Locarno 09: ‚Frontier Blues‘ von Babak Jalali

Frontier Blues Turkmen

Da haben wir erst den dritten Film im aktuellen Wettbewerb von Locarno, der sich als wenigstens einigermassen würdig erweist (die anderen beiden sind der und vor allem der) – auch wenn er gleichzeitig alle Referenz-Klischees erfüllt, um hier die Nebenpreise abzuräumen. Gedreht von einem Iraner unter vierzig (Babak Jalali hat Jahrgang 1978), entwickelt mit einem Stipendium der Cinéfondation Cannes, gewidmet der Geburtststadt des Regisseurs und auch dort angesiedelt: In Gorgan, einem Dorf an der Grenze zwischen Iran und Turkmenistan, bevölkert von mehrheitlich schweigenden, einsamen Männern in aberwitziger Perspektivenlosigkeit.

Frontiert Blues Donkey

Die Männer in diesem Dorf leben ohne Frauen, die einzige, von der die Rede ist, wurde dem Dorfmusiker von einem Hirten mit grünem Mercedes entführt. Ein Fotograf arbeitet an einem Fotoband über echte Turkmenen und stellt seine Bilder mit dem Musiker und vier Jungen in der Landschaft her – ohne Blick für das Vorhandene. Der einzige, der noch Perspektiven hat, ist Alam, der immerhin mit dem Walkman Englisch lernt. Er möchte heiraten und in die Stadt ziehen. Die anderen, inklusive dem Inhaber des Kleiderladens und seinem nicht ganz voll entwickelten Neffen, bleiben völlig in ihrer absurden Routine und werden vom Film auch immer wieder inszeniert wie Teile der Landschaft. Das ist skurril, komisch, mitunter witzig. Die Bilder und Sequenzen haben die Lakonie von Kaurismäki, allerdings nie den gleichen Tiefgang. Denn dieser Frontier Blues ist eine Behauptung, allenfalls eine Parabel auf die Aussichtslosigkeit. Die Figuren gewinnen im Verlauf des Films nicht an Konturen, sie machen keine Denkprozesse durch, sie verändern sich nicht. Daher wirkt auch der Film bald einmal statisch, wie ein grosses, starres Tableau der Perspektivenlosigkeit in einer eigentlich ganz ansprechenden Steppenlandschaft. Man kann das witzig finden, traurig, deprimierend oder auch einfach spöttisch – aber der Film hat keine Richtung, keine Bewegung. Immerhin hat Jalali einen Sinn für Timing und Bildwitz, auch wenn er den manchmal etwas angestrengt einbringt. Ein klassischer Festivalfilm, der dadurch zu gefallen weiss, dass er seiner deprimierenden Optik komische Flügelchen verleiht. Und dann flattert er halt. Aber für einen Erstling ein beeindruckend beherrschtes Stück Inszenierung, durchaus konterkariert von der Figur des Fotografen, der mit seinen Subjekten unbewusst die gleiche Technik der statischen Aufstellung durchexerziert, wie der Filmer gezielt mit seinen Figuren.

Pardofell

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