Duisburg 11: DER SCHATTEN DES PROPHETEN von Christian Kobald und Philippe Mayrhofer

Der Schatten des Propheten

Das Bild des Mannes mit dem Kopftuch und dem finsteren Blick ist im Senegal, vor allem in Dakar, allgegenwärtig. Es geht zurück auf die einzige erhaltene Fotografie des Religionsgründers der Muriden, Scheich Amadou Bamba Mbacké, von den Anhängern seiner Sufi-Bruderschaft auch Sériñ Touba genannt. Bevor ich diesen Film gesehen hatte, wusste ich nichts über ihn. Das einzige, was ich schon gelesen hatte: die Muriden stellen den grössten Anteil der Emigranten aus dem Senegal. Auch den beiden Filmemachern war nicht viel bekannt über ihn, aber beide waren fasziniert von der Logo-artigen Qualität des Bildes. Wie kommt ein Mann, der vor über hundert Jahren geboren wurde, zu dieser Omnipräsenz? Denn sein Konterfei ist in Dakar allgegenwärtig, auf Wänden, in Schaufenstern, auf Reklametafeln, auf Amuletten.

Mayrhofer und Kobald, deren anthropologisch-ethnografisches Experiment The Moon The Sea The Mood mich in Duisburg 2008 beeindruckt hatte, gehen vordergründig ganz einfach vor: Sie fahren in den Senegal und beginnen, mit den Leuten zu reden. Schon der Taxifahrer erklärt die magische Wirkung des Konterfeis, zwei weitere Männer schwärmen von der unglaublichen, prophetischen Wirkung des Serin Touba – um am Ende ihres Sermons die T-Shirts mit seinem Konterfei in die Kamera zu halten, von deren Verkauf sie leben. Es folgt ein Fotograf, der gut verdient an den immer neuen Reproduktionen des Originalbildes, die er verkauft, dann diverse Marabus, welche ihre mehr oder weniger direkte Abstammung von Serin Touba beteuern – und gerade, wenn man bereit ist, das ganze als kommerzielle Inszenierung abzutun, tauchen die ersten Zeugen auf, die den Ton verändern.

Mayrhofer und Kobald haben einen überaus runden, vielfältigen Film gebaut, der das Phänomen Serin Touba täuschend einfach aus verschiedenen Blickwinkeln angeht, ohne Kommentar selbstverständlich, aber unter ethnografisch und religionsgeschichtlich informierten und strukturierten Leitlinien, die sich allmählich erschliessen. Dass das in 52 Minuten nicht nur möglich ist, sondern auch ganz rund und dicht wirkt, liegt vor allem daran, dass sie sich immer wieder auf das Bild und die Bildhaftigkeit beziehen. Am klarsten erschliesst sich dies aus dem Schwenk über ein Wandbild, auf dem das standardisierte Porträt von Serin Touba zwischen einem Che Guevara Bild und einem John F. Kennedy-Konterfei steht.

Touba 2

Der Schatten des Propheten ist letztlich nicht bloss eine Lektion in Ikonografie, sondern auch ein Musterbeispiel für einen extrem klugen, dichten, packenden und informierten Dokumentarfilm, der mit den standardisierten 52 Fernsehminuten extrem ökonomisch umgeht und perfekt über die Runden kommt.

Christian Kobald und Philipp Mayrhofer
Christian Kobald und Philipp Mayrhofer

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