Schön ist sie, und manchmal ein wenig durchsichtig, wie gewohnt, jene Michelle Pfeiffer, die wir zum Beispiel aus Scorseses ‚Age of Innocence‘ kennen. In ‚Chéri‘ von Stephen Frears spielt sie eine Pariser Kurtisane der Belle Epoque, eine Frau, die gerade anfängt zu welken, und es auch weiss. Das ist in den ersten fünfzehn Minuten des Films schön giftig und rasant in Szene gesetzt. Schon der Titelvorspann, der gerafft und grafisch originell zurück führt in jene kurze Zeit vor den Weltkriegen, in der ein paar schöne, kluge und souveräne Frauen reich wurden, indem sie es schafften, ohne eigene emotionale Bindung immer wieder die richtigen Millionäre, Könige etc. temporär in ihr Leben einzubinden. Der Film von Stephen Frears folgt zwei Romanen von Colette, in deren Zentrum nicht die schöne Kurtisane steht, sondern ihr jugendlicher Liebhaber Chéri, der sie „Nounou“ nennt und mit ihr sechs Jahre lang in einer glücklichen pseudoinzestuösen Verbindung lebt – bis seine leibliche Mutter ihm eine gute Partie organisiert. Danach sind alle unglücklich, und auch das Publikum wird nicht mehr richtig froh, weil der Film in seinem Ausstattungsprunk erstarrt. Alles ist dekorativ, die Gärten, die Schlösser, die Jugendstilhäuser und -Betten, die Pfeiffer.
‚Chéri‘ fängt wunderbar giftig an, skizziert elegant und souverän eine Welt, die kurz vor ihrem Ende steht (der erste Weltkrieg steht sozusagen hinter den Brokatvorhängen Gewehr bei Fuss) und erstarrt dann in der gepflegten Langeweile der schwächeren Merchant-Ivory-Filme. Und das liegt nicht nur daran, dass der jugendliche Liebhaber zwar schön, aber sowohl als Figur wie auch als Schauspieler ansonsten eigenschaftslos ist (das ist Teil des Konzepts und wird im Film sogar thematisiert). Es liegt eher schon daran, dass Michelle Pfeiffer zwischen zwei emotionalen Zuständen hin- und herschaltet wie ein wirklich sehr schönes Ampelmännchen (ohne Orangephase). Es liegt daran, dass die normalerweise verlässliche Kathy Bates eine Karikatur ihrer Karikatur spielt. Vor allem aber liegt es daran, dass sich Stephen Frears nicht entscheiden mochte: Sind die Hauptfiguren nun oberflächlich souverän und darunter verletztlich, stellen sie das eine dar und lassen das andere durchschimmern? Oder müssen dann doch wieder Tränen fliessen und Seufzer ausgestossen werden? Erzählt sich die Geschichte in Bildern und Tableaus, oder muss ein Erzähler mit raspelnder britischer Ironie kommentierend ein- und ausführen? Frears schmeisst von allem ein wenig dazu, und er zwingt seine Schauspielerinnen, sich um Kopf und Kragen zu reden, wo Blicke und Gesten viel wirklungsvoller gewesen wären. Noch ein Film, der im Kino ganz gut aufgehoben sein dürfte, an einem Festival wie der Berlinale aber mehr Prügel beziehen wird, als unbedingt nötig. Und das nur, um Michelle Pfeiffer auf den roten Teppich zu kriegen? Aber sicher. Auch Cannes hätte der Versuchung kaum widerstanden.