SFT12: DIE WIESENBERGER von Bernard Weber und Martin Schild

'Die Wiesenberger' ©xenix

Die diesjährige Auswahl für den Publikumspreis in Solothurn ist gross – und attraktiv. Und mindestens drei der nominierten Dokumentarfilme (Spielfilme sind auch dabei, zum Beispiel Hell von Tim Fehlbaum, oder Off Beat von Jan Gassmann) fahren auf den ersten Blick die Ethno/Folklore-Schiene, wenn auch jeder auf seine sehr spezielle Art. Alpsegen von Bruno Moll, der rasante, schwarzweisse und als Hommage an Scorseses Raging Bull ziemlich grossartig gestaltete Kampf der Königinnen von Nicolas Steiner und schliesslich die grosse Überraschung von gestern Abend, Die Wiesenberger. Der Film ist darum eine positive Überraschung, weil er einerseits sorgfältig eine Erfolgsgeschichte mit Folgeproblemen erzählt, nämlich die der plötzlichen Popularität des Jodlerklubs Wiesenberg nach ihrem Sieg bei den grössten Schweizer Hits.

Andererseits geht der Film über die vordergründige Geschichte hinaus und wird zu einer unaufdringlichen Reflexion der medialen Spiegelwelt. Wenn sich einerseit zuerst die Sänger vom Jodelklub berührt zeigen davon, plötzlich mit den Leuten auftreten zu können, die sie jahrelang am Fernsehen gesehen haben, dann aber bald auch die Kehrseite des medialen Ruhms kennenlernen, nämlich das Pech, dass aus dem entspannenden Hobby plötzlich ein anstrengender Wochenendberuf zu werden droht, dann wird der Film auf überraschende Weise lebendig.Filme über das Leben der Bergler in den Bergen gibt es mittlerweile in allen Varianten, verklärend, ethnologisch, ethnografisch, distanziert und kritisch. Aber die Wechselwirkung zwischen der zunehmenden Popularität dieser „Swissness“ in In- und Ausland hat noch keiner dieser Filme so schön ins Bild gerückt – und mit so viel Spass an der Sache auch. Das hat damit zu tun, dass die Wiesenberger Jodler als Klub basisdemokratisch funktionieren, dass vor allem der zentrale Konflikt – nehmen wir die Einladung an die Expo in Shanghai an oder bleiben wir da zum Heuet – schliesslich salomonisch gelöst wird. Damit bietet sich die Erfolgsgeschichte der Wiesenberger nicht nur zu Identifikation an, sondern auch als Metapher für den „Sonderfall Schweiz“, der mit Kompromissen den Erfolg am Leben hält.

Dabei machen die beiden Filmemacher vieles noch richtiger als andere. Sie zeigen gerade so viel von der majestätischen Alpenpracht und der zeitweiligen Idylle, dass diese Sehnsucht gestillt wird. Sie zeigen die einzelnen Männer als stille oder auch überaus eloquente Helden des kleinen Alltags, und sie rücken den künstlichen Showbiz-Glamour der grossen Fernsehschau nur so weit ins Bild, dass der Kontrasat zum Alltag deutlich wird, ohne der Eigendynamik des People-Business völlig zu verfallen. Francine Jordi wird so weit wie möglich ausgespart, Dimitri kommentiert die Einzigartigkeit des Jodelns eher in ein SF-Mikrofon und wird dabei sekundär dokumentiert, und Polo Hofer ist eher der Mitmusiker und Nutzniesser, als der gönnerhafte Star.

Bei allem Vertrauen in die filmreifen Momente mit ihren Protagonisten, bei allem dramaturgischen Kalkül und wohl gerade wegen der didaktisch-dramaturgischen Anlage des Films ist er nicht nur grösser geworden als die Summe seiner Teile, sondern auch doppelbödiger, als seine vordergründige Wirksamkeit auf den ersten Blick zu erkennen gibt.

Ins Kino kommt er übrigens am 23. Februar.

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