Atomisierte Schweizer Filmproduzenten

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Vor nicht ganz acht Jahren haben sich die Schweizer Filmproduzenten im Streit getrennt. Unzufriedenheit mit dem Verteilmodus der Subventionsgelder, Streit über die Ausrichtung der Filmförderung (mehr Publikumsfilme vs. mehr Autorenfilm), Streit zwischen den Westschweizer und den Deutschschweizer Produzenten … fortan gab es die Swiss Film Producers‘ Association SFP und den GARP, die Gruppe Autoren, Regisseure, Produzenten. Und natürlich auch noch die eigentlichen Autorenfilmer, den Verband Filmregie und Drehbuch ARF/FDS. Aber der Streit um die knappen Filmgelder und die Ausrichtung der Filmförderung hat sich seither nicht verringert, und nachdem die SFP eintrittswillige Kandidaten abgelehnt hatte (mit der Begründung, die seien zu sehr auf die Kommerzialisierung der Schweizer Filmproduktion aus), und damit Austritte provoziert hat, haben die Ausgetretenen und ihre zugewandten Orte heute die Neugründung der Interessengemeinschaft unabhängige Schweizer Filmproduzenten IG bekanntgegeben, inklusive Charta und Absichtserklärung. Ist das sinnvoll, nützlich, nötig?

Schwer zu sagen. In den Augen der Öffentlichkeit hat schon der deutliche Widerstand gegen die blumigen Absichtserklärungen von Pascal Couchepins Filmchef Nicolas Bideau im Bundesamt für Kultur immer wieder zu Kopfschütteln geführt. Denn was soll die Öffentlichkeit schon gegen die publikumsfreundlichen Filme haben, welche Bideau immer wieder gefordert hat (seine mittlerweile berüchtigten „Lokomotiven“)? Jeder weitere, öffentlich ausgetragene Streit, bei dem es letztlich um ohnehin stets akut gefährdete Subventionen geht, ist da mehr als kontraproduktiv.

Dabei geht es im Kern zwar wirklich (fast nur) um die Mittelverteilung, die Argumente und Absichten sind aber ideologisch begründet. Und die Ideologie in der Filmszene verschiebt sich alle drei Jahrzehnte ein wenig, will es scheinen. Einige Jahre fordert die Kunst die Förderung durch den Staat. Und hat sie die erreicht, folgt der Kampf gegen Bevormundung und für möglichst viel Freiheit. Wehrt sich dann der Staat mit Hang zu dirigistischen Massnahmen, tauchen einerseits willige Profiteure mit Lust auf Kooperation auf, andererseits verstärkt sich die Opposition und das Ganze wird verstärkt durch den Kampf um Besitzstandwahrung.

Das Dilemma wird nie zu lösen sein, die einzige staatliche Massnahme, welche relativen Frieden bringt, ist die so verpönte „Giesskanne“, der Verteilschlüssel, der allen etwas bringt. Und damit aber meist auch niemandem etwas nützt. Aber ein „Kulturfrieden“ ist ja an und für sich schon eine unmögliche Vorstellung, denn mit Ruhe und Ordnung hat wahre Kultur nur selten etwas zu tun. In der jüngsten Ausgabe der Branchenzeitschrift Cine-Bulletin verweist Redaktorin Françoise Deriaz in dem Zusammenhang auf eine Dissertation von Olivier Moeschler, welche dieses Seilziehen um Freiheit und Kulturförderung beschreibt. Von Moeschler stammt schon die vor drei Jahren vorgestellte soziologische Studie zum Schweizer Filmpublikum.

4 Antworten auf „Atomisierte Schweizer Filmproduzenten“

  1. Wenn Du mit Öffentlichkeit zum Beispiel die SVP-Parlamentarier meinst, welche ggf. gegen eine Erhöhung oder für eine Beschneidung des Filmkredites stimmen: Dann auf jeden Fall. Wenn Du jene Öffentlichkeit meinst, welche ohnehin lieber Synchronfassungen im Kino sieht, dann: nein.

  2. Die SVP alleine bringt noch keine Kürzung von Krediten durchs Parlament. Und auch das Publikum von Originalfassungen kümmert sich zum grössten Teil wohl kaum darum, worüber sich die Produzenten gerade streiten. Wann werden eigentlich die welschen Filme endlich synchronisiert?!

  3. Filme zu produzieren ist eine äusserst zeitaufwendige und teure Angelegenheit. Die Konkurrenz wird zudem immer grösser bzw. immer mehr (Jung)-Produzenten wollen Ihren Teil vom Suventionskuchen für ihre Filmprojekte (dies zu recht!). Dagegen müssen auch etablierte Produzenten mit kostspieligen Infastrukturen immer mehr als vielleicht früher mit Absagen der öffentlichen Gremien rechnen, weil seit einigen Jahren massiv mehr Filmprojekte bei den Fördergremien eingereicht werden, als Geld vorhanden ist. Letztendlich kämpft jeder (Produzent) gegen jeden, weil seine Existenz vom Entscheid von wenigen Kommissionsmitgliedern der einzelnen Fördergremien abhängig ist. Hinzu kommt ein gewisser „Filz“, der Filmflops wie „Tell“, „Happy New Year“ und bald auch „Die Räuberinnen“ ermöglicht. Schade, dass der publikumsstarke und über Jahrzehnte qualitativ hochstehende Schweizer Dokumentarfilm nicht mehr beachtet wird (auch hinsichtlich der finanziellen Förderung), als die viel teureren Spielfilme. Und zum Schluss: Ein Finanzdesaster wie beim „Sennentutschi“ schadet der ganzen Branche politisch und rufmässig gewaltig. So etwas darf einfach nicht passieren (vor allem wenn es auch noch in der Presse breit getreten wird!).

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