzent James Schamus haben die Memoiren von Elliot Tiber in einen dichten, fröhlichen, optimistischen Spielfilm geformt, der mit dokumentarischem Elan die Stimmung der ausgehenden 60er Jahre rekonstruiert.

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